Deutschland braucht mehr vom Silicon-Valley-Kapitalismus

Erschienen am 22. September 2014

Kannten Sie den Begriff „Silicon-Valley-Kapitalismus“? Ich bislang nicht. Unser Wirtschaftsminister warnte am Wochenende eindringlich, eine unserer wichtigsten Aufgaben sei es, „den Silicon-Valley-Kapitalismus zu zähmen“. Zusammen mit den Gewerkschaften gelte es, so Sigmar Gabriel, dagegen zu halten. „Wir dürfen die Digitalisierung nicht einfach dem Markt überlassen. Sonst riskieren wir eine Zukunft, in der die Marktkräfte der digitalen Ökonomie mit immer gigantischeren Rechenkapazitäten durchschnittliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zunehmend durch Software und durch Robotik ersetzen.“

Ich erinnere mich noch, als ich Wissenschaftlicher Assistent an der Freien Universität Berlin war: Damals liefen die Gewerkschaften in der Uni Sturm gegen die Einführung von PCs. Mit Computern, so ihr Argument, würden am Ende die Sekretärinnen überflüssig gemacht und Arbeitsplätze zerstört. Schreibmaschine statt Computer – das war die Forderung der Gewerkschaften. Unser Wirtschaftsminister scheint leider ähnlich zu denken.

Was fällt Ihnen bei dem Begriff „Silicon-Valley-Kapitalismus“ ein? Mir fallen dabei Steve Jobs, Apple, Google, Amazon usw. ein. Mir fallen junge, mutige Gründer mit Erfindergeist ein und Venture-Capital-Firmen, die diese Ideen finanzieren und groß machen.

Gibt es davon zu viele oder zu wenige in Deutschland? Ich würde mir sehr viel mehr „Silicon-Valley-Kapitalismus“ wünschen, denn das ist genau das, woran es hierzulande mangelt.

Vergleicht man die Jahresberichte des deutschen und des US-Patentamtes, dann sieht man, dass sich vom Jahr 2000 bis heute die Zahl der Patentanmeldungen in den Vereinigten Staaten mehr als verdoppelte, während sie im gleichen Zeitraum in Deutschland um 12 Prozent zurückging. Und in den USA gibt es nicht nur viel mehr Erfindungen und neue Ideen, sondern eben auch Venture-Capital-Firmen, die diese finanzieren: Gemessen am Bruttoinlandsprodukt wird in den USA zehnmal mehr Venture Capital investiert als in Deutschland. Im Jahre 2012 wurden in den Vereinigten Staaten 19,1 Milliarden US-Dollar in Startups investiert. In Deutschland waren es nur 360 Millionen Euro, also nicht einmal zwei Prozent der Summe, die amerikanische Venture-Capital-Geber jungen Unternehmen zur Verfügung stellten.

Deutschland geht es im Moment wirtschaftlich gut. Aber wir sind dabei, unsere wirtschaftliche Zukunft zu verspielen:

  • Mit Mindestlohn, Mietpreisbremse usw. erhält unsere Wirtschaft ein immer engeres Korsett planwirtschaftlicher Regelungen. Demnächst geplant ist die „Anti-Stress-Verordnung“, eine Lieblingsidee unserer Arbeitsministerin. Arbeitnehmer sollen damit vor zu vielen E-Mails geschützt werden.
  • Die Reformen von Gerhard Schröder werden Stück für Stück zurückgedreht, obwohl genau diese Reformen ein wichtiger Grund sind, warum es uns heute besser geht als allen anderen europäischen Ländern, die solche Reformen versäumt haben.
  • Während in den USA durch innovative Techniken (Fracking) die Energie immer billiger wird, explodieren die Strompreise hierzulande, weil Deutschland mit „grünen Energien“ weltweiter Musterschüler im Kampf gegen die angeblich bevorstehende Klimakatastrophe sein will.
  • Gleichzeitig plant die EU, die Gelder des Rettungsfonds nun europaweit für staatliche Konjunkturprogramme zu missbrauchen – die vermeintlich „alternativlose“ Politik der Eurorettung wird von Monat zu Monat gefährlicher und absurder.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.