Die Krise ist nicht vorbei

Erschienen am 23. April 2012

Seit Beginn der Finanzkrise gibt es immer wieder Phasen, wo man den Eindruck hat: Die Krise ist vorbei. Das Schlimmste ist überstanden. Insbesondere in Deutschland ist ja von einer Krise nichts zu spüren. Im Gegenteil: Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosenzahlen gehen zurück – und auch die Inflationsraten sind nur leicht erhöht, aber durchaus moderat.

Doch der Schein trügt. Denn es ist noch längst nicht ausgemacht, wie es mit Spanien und Italien weitergehen wird. In wenigen Wochen stieg die Rendite zehnjähriger Spanien-Anleihen von unter fünf auf über sechs Prozent. Auch Italien-Bonds legten in wenigen Wochen um etwa 100 Basispunkte auf 5,6 Prozent zu. Dabei täuschen diese Zahlen. Denn die Marktmechanismen sind durch den Kauf von Staatsanleihen durch die EZB und durch einheimische Banken der südeuropäischen Krisenstaaten weitgehend außer Kraft gesetzt. Wer weiß denn, wo die Renditen italienischer und spanischer Anleihen liegen würden, wenn die EZB nicht „helfen“ würde?

Rund 75% der Ausleihungen der EZB fließen mittlerweile an die Institute der südeuropäischen Krisenstaaten, die dafür wiederum Staatsanleihen ihrer Länder kaufen, um deren Renditen künstlich „niedrig“ zu halten. Das hat jedoch auf der anderen Seite dazu geführt, dass die Bilanzsumme der EZB in kurzer Zeit auf drei Billionen Euro angeschwollen ist. „Die Aktiva von knapp drei Billionen Euro sind gerade einmal mit 85,5 Milliarden Kapital und Rücklagen unterlegt. Das entspricht einem Hebel von 35 und würde bei Geschäftsbanken zum Einschreiten der Bankenaufsicht führen. Berücksichtigt man die Qualität der Aktiva, sieht man die EZB in der Gesellschaft hochspekulativer Hedgefonds“, so EURO AM SONNTAG-Chefredakteur Frank B. Werner in seinem ausgezeichneten Kommentar in dieser Woche.

Allein bei spanischen Banken wuchs der Bestand an Staatsanleihen von Dezember bis Januar um 26% auf 220 Mrd. Euro, in Italien erhöhten die Banken ihren Bestand an italienischen Anleihen um 31% auf 267 Mrd. Euro. Dass trotz dieser verzweifelten Hilfsaktionen und der damit verbundenen „Kosmetik“ die Renditen der Staatsanleihen auf etwa sechs Prozent steigen, zeigt den Ernst der Lage.

Kürzlich erklärte der spanische Wirtschaftsminister: „Spanien ist in der Lage, die Probleme allein zu überwinden.“ Auch diese Versicherung zeigt den Ernst der Lage.

Erinnern wir uns:
Am 6.1. 2010 erklärte der griechische Finanzminister: „Griechenland braucht keine Hilfe von der EU.“ Es vergingen nach dieser Ankündigung nicht einmal fünf Monate, bis Griechenland den Hilfsantrag stellte.

Am 16. November 2010 versicherte der irische Premierminister: „Irland hat und wird keinen Antrag auf fremde Hilfe stellen.“ In diesem Fall verging nicht einmal eine Woche, bis Irland den Hilfsantrag stellte.

Am 11.Januar 2011 versuchte Portugals Ministerpräsident zu beruhigen: „Die portugiesische Regierung und Portugal werden keine Finanzhilfe beantragen, weil das nicht nötig ist.“ Vier Monate später kam der Hilfsantrag aus Portugal.

Durch die massiven Hilfen der Nord-Länder erlahmt der ohnehin nicht stark ausgeprägte Reformwille in Spanien und Italien zunehmend. Die Gewerkschaften in Italien blockierten erst jüngst eine Reform des verkrusteten Arbeitsrechtes.

Es spricht Vieles dafür, das sich das wiederholt, was wir in den vergangenen Jahren beobachtet haben: Auf eine Phase trügerischer Ruhe folgt die nächste Stufe der Kriseneskalation. Nur, dass sämtliche Munition der Staaten und der Zentralbanken längst verschossen ist.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.

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