Die neue Sorglosigkeit – oder: Worte und Papier werden auf die Dauer nicht reichen

Erschienen am 21. Januar 2013

Sind die Finanz- und die Eurokrise Geschichte? Auf den ersten Blick mag es so scheinen. Anleger haben zunehmend das Gefühl, die Krise sei im Wesentlichen überstanden. Dieses Gefühl der Sicherheit zeigt sich in vielfältiger Weise:

  • Der Schweizer Franken als „sichere Fluchtwährung“ verliert deutlich gegenüber dem Euro.
  • Der Goldpreis ist zeitweise deutlich gefallen. Auch wenn er zuletzt wieder etwas zugelegt hat, zeigt die Entwicklung des Goldpreises, dass die Panik an den Märkten zunächst vorbei ist.
  • In der ersten Januarwoche hatten Aktienfonds, die ausschließlich auf steigende Kurse setzen, mit fast neun Milliarden US-Dollar weltweit die größten Mittelzuflüsse seit März 2000, dem Höhepunkt der Interneteuphorie!
  • Anleihe- und Aktienkurse der südeuropäischen Krisenstaaten haussieren.
  • Preise für Luxusimmobilien, beispielsweise in London, steigen viel langsamer als in den vergangenen Jahren.
  • Die CDS-Preise für die meisten Eurostaaten sind stark gesunken.
  • Die Warnungen der Mahner und Kritiker finden zunehmend weniger Gehör.

All das sind Zeichen einer neuen Sorglosigkeit und eines gefährlichen Optimismus, der durch keinerlei Fundamentaldaten belegt ist.

  • Wurde denn irgendeines der Probleme gelöst, die zur Eurokrise geführt haben?
  • Ist die Staatsverschuldung etwa gesunken?
  • Sinkt die Arbeitslosigkeit in den Krisenländern?
  • Sind in Spanien nicht mehr 50% der jungen Menschen arbeitslos?
  • Gab es in Italien die dringend überfällige Reform des Arbeitsmarktes?
  • Hat sich die Wirtschaft in Frankreich, dem zweitgrößten Euroland, etwa stabilisiert?
  • Hat der staatliche Überregulierungswahn bei den Banken und im Finanzsystem irgendetwas Positives bewirkt?
  • Hat sich in irgendeinem der ehemaligen Krisenländer (außer in Irland) irgendetwas zum Positiven geändert?

Jede dieser Fragen muss mit einem klaren Nein beantwortet werden. Was geholfen hat, waren WORTE von Mario Draghi, der erklärte, alles zu tun, um den Euro zu retten. Unterstützt wurden diese Worte durch massive Anleihekäufe, also durch die Produktion von jeder Menge neuem Geld. Dabei hat die EZB ihre Unabhängigkeit verloren, was sich noch bitter rächen wird.

Worte und Papier werden jedoch auf die Dauer nicht reichen. Die Probleme wurden nicht gelöst, sondern nur zugekleistert und verdrängt. Verdrängte Probleme kommen jedoch irgendwann wieder hoch und entfalten dann eine ungeahnte destruktive Kraft.

Was würde es dagegen bedeuten, wenn ich damit unrecht hätte und all diejenigen Recht behielten, die Optimismus verbreiten und erklären, die Euro- und Finanzkrise sei vorbei? In diesem Fall würden mittelfristig die Zinsen wieder steigen (schlecht für Projektentwickler und Immobilieninvestoren) und der Run auf Immobilien fände bald ein Ende. Bei institutionellen Investoren wäre dann schon bald der Druck nicht mehr da, in Immobilien und andere Alternativen zu Anleihen zu investieren. Und auch die immense Nachfrage von Familiy Offices und vermögenden Privatpersonen nach Immobilien würde sinken. Steigende Zinsen und rückläufige Nachfrage nach Immobilien würden zu einem erheblichen Preisdruck am Immobilienmarkt führen. Doch, um es zu wiederholen: All das kann (und wird) zwar irgendwann einmal geschehen, aber in den nächsten Jahren wird es nur dann geschehen, wenn ich mit allem komplett unrecht habe, was ich in diesem Kommentar geschrieben habe.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.

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