Immo-AGs sind sehr viel stärker als gedacht

Erschienen am 28. Oktober 2013

Der ZIA und Barkow Consulting haben eine Studie vorgelegt, wonach der Anteil börsennotierter AGs als Vehikel für den indirekten Immobilienbesitz in Deutschland in den vergangenen Jahren stark gestiegen sei. Gemäß den Ergebnissen der Studie hielten börsennotierte AGs im Inland ein Immobilienvermögen von 67,6 Mrd. Euro. Der Löwenanteil von 57,9 Mrd. Euro entfalle dabei auf deutsche Gesellschaften. Im Vergleich dazu hielten geschlossene Publikumsfonds schätzungsweise Liegenschaften von 43,1 Mrd. Euro und offene Publikumsfonds von 25,7 Mrd. Euro. Soweit die Ergebnisse der Studie.

Verdienstvoll ist die Studie, weil – anders als bisher – nicht die Marktkapitalisierung deutscher börsennotierter AGs mit dem Fondsvolumen offener und geschlossener Fonds verglichen wird. Nach gängiger Lesart schneiden dann Immobilien-AGs im Vergleich sehr viel schlechter ab. Zum Stichtag der Studie betrug die Marktkapitalisierung der im DIMAX enthaltenen Titel 22,9 Mrd. Euro, während in offenen und geschlossenen Immobilienfonds über 200 Mrd. investiert sind (detaillierte Zahlen dazu weiter unten).

In der Studie wird jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass es falsch ist, die Marktkapitalisierung der börsennotierten Immobilien-AGs mit dem Fondsvolumen offener und geschlossener Fonds zu vergleichen. Erstmals wurde für die Studie daher auf Basis von aggregierten Portfoliodaten das Bruttoimmobilienvermögen der börsennotierten AGs errechnet, das mit 67,6 Mrd. Euro – wegen des Fremdkapitaleinsatzes – logischerweise sehr viel höher ist als die Marktkapitalisierung der Gesellschaften.

In Wahrheit ist die Dominanz der Immobilien-AGs gegenüber offenen und geschlossenen Fonds (was deutsche Immobilien anlangt) sogar noch sehr viel größer als es in der ZIA-Barkow-Studie erscheint. Denn das historische kumulierte Fondsvolumen geschlossener Fonds sollte keineswegs mit dem in diesen Fonds enthaltenen Bruttoimmobilienvermögen verwechselt werden. Da geschlossene Fonds bislang nicht laufend bewertet wurden, geben die Zahlen aller Studien (ob früher von Loipfinger, heute von Feri oder vom VGF) lediglich das kumulierte historische Platzierungsvolumen wieder, d. h. man hat für diese Studien die Platzierungszahlen der Jahre seit Beginn der Erhebung addiert. Hierin enthalten sind jedoch zahlreiche Deutschlandfonds z. B. aus der Sonder-AfA-Ära, bei denen es ganz offensichtlich falsch ist, das damals platzierte Fondsvolumen mit dem heutigen Wert der Immobilien zu verwechseln. Erstens enthielt das Fondsvolumen auch die – damals oft sehr üppigen – Weichkosten, die man schon einmal von dieser Zahl abziehen müsste. Zweitens ist der Immobilienwert z. B. von Ostimmobilien, die in den 90er Jahren platziert wurden, aktuell sehr viel geringer als das damalige Fondsvolumen. Es ist also eindeutig falsch, das Volumen der Deutschland-Immobilienfonds von 46,3 Mrd. Euro mit dem heutigen Wert der von diesen Fonds gehaltenen Immobilien zu verwechseln.

Auch bei den offenen Immobilienfonds – die übrigens überwiegend im Ausland investiert haben – ist die Zahl von 25,7 Mrd. Euro Bruttovermögen deutscher Immobilien nicht unbedingt identisch mit dem Immobilienvermögen. Wäre das so, dann würde ich jedem empfehlen, sofort an der Hamburger Börse im Zweitmarkt Anteile offener Immobilienfonds zu erwerben, die dort teilweise 40% unter dem – auf Basis von Gutachterwerten ermittelten – offiziellen Anteilspreis notieren. Erst jetzt, bei der Liquidation der Fonds, wird sich erweisen, ob die Gutachterwerte wirklich realistisch waren. Zweifel sind erlaubt, denn wie sonst ist es zu erklären, dass sich viele offene Fonds so schwer tun, ihre Immobilien zu verkaufen?

Meine Überlegungen stärken jedoch nur die These der oben zitierten verdienstvollen Studie, wonach börsennotierte Immobilien-AGs „die bedeutendste indirekte Anlageklasse für deutsche Immobilien“ sind. Leider ist ein Vergleich nicht möglich, da wir nach der Studie zwar den Bruttoimmobilienwert in den börsennotierten AGs kennen, nicht jedoch den in den Immobilienfonds.

Hinzufügen sollte man allerdings auch: Bei deutschen Anlegern dominieren nach wie vor mit einem riesigen Abstand offene und geschlossene Immobilienfonds. In offenen Immobilienpublikumsfonds stecken heute 82 Mrd. Euro (überwiegend in Auslandsimmobilien investiert), in Immobilien-Spezialfonds 38 Mrd. Euro. Dazu kommen noch Luxemburger Vehikel wie FCPs und SICAVs. Rechnet man die 72 Mrd. Euro Fondsvolumen der geschlossenen Immobilienfonds dazu, dann kommt man auf eine Zahl, die deutlich über 200 Mrd. Euro liegt. Selbst wenn man die in offenen Publikumsfonds enthaltenen Liquiditätsreserven abzieht, dürften es immer noch etwa 180 Mrd. Euro sein. Zwar sollte man diese Zahl – wie oben erörtert – nicht mit dem Brutto-Immobilienwert verwechseln, aber völlig eindeutig ist, dass der Bruttowert der von deutschen Anlegern indirekt in Immobilienaktien gehaltenen Immobilien (3-4 Mrd.) nur ein winziger Bruchteil davon ist.

Denn laut einer Studie der Lampe-Bank sind 95 Prozent der Anleger von börsennotierten Immobilien-AGs ausländische Investoren, während bei den Immobilienfonds der Anteil der deutschen Anleger bei fast 100 Prozent liegen dürfte. Das heißt, dass deutsche Anleger von den in der Studie genannten 67,6 Mrd. Euro Bruttoimmobilienvermögen wohl nicht viel mehr als drei bis vier Mrd. Euro besitzen, was im Vergleich zu dem Fondsvolumen offener und geschlossener Immobilienfonds (über 200 Mrd.) zu vernachlässigen ist.

Deutsche private und institutionelle Investoren scheuen leider nach wie vor Immobilienaktien, weil für sie „Immobilien“ und „Stabilität“ unabdingbar zusammengehören. Bei geschlossenen Fonds, die bislang nicht laufend bewertet wurden – dies ändert sich durch die AIFM – konnten Anleger Wertveränderungen einfach nicht sehen, was jedoch nicht heißt, dass es diese nicht gab. Bei offenen Immobilienfonds fand bislang nur einmal jährlich eine Bewertung statt, und die Gutachter glätteten oftmals die Werte. Ich glaube nicht, dass die Immobilien, die in offenen oder geschlossenen Fonds enthalten sind, tatsächlich „stabiler“ bzw. weniger volatil sind als jene, die von börsennotierten Immobilien-AGs gehalten werden. Aber man nahm eben die Volatilität wegen fehlender, seltener und/oder geglätteter Bewertung nicht wahr.

Bislang dominieren Wohnungsgesellschaften die deutschen Immo-AGs. Auch dies wird durch vorliegende Studie bestätigt: Der Wohnsektor repräsentiert derzeit danach 77% des Bruttoimmobilienvermögens der Top 15 Immobilienaktiengesellschaften. Bei offenen Fonds dagegen lag der Wohnungsanteil traditionell unter einem Prozent. Auch das Fondsvolumen von offenen Wohnungsspezialfonds liegt nur bei 1,7 Mrd. Euro.

Die große Aufgabe der Immobilienaktiengesellschaften besteht heute darin, private und institutionelle Anleger davon zu überzeugen, dass dies eine sinnvolle Art der Immobilienanlage ist, die – auch für deutsche private und institutionelle Anleger – irgendwann eine bedeutende Rolle neben den Immobilienfonds spielen sollte. Bis dahin ist jedoch noch sehr viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.