Kurzfristige Staatsanleihen sind besser als ihr Ruf

Erschienen am 17. Mai 2016

Ich habe an dieser Stelle schon mehrfach erklärt, warum ich einen Teil meines Geldes derzeit in kurz laufende Staatsanleihen investiere (US-Anleihen oder Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von bis zu zwei Jahren). Viele Gesprächspartner verstehen das nicht, weil es für diese Anleihen nur negative Zinsen gibt.

Ich fühle mich durch eine Untersuchung bestätigt, die der von mir sehr geschätzte Finanzexperte Gerd Kommer demnächst in dem Magazin „Der Neue Finanzberater“ veröffentlicht (freundlicherweise hat er mir den Artikel schon vorab zur Verfügung gestellt).

Seine Argumentation: Die niedrigen Nominalzinsen sind für die Beurteilung irrelevant, da es allein auf die Realrenditen ankommt, also auf die realen Verzinsungen nach Inflation. Betrachtet man diese, dann sind Minirenditen oder sogar negative Renditen bei Anleihen eher die Normalität als die Ausnahme. Die inflationsbereinigte durchschnittliche Jahresrendite für langfristige Staatsanleihen betrug von 1900 bis 2015 in den USA 2%, für kurzfristige Staatsanleihen waren es 0,8 Prozent. Für Deutschland waren in diesem langen Vergleichszeitraum die Realrenditen sowohl für kurz- wie auch für langfristige Staatsanleihen im Durchschnitt negativ, was jedoch mit den Effekten von Hyperinflation und zwei Staatskonkursen/Währungsumstellungen zu tun hatte.

Bei kurzfristigen US-Staatsanleihen war die Realrendite laut Kommer seit 1927 in 36 von 89 Kalenderjahren negativ und in neun von zehn Jahren lag die reale Rendite unter 0,3 Prozent. Soweit die Argumentation von Kommer.

Tatsächlich waren die Realrenditen oft noch niedriger, wenn man nicht nur die Inflation, sondern auch die Steuern mit einbezieht. Der Steuereffekt ist umso höher, je höher die nominalen Zinsen sind, da Steuern ja auf die Nominal- und nicht auf die Realzinsen gezahlt werden. 1973 lagen die nominalen Geldmarktzinsen bei 12 Prozent. Damals gab es noch keine Abgeltungssteuer, sondern Zinsen mussten mit dem persönlichen Steuersatz versteuert werden, der damals in der Spitze bei 53 Prozent lag. Einem Spitzenverdiener blieben damit von 12 Prozent nominalen Zinsen nach Steuern nur 5,6 Prozent. Bei einer Inflationsrate von damals 7,1 Prozent heißt dies, dass die Rendite nach Steuern und Inflation für einen Spitzenverdiener tatsächlich bei -1,5% lag. Wer heute -0,5% mit einer kurzfristigen Staatsanleihe erzielt, bekommt als Spitzenverdiener zunächst einmal etwa die Hälfte vom Finanzamt zurück, insofern er die negativen Einkünfte mit anderen positiven Zinseinkünften (etwa aus Unternehmensanleihen) ausgleichen kann. Da die Inflationsrate bei etwa 0,5% liegt, beträgt die reale Rendite nach Steuern etwa 0,25 Prozent (falls er mit positiven Zinseinkünften ausgleichen kann) oder eben 0 Prozent, wenn er dies nicht kann. Das heißt: Er bekommt heute nach Inflation und Steuern sogar 1,5% bis 1,75% mehr Zinsen als damals!

Die meisten Anleger machen den Fehler, dass sie nur auf die nominale Verzinsung schauen und weder die Inflation noch die Steuern berücksichtigen. Wie anders ist es zu erklären, dass der Anleger der 70er Jahre mit seinen (vermeintlichen) 12% (in Wahrheit aber -1,5%) Zinsen dies offenbar weniger als Problem empfand als der heutige Anleger, der nach Steuern und Inflation 1,5% bis 1,75% mehr hat als damals.

Mein Argument unterstützt Kommers Sicht der Dinge: Negative Realverzinsungen bei „risikofreien“ Anlagen wie kurzfristigen Anleihen von AAA-Staaten oder Bankguthaben innerhalb der gesetzlichen Einlagensicherung in solchen Staaten sind eher die Regel als die Ausnahme wenn man Steuern und Kosten berücksichtigt. Kommer warnt zu Recht davor, als Reaktion auf die – nur vermeintlich – ungewöhnlich niedrigen Zinsen in risikoreichere Unternehmensanleihe etc. umzuschichten. Denn die Anlage in Anleihen habe ja lediglich die Aufgabe des Sicherheitsankers „und dient nicht dem Zweck, Rendite zum Gesamtportfolio beizusteuern – genauso wenig wie der Torwart beim Fußball die Aufgabe hat, Tore zu schießen“.

Abschließend noch drei Dinge, die mir im Traum nicht einfallen würden:

  1. Als Reaktion auf die niedrigen Zinsen in länger laufende Staatsanleihen zu investieren. Das Kursrisiko halte ich für enorm hoch – es wird durch den geringen Mehrertrag bei Weitem nicht abgegolten.
  2. Größere Beträge als Einlagen einer Bank zu leihen. Im Worst Case, also bei einer erneuten Finanzkrise und einem Bankencrash, halte ich es für illusorisch zu glauben, dass Beträge über 100.000 Euro durch den Staat oder durch andere Sicherungssysteme wirksam abgesichert wären. Wer glaubt, dass seine Einlagen am Schluss dennoch vom Staat gerettet werden, der braucht nicht den Umweg zu gehen, und das Geld erst einer Bank zu leihen – er kann es gleich dem Staat leihen. Die Differenz zwischen den Zinsen, die Banken für die Verzinsung ihrer Anleihen zahlen müssen und den Guthabenzinsen auf dem Tagesgeldkonto deutet schon an, dass das Risiko bei Bankeinlagen (Tagesgeldkonto etc.) nicht abgegolten ist.
  3. Von Anleihen einen positiven Renditebeitrag für meine Anlagen zu erwarten. Die Renditen müssen schon aus anderen Assetklassen kommen. Die Erwartung, dass positive Renditebeiträge aus dem Anleihenbereich kommen, war nur so lange realistisch, wie der Anleihen-Anleger aufgrund der über die Jahrzehnte hinweg stets gefallenen Renditen Kursgewinne verzeichnen konnte. Diese Zeiten sind jedoch erst einmal vorbei.

Wenn es darum geht, einen Teil des Geldes liquide und sicher anzulegen, dann gibt es als Alternative nur das Horten von Bargeld und den Kauf kurzlaufender Anleihen. Wobei das Horten von Bargeld durch die beschlossene Abschaffung der 500 Euro-Scheine etwas weniger komfortabel geworden ist. Da es die 500er jedoch nach wie vor gibt und sie auch – so verlautete es zumindest – unbegrenzt weiter eintauschbar sein sollen, kann ein privater Anleger auch darüber nachdenken, zumindest einige 100.000 Euro in 500ern zu horten. Für größere Beträge halte ich jedoch eine diversifizierte Anlage in kurzlaufenden US-Bonds und kurzlaufenden Bundesanleihen für richtig. Und wer allem nicht traut, sollte einen Teil seines Geldes (zwischen 5 und 10 Prozent) nach wie vor in der Währung Gold anlegen, wobei er sich jedoch darüber bewusst sein muss, dass die Volatilität dieser Währung viel höher ist als die von anderen Währungen. Darin liegen bekanntlich Risiko und Chance zugleich.


24 Besprechungen, Interviews und Artikel zu Rainer Zitelmanns aktuellem Buch "Reich werden und bleiben": http://www.reichwerdenundbleiben.net/

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.