Neuer Regulierungswahn: Blasen-Hellseher in der BaFin

Erschienen am 26. Oktober 2016

Ein neuer Gesetzentwurf sieht vor, dass künftig die Beamten in der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bei drohenden Blasen am Wohnungsmarkt die Kreditvergabe massiv reglementieren dürfen. Wann eine Blase droht, ist unter Wissenschaftlern hoch umstritten – aber die Politik ist optimistisch, dass die BaFin-Beamten das besser als alle Experten beurteilen können.

Zu den am schwersten zu beurteilenden Fragen gehört es, wann eine Blase am Aktien- oder Immobilienmarkt vorliegt oder droht. Es gehört geradezu zum Wesen einer Blase, dass fast alle Marktteilnehmer deren Existenz vehement bestreiten und stattdessen darauf hinweisen, Preisanstiege seien „fundamental gerechtfertigt“. So war es bei allen großen Blasen in der Geschichte, ob nun bei der Aktienmarktblase 1929, bei der New Economy-Blase Ende der 90er Jahre oder bei den Hauspreisblasen in den USA und einigen europäischen Ländern in den 2000er Jahren.

Ein Blase, die erkannt wird, ist bereits am Platzen

Eine Blase, die von einer großen Zahl von Marktteilnehmern als solche erkannt wird, ist bereits am Platzen. Die Erfahrung lehrt, dass auf dem Höhepunkt des irrationalen Überschwangs, den man auch Blase nennt, die Zahl und Lautstärke der Stimmen, die ihre Existenz in Abrede stellen, am größten ist.

Seit Jahren diskutieren in Deutschland Experten darüber, ob bzw. in welchen Segmenten des deutschen Immobilienmarktes es derzeit eine Blase gibt oder ob eine solche demnächst droht. Wer bei Google das Schlagwort „Blase am deutschen Häusermarkt“ eingibt, bekommt über 20.000 Einträge. Er findet dort – von Banken, Immobilien- und Finanzexperten – jede denkbare Meinung: Wir seien bereits mitten in der Blase, demnächst drohe eine Blase, es könne keinerlei Rede von einer Blase sein. Alles jeweils mit vielen Zahlen und guten Argumenten begründet. Und alles von namhaften Forschungsinstituten, Professoren und anderen Experten vorgetragen.

Der ehemalige Fed-Chef Alan Greenspan, der mit seiner Niedrigzinspolitik auf die Blase am Aktienmarkt reagierte und damit eine gewaltige Blase am US-Hausmarkt erzeugte, meinte sogar, man könne eine Blase stets nur dann erkennen, nachdem sie geplatzt sei.

Die deutschen Politiker wissen es jedoch besser und sind klüger als alle Experten. Oder besser gesagt: Sie wissen, wer es am besten beurteilen kann und wer – über den Expertenstreit der Wissenschaftler erhoben – in großer Weisheit beurteilen kann, ob eine Blasenbildung drohe.

Das neue Anti-Wohnimmobilienblasen-Gesetz

In einem Referentenentwurf des Bundesministeriums für ein „Gesetz zur Ergänzung des Finanzdienstleistungsaufsichtsrechtes im Bereich der Darlehensvergabe zum Bau oder zum Erwerb von Wohnimmobilien zur Stärkung der Finanzstabilität“ sind massive Änderungen im Kreditwesengesetz, im Kapitalanlagegesetzbuch und im Versicherungsaufsichtsgesetz vorgesehen.

Es sollen jetzt schon Instrumente geschaffen werden, die dann zum gegebenen Zeitpunkt von der BaFin aktiviert werden. „Die Entscheidung über eine Aktivierung“, so heißt es im Referentenentwurf, „setzt die Einschätzung drohender Risiken für die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems und für die Finanzstabilität voraus und wird sich auf die einschlägigen Analysen und Bewertungen der Deutschen Bundesbank stützen.“

Die Darlehensvergabe kann dann von der BaFin in allen relevanten Bereichen – einzeln oder kombiniert – beschränkt werden, und zwar im Einzelnen durch:

  • Vorgabe einer Darlehensvolumen-Immobilienwert-Relation
  • Vorgaben für die Tilgung (Amortisationsanforderung)
  • Vorgaben zum Schuldendienstdeckungsgrad des Kreditnehmers
  • Vorgaben zur Relation von Gesamtverschuldung zum Einkommen.

Bei diesen Relationen kommt es entscheidend auf die Höhe des Immobilienwertes an, aber genau dieser ist ja strittig und bei einer Blasenbildung massiv aufgebläht. Die Vorgaben gelten dann für alle Marktteilnehmer, also für Profis ebenso wie für private Wohnungskäufer und Häuslebauer.

Herumdoktern an Symptomen

Mit dem neuen Gesetz doktert die Politik an Symptomen herum. Die Ursachen für die Blasen liegen heute eindeutig in der wahnwitzigen Politik der Zentralbanken, die im vollen Einverständnis mit der Politik erfolgt. Schließlich profitiert die Politik davon, da sich Staaten wie die Bundesrepublik Deutschland inzwischen umsonst weiter verschulden können bzw. sogar noch Geld dafür bekommen, wenn sie sich neu verschulden.

Jeder weiß, dass die Nullzinspolitik der EZB in allen Assetklassen zu einer Blasenbildung führt – nicht nur bei Immobilien, sondern vor allem bei Anleihen, Aktien, aber auch bei Kunst, Oldtimern und anderen Assets. Die Zentralbanken haben den Markt außer Kraft gesetzt und den Zins abgeschafft. Die Blasen, die sie damit zwingend erzeugen, sollen nun per Gesetz verhindert werden. So wie die meisten Regulierungen wird auch diese entweder wirkungslos sein oder das Gegenteil des Intendierten bewirken.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.