Reiche Gutmenschen oder Philofiskusitis

Erschienen am 29. August 2011

In diesen Tagen sind die Medien voll von Berichten über Milliardäre und Multimillionäre, die ein Riesen-Problem haben: Sie leiden unter einer ansonsten sehr seltenen Krankheit, genannt Philofiskusitis. Die von dieser seltenen Krankheit befallenen Menschen leiden unsäglich darunter, dass sie zu wenig Steuern bezahlen. Statt jedoch einfach mal einen Scheck von einigen Millionen an das Finanzamt zu schicken, flehen sie in Zeitungsanzeigen die Politiker um Hilfe an: „Bitte, bitte, besteuert uns stärker!!!“ Meist handelt es sich um eine Alterskrankheit von Milliardären, die allerdings auch in dieser Gruppe nur äußerst selten auftritt, was die Krankheit nur noch interessanter für die Medien macht.
In Frankreich haben sich einige davon zusammengetan und große Anzeigen in überregionalen Zeitungen aufgegeben, in denen sie darüber klagen, dass sie zu wenig Steuern bezahlen.
Solche Anzeigen sind eine tolle Möglichkeit, PR für sich selbst zu machen. Als jemand, der sein Geld mit Positionierungs-Beratung verdient, kann ich Ihnen, lieber Leser, verraten, wie das funktioniert:
1. Einem Reichen, der findet, er zahle zu wenig Steuern wird mit 100%iger Sicherheit von den Medien Aufmerksamkeit geschenkt. Als Journalisten-Weisheit gilt, dass der Postbote, der den Hund gebissen hat eher eine Schlagzeile Wert ist als der Hund, der den Postboten gebissen hat.
2. Die Sympathie der Medien, der Politiker, der Öffentlichkeit und insbesondere aller Gutmenschen ist einem gewiss: Jeder findet es toll, wenn Menschen, die so viel verdienen und so viel haben, wie man selbst nie im Leben haben und verdienen wird, mehr Steuern bezahlen wollen oder sollen. Der ehemalige Finanzminister Hans Eichel schlug neulich in einer Talkshow einen Spitzensteuersatz von 70 Prozent für Menschen mit einem Einkommen von mehr als zehn Millionen Euro vor. Da es davon in Deutschland nur einige Dutzend oder vielleicht auch einige Hundert gibt, werden die anderen 99,9999% das nicht als Problem empfinden, sondern sich über das „Mehr an sozialer Gerechtigkeit“ freuen, wenn dann Josef Ackermann weniger als ein Drittel seines Bruttoeinkommens bleiben. Auf die Idee, dass jemand wie Ackermann dann vielleicht doch lieber in der Schweiz oder den USA arbeiten würde, kommt jemand wie Hans Eichel offenbar nicht – oder es ist ihm sogar ganz Recht.
3. Außer den Kosten für die Anzeigen kostet eine solche PR-Aktion gar nichts. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass die Politiker wegen einer solchen Anzeige tatsächlich die Steuern erhöhen werden, ist fast bei Null. Entweder sie tun das sowieso (der wahrscheinlichere Fall) oder sie tun das auch wegen der Anzeige nicht.
Ergebnis: Mit geringstem finanziellen Aufwand und geringstem finanziellen Risiko wird ein maximaler PR-Effekt erreicht: Hohe Aufmerksamkeit ist denjenigen sicher, die normalerweise wegen ihres hohen Vermögens neidisch beargwöhnt würden und nun auf einmal in die Gemeinschaft der Gutmenschen aufgenommen werden. Wann wird schon weltweit über eine Zeitungsanzeige berichtet, die einige Menschen in Frankreich aufgeben?
Auch Warren Buffett, der ansonsten von mir sehr bewunderte Star-Investor, ist bekanntlich schon seit Langem der Meinung, die Reichen in den USA sollten stärker zur Kasse gebeten werden. Nun, wenn man bereits einer der reichsten Menschen der Welt und über 80 Jahre alt ist, dann lässt sich so eine Meinung vielleicht auch einfacher vertreten als dann, wenn man gerade auf dem Weg ist, ein Vermögen aufzubauen…
Das stereotyp wiederholte Argument für die höheren Steuern lautet, dass diejenigen, die mehr haben und mehr verdienen gefälligst auch mehr beitragen sollten. Aber ist das nicht bereits längst so? Viele Menschen in Deutschland zahlen gar keine Steuern mehr und eine Minderheit trägt die Hälfte der Steuerlast.
Die meisten Kommentatoren in den Medien finden dennoch die Idee gut, dass die Reichen und die Superreichen noch stärker zur Kasse gebeten werden sollen. Dabei räumen sie bereitwillig ein (und rechnen das sogar vor), dass das finanziell kaum etwas für den Staatshaushalt bringt. Aber die „symbolische Wirkung“ sei wichtig. Gemeint: Der Neidinstinkt wird damit befriedigt.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.

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