Schwerster Angriff auf Wohnimmobilieneigentümer seit Bestehen der Bundesrepublik

Erschienen am 27. November 2015

Faktisch einen Mietenstopp bedeutet das Geheimpapier aus dem Justizministerium, das wir nachfolgend im vollen Wortlaut veröffentlichen. Es ist der schwerste Angriff auf Immobilieneigentümer seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland.

Wenn es umgesetzt würde, dann wären die Auswirkungen für Wohnimmobilieninvestoren dramatisch.

Bereits im Januar hatte ich sehr eindringlich davor gewarnt (Immobilen News 03-15), dass nach der Mietpreisbremse ein weiteres Gesetz kommen wird, wonach der Mietspiegel auf Basis der Mieten der vergangenen zehn Jahre berechnet wird. Ich schrieb damals: „Die Kombination von Mietpreisbremse und einem Mietspiegel, der die Mieten der letzten 10 Jahre abbildet, bedeutet faktisch, dass die Mieten in Deutschland nur noch sinken und nicht mehr steigen können. Ich weiß, viele Leser werden wieder sagen: 'Ach, das wird schon nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird.' Ich hoffe, diese Leser von der Fraktion der Zweckoptimisten behalten Recht.“

Inzwischen ist alles einen Schritt weiter. Alles, was ich damals befürchtet hatte, steht jetzt in dem Geheimpapier aus dem Justizministerium:
 

Das Geheimpapier aus dem Justizministerium

Grundlinien zur weiteren Reform des Mietrechts

in der 18. Legislaturperiode

Ausgangslage

Das Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung vom 21. April 2015 (BGBl. I Seite 610) sorgt dafür, dass exorbitante Mietsteigerungen in prosperierenden Ballungszentren abgebremst werden. Es geht jetzt um weitere Weichenstellungen für die Qualität und Bezahlbarkeit des Wohnens.

Das Vergleichsmietensystem des deutschen Mietrechts gilt als vorbildlich. Wir wollen hier notwendige Anpassungen behutsam vornehmen. Insbesondere wollen wir dafür Sorge tragen, dass der Mietspiegel die ortsübliche Vergleichsmiete realitätsnah abbildet (s. unter I). Gleichzeitig wollen wir Mieterinnen und Mieter vor finanzieller Überforderung nach Modernisierung der Wohnung schützen (s. unter II). Die Frage, auf welche Weise die Wohnfläche zu ermitteln ist und von welchen Werten auszugehen ist (s. unter III.), hat Rückwirkungen auch auf die ortsübliche Vergleichsmiete und auf die Verteilung der durch eine Modernisierung entstandenen Kosten. Deshalb sollen die Grundsatzentscheidungen zu diesen miteinander verknüpften Vorhaben im Zusammenhang getroffen werden. Schließlich sollen die besonderen mieterschützenden Regelungen bei einer außerordentlichen Kündigung wegen eines Zahlungsverzugs des Mieters auch im Fall einer ordentlichen Kündigung zur Anwendung kommen, die aus demselben Grund erfolgt (s. unter IV).

I. Die ortsübliche Vergleichsmiete im Mietspiegel

Die ortsübliche Vergleichsmiete ist gesetzlicher Anknüpfungspunkt zur Feststellung der berechtigten Miethöhe bei Mieterhöhungen und beim Abschluss von Mietverträgen auf angespannten Wohnungsmärkten. Mietspiegel bilden die ortsübliche Vergleichsmiete ab; ihre Bedeutung in der Praxis hat stetig zugenommen. Die gesetzlichen Regelungen zum Mietspiegel sind gegenwärtig allgemeiner Natur. Durch konkretisierende Bestimmungen wollen wir auf eine bessere und realitätsnahe Ausgestaltung von Mietspiegeln hinwirken:

1. Der Bezugszeitraum der ortsüblichen Vergleichsmiete soll von vier auf zehn Jahre verbreitert werden. Dadurch können mehr Mietverhältnisse in die Untersuchungen für Mietspiegel einbezogen werden. Der Rücklauf aus Befragungen zum Zweck der Mietspiegelerstellung ist unter anderem deshalb gering, weil viele der Befragten einen Mietvertrag haben, der schon länger als vier Jahre besteht und dessen Miete während dieser Zeit nicht angepasst wurde. Insbesondere ältere Neuvertragsmieten können durch die Verbreiterung des Bezugszeitraums besser abgebildet und gewichtet werden.

2. Zur Qualitätssicherung von Mietspiegeln sollen – voraussichtlich in einer Rechtsverordnung – Grundsätze niedergelegt werden, nach denen qualifizierte Mietspiegel zu erstellen sind. Insbesondere sind qualifizierte Mietspiegel in der Praxis nach transparenten und nachvollziehbaren Grundsätzen aufzustellen. Wichtiger Bestandteil hiervon ist die Stärkung der Dokumentation von Mietspiegeln. Der nicht näher beschriebene gesetzliche Maßstab der „anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze“ hat in der Vergangenheit zu Anwendungsproblemen geführt. Hier soll mehr Rechtssicherheit geschaffen werden. Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass Mietspiegel bezahlbar bleiben und die Umstände vor Ort angemessen berücksichtigen können. Es müssen daher Spielräume bei der Aufstellung von Mietspiegeln bleiben.

3. Auch qualifizierte Mietspiegel bleiben weiterhin gerichtlich überprüfbar. Wenn aber sowohl die Gemeinde als auch Interessenvertreter der Vermieter und Mieter den Mietspiegel als qualifiziert anerkannt haben, kann vermutet werden, dass der Mietspiegel den vom Gesetzgeber aufgestellten Anforderungen entspricht. Dann ist es sachgerecht, dass derjenige, der sich gegen den Mietspiegel wendet, beweisen muss, dass die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt sind. Ein qualifizierter Mietspiegel soll im Prozess wie ein Sachverständigengutachten behandelt werden.

4. Abgesehen von einer Stärkung der Dokumentation sollen die Anforderungen an einfache Mietspiegel nicht erhöht werden. Kostengünstige einfache Mietspiegel haben eine erhebliche befriedende Wirkung und liefern wertvolle Anhaltspunkte für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Eine Verschärfung der Anforderungen würde dieses für die Praxis unverzichtbare Instrument gefährden.

II. Mieterhöhungen nach Modernisierung

Das Mietrecht verbietet dem Vermieter im Regelfall, ein Wohnraummietverhältnis zu kündigen, um die Wohnung umzugestalten. Im Gegenzug räumt es dem Vermieter die Möglichkeit ein, die Miete nach einer Modernisierungsmaßnahme in Relation zu den Kosten der Modernisierung zu erhöhen. Die vorhandenen Regelungen haben nicht verhindern können, dass Mieter infolge erheblicher Mietsteigerungen nach Modernisierung ihre Wohnung aufgeben mussten. Die Bundesregierung hat sich daher zum Ziel gesetzt, die durch die – durchaus erwünschte – Modernisierung entstandenen Kostenfolgen für Mieter und Vermieter angemessener auszugestalten. Vor diesem Hintergrund sind folgende Änderungen geplant:

1. Der Prozentsatz, mit dem die Modernisierungskosten auf die Mieter umgelegt werden können, soll von 11 % auf 8 % abgesenkt werden. Gleichzeitig soll für Mieterhöhungen nach Modernisierung eine Kappungsgrenze eingeführt werden. Die Miete soll in einem Zeitraum von 8 Jahren um nicht mehr als 50 %, maximal 4 €/m² steigen können.

2. Der Begriff der Modernisierungskosten soll in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die notwendigen Kosten begrenzt werden. Zusätzlich wird auch für Modernisierungskosten ein Wirtschaftlichkeitsgrundsatz eingeführt, der nur die Umlage derjenigen Kosten erlaubt, die ein verständiger Vermieter auch dann veranlasst hätte, wenn er sie selbst tragen müsste.

3. Kleinvermieter sind mit dem Mieterhöhungsverfahren oftmals überfordert. Daher soll ein vereinfachtes Verfahren eingeführt werden. Im vereinfachten Verfahren werden die Instandhaltungskosten mit einer Pauschale angesetzt und der Zinsvorteil zinsloser oder zinsverbilligter Darlehen, die zur Finanzierung der Maßnahme aufgenommen wordensind, bleibt unberücksichtigt. Dafür beträgt der Prozentsatz, mit dem die Modernisirungskosten auf den Mieter umgelegt werden können, nur 4 % jährlich. Der Vermieterkann wählen, ob er von dem vereinfachten Verfahren Gebrauch machen möchte.

4. Der Katalog der Modernisierungsmaßnahmen in § 555b BGB soll um eine Regelung ergänzt werden, nach der auch Maßnahmen zum alters- oder behindertengerechten Umbau eine Modernisierung darstellen, wenn die Wohnung zum dauerhaften Gebrauch durch diese Nutzergruppen bestimmt ist.

5. Auf Grund der Trennung von Duldung und Mieterhöhung durch das Mietrechtsänderungsgesetz in 2013 wird die Frage, ob die Mieterhöhung eine finanzielle Härte für denMieter darstellt, nicht mehr im Duldungsverfahren geklärt. Dies hat zu einer erheblichen Verunsicherung von Mietern geführt. Es soll daher durch ein gesetzliches Regelbeispiel klargestellt werden, dass eine finanzielle Härte regelmäßig vorliegt, soweit durch die Mieterhöhung der Anteil der Bruttokaltmiete am Nettoeinkommen des Mieters 40 % übersteigt. In Zukunft soll sich der Mieter auch dann auf eine ungerechtfertigte Härte berufen können, wenn die Mietsache in einen Zustand versetzt wird, der allgemein üblich ist.

6. Die Frist zur Geltendmachung von Härteeinwänden soll um einen Monat verlängert werden, so dass dem Mieter wenigstens zwei Monate verbleiben, um auch rechtlichen Rat einzuholen. Informiert der Vermieter den Mieter nicht über die Form und die Frist des Härteeinwands, so soll der Mieter in Zukunft den wirtschaftlichen Härteeinwand auch noch nach Beginn der Modernisierungsmaßnahme geltend machen können.

III. Die relevante Wohnfläche

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Abweichungen der tatsächlichen von der zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Mietfläche bis zu 10 % regelmäßig unbeachtlich. Praktisch führt ein solches Abstellen auf die vereinbarte Mietfläche dazu, dass der Mieter für nicht existente Mietflächen Miete und Betriebskosten zahlen muss und der Vermieter hierfür auch Mieterhöhungen verlangen kann. Ein solches Ergebnis erscheint nicht sachgerecht. Auch nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, seine Rechtsprechung für Mieterhöhungen bis zur Vergleichsmiete zu ändern (BGH, Pressemitteilung Nr. 189/2015 zum Urteil vom 18. November 2015 – VIII ZR 266/14), erscheint eine gesetzgeberische Regelung notwendig, vor allem um bei Umlage von Betriebskosten und Mieterhöhungen nach Modernisierung Verteilungsgerechtigkeit zu schaffen.

1. Für Mieterhöhungen bis zur Vergleichsmiete und für Mieterhöhungen nach Modernisierung der Mietsache sollen in jedem Fall die tatsächlichen Wohnflächen maßgeblich sein. Auch die Umlage von Betriebskosten nach dem Anteil der Wohnfläche soll sich künftig nach den tatsächlichen Flächenverhältnissen richten.

2. Bei Unterschreitung der vereinbarten Mietfläche um mehr als 10 % soll in jedem Fall ein Gewährleistungsrechte auslösender Sachmangel vorliegen. Bei geringeren Flächenunterschreitungen soll es darauf ankommen, ob die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache erheblich gemindert ist.

3. Für den Fall, dass die Parteien keine Vereinbarung getroffen haben, soll auch für preisfreien Wohnraum flankierend festgelegt werden, wie die Wohnfläche zu berechnen ist.

IV. Harmonisierung der Verzugsfolgen im Wohnungsmietrecht

Im Falle einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs des Mieters sieht § 569 Absatz 3 BGB im Wohnraummietrecht besondere Schutzvorschriften zugunsten von Mieterinnen und Mietern vor. Nach der sog. Schonfristregelung des § 569 Absatz 3 Nummer 2 BGB wird eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs unwirksam, wenn die Vermieterin oder der Vermieter bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt wird. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung findet diese Heilungsregelung keine analoge Anwendung auf eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs, so dass eine zugleich ausgesprochene ordentliche Kündigung bei Nachzahlung innerhalb der Schonfrist nicht ebenfalls nach § 569 Absatz 3 Nummer 2 BGB unwirksam wird. Kündigt der Vermieter zusätzlich zu einer außerordentlichen Kündigung also zugleich bzw. hilfsweise ordentlich, finden die im allgemeinen Interesse zur Vermeidung von Obdachlosigkeit geschaffenen Schutzvorschriften keine Anwendung. Dies erscheint nicht sachgerecht. Vor diesem Hintergrund sollen die Wirkungen einer Zahlung innerhalb der Schonfrist bei außerordentlicher Kündigung wegen Zahlungsverzugs weitestgehend auf die ordentliche Kündigung übertragen werden.

Mietenstopp – verfassungsrechtlich zweifelhaft

Von Hans-Joachim Beck

Die Erweiterung des Betrachtungszeitpunkts für die ortsübliche Vergleichsmiete von bisher vier auf nun zehn Jahre wird zu einem Mietenstopp führen. Dies mag zwar in Städten, in denen die Mieten auch in den vergangenen Jahren kaum gestiegen sind, kaum Folgen haben. In allen Gebieten, in denen sie in den vergangenen Jahren gestiegen sind, wird dies jedoch dramatische Auswirkungen haben.

Die Banken werden gezwungen sein, ihre Beleihungswerte nach unten zu korrigieren. Bislang sind die Banken bei der Ermittlung des Beleihungswertes von einem zwar gebremsten, aber doch zuverlässigen Zuwachs der Mieten ausgegangen. Sollte die geplante Gesetzesänderung Wirklichkeit werden, müssen alle Banken davon ausgehen, dass die gegenwärtigen Mieten für eine lange Zeit überhaupt nicht erhöht werden können und dementsprechend die bei der Finanzierung der Immobilie zugrunde gelegten Werte herabsetzen. Sie werden eine Nachbesicherung bereits vergebener Kredite fordern müssen.

Jetzt stellt sich heraus, dass sich der Gesetzgeber mit der Mietpreisbremse selbst eine Art Blankoscheck zur Regulierung der Mieten ausgestellt hat. Das ursprüngliche Gesetz sieht eigentlich nur eine Dämpfung des Anstiegs der Mieten vor. Dadurch, dass der Gesetzgeber nachträglich die Bezugsgröße des Gesetzes verändert, indem er die Definition der ortsüblichen Vergleichsmiete neu regelt, verschärft er die Mietpreisbremse und macht daraus de facto einen Mietenstopp. Verfassungsrechtlich dürfte diese Vorgehensweise mehr als zweifelhaft sein. Die Verfassungswidrigkeit der bis 2008 geltenden Erbschaftsteuer hat das Bundesverfassungsgericht insbesondere damit begründet, dass Subventionen nicht verdeckt über Bewertungsregeln gewährt werden dürften. Daher hat es verlangt, dass alle Wirtschaftsgüter mit dem tatsächlichen Wert bewertet werden müssen und Vergünstigungen nur offen im Gesetz geregelt werden dürfen. Nur so könne erreicht werden, dass die Begünstigung zielgerichtet wirke und den Personenkreis erreiche, für den ein solcher Schutz gerechtfertigt sei. Übertragen auf das Mietrecht bedeutet dies, dass der Gesetzgeber den Schutz und die Begünstigung von Mietern nicht durch „Manipulation“ der ortsüblichen Vergleichsmiete bewirken darf. Dieser Wert muss vielmehr realitätsgerecht ermittelt werden. Erst in den Regeln des Mietrechts darf dann festgelegt werden, wie und in welcher Form bestimmte Personen vor überhöhten Mieten geschützt werden. Nur so kann erreicht werden, das die Begünstigung zielgenau den Personen zu Gute kommt, die schutzbedürftig sind, und nicht bonitätsstarken Mittelschichtsbürgern.

Nachfolgenden Kommentar habe ich am 16. Februar in den IMMOBILIEN NEWS veröffentlicht. Sie finden ihn hier noch einmal, denn leider kommt alles so, wie im Februar befürchtet.

„Mietspiegelrecht“ 4 + x-Regelung – fällt die CDU auch hier um?


24 Besprechungen, Interviews und Artikel zu Rainer Zitelmanns aktuellem Buch "Reich werden und bleiben": http://www.reichwerdenundbleiben.net/

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.