SPD-Politiker holt „Festung Europa“ aus der Schmuddelecke

Erschienen am 27. April 2016

Bisher wurde der Begriff „Festung Europa“ fast ausschließlich in Verbindung mit den Worten „…darf es nicht geben“ oder „…wollen wir nicht“ verwendet. Nun fordert der SPD-Politiker und Theologe Richard Schröder genau dies.

Zu dem Begriff „Festung Europa“ lesen wir bei der Bundeszentrale für politische Bildung und in Wikipedia, dies sei ein „häufig von Journalisten in kritischer Absicht gebrauchter Ausdruck, dem die Behauptung zugrunde liegt, die EU betreibe gegenüber Drittstaaten eine Politik der Abschottung insbesondere beim Asyl- und Einwanderungsrecht oder bei der Gemeinsamen Agrarpolitik“.

Das heißt: Bisher wurde der Begriff ganz überwiegend negativ gebraucht: „Festung“ erschien als etwas Mittelalterliches oder gar Unmenschliches. Etwas jedenfalls, gegen das „man“ ganz unbedingt und vehement sein müsse – so wie gegen Kernkraftwerke, „Gen-Mais“, „Neoliberalismus“, Donald Trump, Viktor Orban, TTIP, Erderwärmung, die Rente mit 70 oder gegen jemand, der sich der Mülltrennung verweigert.

Und nun das: Auf die Frage des WELT-Journalisten Daniel Friedrich Sturm, warum er sich darüber „mokiere“, wenn eine „Festung Europa“ kritisiert werde, antwortet Richard Schröder am 26. April:

„Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsverfassung definieren einen Staat. Einen Staat ohne Grenzen kann es nicht geben. In einem Europa ohne interne Grenzen müssen wir an den Außengrenzen entscheiden, wer reinkommt und wer nicht – wir brauchen also eine ‚Festung‘ mit großen Toren und mit Einlasskontrolle. Wenn wir diese Kontrolle verlieren, kann eine staatliche Ordnung nicht funktionieren. Und schon gar nicht ein Sozialstaat. Unbegrenzte Zuwanderung bedeutet unbegrenzte Ausgaben ohne entsprechende Einnahmen.“

Derjenige, der das sagt, ist nicht irgendwer. Schröder war 1990 der erste Fraktionsvorsitzende der SPD in der neu gewählten Volkskammer der DDR und gehörte bis Ende 1990 dem Bundestag an. Der Philosoph und Theologe lehrte danach Theologie an der Humboldt-Uni in Berlin, wo er auch Dekan der Theologischen Fakultät war. Demokratische Grundsatztreue bewies er, als er 2001 aus der Grundwertekommission der SPD austrat, weil seine Partei begann, mit der PDS (die davor SED hieß und heute „Die Linke“ heißt) zu kooperieren.

Schröder hat den Begriff „Festung Europa“ damit aus der Schmuddelecke der durch „Political Correctness“ indizierten Begriffe geholt. Schon vor ihm hatte die damalige österreichische Innenministerien Johanna Mikl-Leitner in einem FAZ-Interview gesagt, „dass wir so rasch wie möglich an einer Festung Europa bauen müssen“.

Eigentlich ist es ja auch logisch: Wenn es in Europa keine Grenzkontrollen gibt, dann ist es entscheidend, dass die europäische Außengrenze deutlich besser gesichert wird als bislang. Den Begriff „Festung Europa“ verwenden mit negativem Beiklang gerne Politiker der Grünen, so wie Claudia Roth, die am 7. März 2016 in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk erklärte: „Eine Festung Europa ist definitiv ein gescheitertes Europa.“ Und das Vorstandsmitglied der Linken, Katina Schubert, forderte laut HANDELSBLATT: „Die Festung Europa muss ihre Tore öffnen.“ Für sie ist Europa nur dann lebenswert, wenn die Grenzen für jeden offenstehen, d.h. wenn es faktisch keine Außengrenze mehr gibt.

Dagegen hatte der bereits oben zitierte SPD-Politiker und Theologe Richard Schröder schon am 26. Oktober 2015 in einem Gastbeitrag für den TAGESSPIEGEL geschrieben: „Es ist ein Menschenrecht, dass jeder (straf- und schuldenfreie) Einwohner sein Heimatland verlassen darf. Es gibt aber kein Menschenrecht auf Einwanderung, schon gar nicht in das Land meiner Wahl. D.h. der Staat darf seinen Bürgern das Weggehen nicht prinzipiell verbieten. Aber kein Staat ist gezwungen, jeden, der kommen will, aufzunehmen.“


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.