Trump, Cruz, Clinton, Sanders: Wohin steuert Amerika?

Erschienen am 12. Februar 2016

In Deutschland nimmt man von den Wahlen in Amerika vor allem die teilweise erschreckenden Äußerungen von Donald Trump wahr. Trump ist jedoch meiner Meinung nach nur eine Gegenreaktion auf die „Political Correctness“, die seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, die freie politische Debatte in den USA (und nicht nur dort) behindert. Ein Grund für seinen Erfolg ist es, dass er sich überhaupt nicht um die Sprachregelungen der Political Correctness schert. Das empfinden viele Menschen als befreiend, denen die Tabus der von linken Intellektuellen erfundenen Political Correctness schon lange auf die Nerven gingen. Leider schert Trump sich aber auch nicht um humane und freiheitliche Werte. Oft zitiert wurden hierzulande seine absurde Forderung nach einem strikten Einreiseverbot für Moslems oder seine kaum verhüllte Rechtfertigung von Folter.

Angesichts der provokanten Äußerungen von Trump wird in Deutschland viel zu wenig beachtet, dass es bei den Wahlen auch um eine wirtschaftspolitische Richtungsentscheidung geht. Bernie Sanders von den Demokraten auf der einen und Trump und Ted Cruz auf der anderen Seite stehen für zwei völlig entgegengesetzte Wege, die Amerika künftig in der Wirtschafts- und Steuerpolitik gehen würde.

Bei den ersten beiden Vorwahlen war Bernie Sanders die große Überraschung. Bei der ersten Vorwahl konnte Hillary Clinton ihn nur hauchdünn schlagen, bei der zweiten schlug er sie vernichtend. Sanders bezeichnet sich selbst als Sozialist. Seinen Wahlkampf führt er mit ähnlichen antikapitalistischen Parolen wie seinerzeit der Sozialist Hollande in Frankreich.

Auf der anderen Seite stehen Republikaner wie Donald Trump und Ted Cruz. Letzterer steht der Tea Party nahe.

Am Beispiel der Steuerpolitik wird deutlich, dass die Gegensätze zwischen Sanders auf der einen Seite und Trump und Cruz auf der anderen nicht größer sein könnten.

Sanders möchte vor allem „die Reichen“ viel stärker zur Kasse bitten. Derzeit beträgt der Höchststeuersatz in den USA auf Bundesebene 39,6 Prozent. Sanders möchte Einkommen zwischen 500.000 und zwei Mio. USD mit 43 Prozent besteuern und darüber liegende Einkommen mit 48 bzw. 52 Prozent.

Dagegen fordert Trump, den Höchststeuersatz auf 25 Prozent zu begrenzen – und der würde für Singles erst ab 150.000 USD fällig, für Verheiratete ab 300.000 USD. Cruz, der in der Wirtschaftspolitik libertäre Vorstellungen hat, fordert sogar die Einführung einer einheitlichen Steuer für alle Amerikaner, unabhängig von ihrem Einkommen. Die Unternehmenssteuern (derzeit 35 Prozent) will Sanders erhöhen, Trump und Cruz wollen sie auf 15 Prozent senken.

In Amerika tobt ein Kampf darum, welchen Weg das Land gehen soll. Doch dieser Konflikt ist nicht neu. Wir Europäer haben ein unrealistisches Bild von den USA, weil wir sie als das Land des ungezügelten Kapitalismus sehen. Das ist jedoch genauso unrealistisch wie wenn Amerikaner Deutschland vor allem mit Bier, Lederhose und Oktoberfest verbinden.

Der Abschied Amerikas von der „reinen Lehre“ des Kapitalismus hat sich leider schon in den vergangenen Jahrzehnten vollzogen. Berechnungen zeigen, dass sich die Sozialausgaben des amerikanischen Bundesstaates von 1940 bis 2007 um den Faktor 472 erhöht haben, inflationsbereinigt war es immerhin das 35fache. Berücksichtigt man das Bevölkerungswachstum, dann bleibt immer noch ein Faktor von 15,3.

Bereits 2013 warnte der Autor Samuel Gregg in seinem sehr lesenswerten Buch „Becoming Europe“ vor einer Entwicklung in den USA, die zu einer ökonomischen Europäisierung führt – mit allen damit verbundenen Konsequenzen. Dies sei vor allem eine Frage der politischen und ökonomischen Kultur, insbesondere der Einstellungen der Menschen zur Marktwirtschaft. Amerika stehe vor einem Scheideweg: „Do Americans want to embrace modern Europe economic culture? Do they want to live in a set of economic expectations and arrangements that routinely prioritizes economic security over economic liberty; in which the state annually consumes close to 50 percent of gross domestic product; where the ultimate economic resource (i.e. human beings) as aging and declining in numbers; where the extensive regulation is the norm; and perhaps above all, where economic incentives lie not in hard work, economic creativity, and a willingness to take risks, but rather in access to political power? Or do Americans want to embrace the opposite? Do they want to live in an economy in which economic entrepreneurship is rewarded; where the government’s economic responsibilities are confined to a number of important but limited functions; and where the stress is upon economic liberty, rather than remorseless efforts to equalize economic outcomes though state action?“

Schon Obama war und ist davon überzeugt, dass er Amerikas Weg korrigieren müsse – in Richtung des europäischen Wohlfahrtsstaates. Edward Klein schreibt in seinem Buch „The Amateur“ über Obama, dieser glaube, „that he was chosen as president to save a wayward America from its dependency on free-market capitalism. This has led him to push clumsy and unpopular far-left policies – universal healthcare, Wall Street bailouts, cap and trade, green jobs and renewable energy – at the expose of rational policies aimed at putting America back to work.“

Sanders will diesen Weg noch sehr viel radikaler weiter verfolgen, Cruz und andere Republikaner wollen hingegen, dass die – nicht erst unter Obama eingeleitete – Veränderung Amerikas in Richtung Wohlfahrtsstaat rückgängig gemacht wird. Jenseits der schrillen Parolen ist es das, worum es geht: Mehr Marktwirtschaft oder mehr Staat, mehr wirtschaftliche Freiheit oder mehr Regulierung, stärkere Besteuerung von Besserverdienenden und Vermögenden oder Steuersenkungen?


24 Besprechungen, Interviews und Artikel zu Rainer Zitelmanns aktuellem Buch "Reich werden und bleiben": http://www.reichwerdenundbleiben.net/

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.