„…und was bringt 2012?“

Erschienen am 16. Januar 2012

Keine Frage habe ich in den vergangenen Wochen so oft gestellt bekommen wie die: „…was bringt 2012?“ Um ehrlich zu sein: Sie, liebe Leser, wissen nicht, was 2012 kommt, ich weiß es nicht, die „Experten“ wissen es auch nicht, denn geldpolitische Experimente in dieser Radikalität und in diesem Ausmaß hat es in der Menschheitsgeschichte noch nie gegeben. Es gibt keine Vorbilder, es gibt keine Beispiele, es gibt keine Analogien.
Doch genau deshalb haben immer mehr Menschen das zugleich dumpfe, aber doch sehr bestimmte Gefühl, dass die ganze Sache nicht gut gehen wird und ein ganz, ganz dickes Ende kommt.

– Wann es kommt, weiß niemand.
– Wie es aussehen wird, weiß auch niemand.
– Und natürlich hoffen wir alle, dass es doch noch einmal gut gehen wird – auch wenn uns unser Verstand sagt, dass das unwahrscheinlich ist.

Offenbar will aber kaum jemand darauf wetten, dass es gut geht. Lieber wetten die Menschen derzeit darauf, dass es nicht gut gehen wird. Dafür gibt es sehr viele Indizien – hier nur sieben, die mir in den vergangenen Wochen aufgefallen sind.

1. New York / Südflorida: Ich war zwischen den Jahren in New York und Florida und habe mit einer Reihe von Wohnungsmaklern und Wohnungs-Projektentwicklern gesprochen. Alle sagen mir: Es gibt einen massiven Ansturm privater ausländischer Käufer. Es kaufen Russen, Koreaner, Chinesen, Franzosen, Kanadier. Ich habe durchgerechnet: Die Netto-Mietrendite nach allen Kosten und Steuern für einzelne vermietete Eigentumswohnungen in Manhattan liegt selten über 2%. Warum kaufen die Menschen Wohnungen mit solch geringen Renditen? Weil es nicht mehr um Rendite geht, sondern um reine Werterhaltung. Ich habe mit zwei Immobilienprofis gesprochen, die in Florida NPLs aufkaufen, die Projekte zu Ende führen und dann die Wohnungen verkaufen. Die Käufer seien allesamt Ausländer, die ihr Geld in Sicherheit bringen wollten. Offenbar traut man den Amerikanern eher als anderen zu, irgendwie aus der Krise herauszukommen. Die amerikanischen Arbeitslosenzahlen der vergangenen Woche dürften diese Hoffnungen verstärkt haben, was sich auch im Dollarkurs ausdrückte.

2. Berlin: Vertriebe und Notare berichten mir von einem noch nie zuvor so gesehenen Ansturm ausländischer Wohnungskäufer – aus Frankreich, Italien, Israel, Russland, Griechenland. Alle wollen Wohnungen in Berlin kaufen. Im Vergleich zu den Preisen in ihren Heimatländern kommen ihnen die in Berlin unglaublich niedrig vor. Zum Vergleich: Eine 80 qm-Wohnung, für die man in Berlin 112.000 Euro bezahlen muss, kostet in Stockholm 500.000 Euro und in Paris 423.000 Euro. Manche Ausländer kaufen ganze Häuser in der deutschen Hauptstadt, teilen diese auf und verkaufen die Wohnungen gleich wieder, und zwar an ihre Landsleute. Für Immobilienvertriebe und Makler in der Hauptstadt ist das eine riesige Chance. (Hierzu findet am 27.2. eine interessante Veranstaltung statt, die sich an Wohnungsbestandshalter, Vertriebe von Eigentumswohnungen und Makler richtet. Fordern Sie das Programm unter info@immobilienrunde.de an und melden Sie sich rechtzeitig an!)

3. Das im Ernst & Young Real Estate-Barometer (siehe unten) dokumentierte geringe Interesse an Büroimmobilien (14%) und das enorme Interesse an Wohnimmobilien (69%) ist ebenfalls Ausdruck der Skepsis über die weitere ökonomische Entwicklung. Denn der Büromarkt hängt natürlich sehr stark von der konjunkturellen Entwicklung ab, während sich der Wohnungsmarkt weitgehend unabhängig davon entwickelt.

4. Am vergangenen Montag wurde erstmals ein sechsmonatiger deutscher Schatzwechsel mit einer negativen Rendite von 0,01 Prozent verkauft. Zuvor waren schon bei Versteigerungen kurzlaufender Wertpapiere aus den Niederlanden und Dänemark Renditen von 0 Prozent zu beobachten. Auch institutionelle Investoren gehen lieber auf Nummer sicher. Wie auch bei privaten Investoren ist hier der Trend zu beobachten: Sicherheit und Werterhaltung sind wichtiger als Rendite.

5. Die von den Banken bei der EZB unterhaltenen Guthaben haben vergangene Woche die historische Höchstmarke von 473 Milliarden Euro erreicht. Auch das ist ein Indiz für eine tiefe Verunsicherung.

6. Auch der Goldpreis, obwohl er zwischenzeitlich gefallen war, ist – zumindest in Euro – gar nicht so weit von seinem Höchstwert entfernt und liegt inzwischen wieder bei fast 1300 Euro/Unze. Trotz Angst vor einem Rückschlag vertrauen gerade viele Privatanleger dem Gold eher als Papiergeld.

7. Das Jahr 2011 wird, so vermute ich, das schlechteste Jahr in der Platzierung geschlossener Fonds werden, seit es eine Statistik darüber gibt. Neben Imageproblemen der Assetklasse hat dies seine Ursache darin, dass die Menschen so stark verunsichert sind, dass sie ihr Geld nicht mehr langfristig zusammen mit anderen anlegen wollen, weil sie der weiteren Entwicklung misstrauen.

Werden all die Menschen, die ein schlimmes Ende befürchten, Recht behalten, oder die Optimisten?

Eines steht auf jeden Fall ganz sicher fest: Der Staat wird bald die „Vermögenden“ zur Kasse bitten. Überall, aber ganz besonders in Deutschland. Gleichgültig, ob wir nächstes Jahr eine große Koalition bekommen oder eine rot-grüne oder sogar eine rot-rot-grüne Regierung – die Frage ist nur, wie stark die Vermögenden und „Besserverdiener“ geschröpft werden.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.

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