US-Präsidentschaftswahlen: Wer ist dieser Michael Bloomberg?

Erschienen am 20. Februar 2020

Gestern große TV-Debatte bei den Demokraten: Der Sozialist Bernie Sanders greift Michael Bloomberg scharf an: „Mike Bloomberg has more wealth than the bottom 125 million Americans. That’s wrong and immoral.“ Auch die linke Kandidatin Elizabeth Warren schießt gegen Bloomberg: Er sei ein… Ja, raten Sie mal, natürlich: Sexist und Rassist. Warum? Weil er sich negativ über Feministinnen geäußert habe. Alle gingen gestern auf Bloomberg los – und bald werden wir auch scharfe Attacken von Trump gegen ihn erleben.

„Wer ist der zweite Milliardär?“

Bloomberg hat schon einmal vorgelegt. Auf die Frage des Fernsehsenders CBS News, ob es nicht merkwürdig sei, wenn sich hier zwei Milliardäre bekämpften, antwortete er cool: „Zwei Milliardäre? Wer ist denn der andere?“. Damit spielt er auf die Tatsache an, dass Trump sein Vermögen stets weit übertrieben hat:

Während andere Multimillionäre und Milliardäre oft froh sind, der Aufmerksamkeit von Zeitschriften wie „Forbes“ zu entgehen, die jährlich Listen mit dem Vermögen der reichsten Menschen erstellen, verlangte Trump von diesen Medien, dass sie sein Vermögen noch höher beziffern sollten. Trump lag deshalb im Dauerstreit mit „Forbes“: „Als Faustregel teilten wir das, was Trump angegeben hat, durch drei“, so Harold Senker von „Forbes“. 1999 sagte Trump, die „Forbes“-Schätzung von 1,6 Mrd. Dollar sei fast drei Mrd. Dollar zu niedrig. „Wir lieben Donald“, erklärten die „Forbes“-Herausgeber. „Er ruft zurück. Er bezahlt normalerweise das Mittagessen. Er schätzt sein Privatvermögen sogar selbst ein (4,5 Mrd. Dollar). Aber sosehr wir uns auch bemühen, wir können das einfach nicht beweisen.“

Trump kam stets zu wesentlich höheren Bewertungen als Außenstehende, weil er den finanziellen Wert seines Namens extrem hoch einschätzte. Einmal erklärte er die Differenz zwischen zwei Angaben zu seinem Vermögen, wovon die eine bei sechs und die andere bei 3,5 Milliarden Dollar lag, mit dem Wert des Markennamens Trump. Demnach war dieser Name seiner Meinung nach zu diesem Zeitpunkt 2,5 Milliarden Dollar wert. Obwohl der Name Trump in den Interbrand-Ranglisten mit wertvollen Namen nicht auftauchte, gab er 2010 in einem Schriftsatz an, eine unabhängige Einschätzung habe dessen Wert auf drei Milliarden Dollar angesetzt. Damit wäre sein Name der wertvollste Einzelposten in seinem Portfolio gewesen, denn keine seiner Immobilien oder anderen Investments war so viel wert.

Bloombergs Karriere begann mit einem Rauswurf[1]

Bloomberg gehört mit einem geschätzten Vermögen von 62 Milliarden Dollar zu den reichsten Männern der Welt – und zudem war er von 2001 bis 2013 Bürgermeister von New York City. Aber alles begann für ihn mit einem Rauswurf. Als das Wertpapierhandelshaus Salomon Brothers 1981 aufgekauft wurde, sagte man ihm, nun sei kein Platz mehr für ihn in dem Unternehmen. „Eines Sommermorgens“, erinnert er sich in seiner Autobiographie, „eröffneten mir John Gutfreund, geschäftsführender Teilhaber der erfolgreichsten Firma an der Wall Street, und Henry Kaufman, der damals einflussreichste Wirtschaftswissenschaftler der Welt, dass meine Zeit bei Salomon Brothers abgelaufen war.“ Gutfreund erklärte ihm: „Es ist Zeit für dich zu gehen.“ Für Bloomberg war das ein regelrechter Schock. Er erinnert sich: „Am Samstag, dem 1. August 1981 verlor ich meinen ersten richtigen Ganztagsjob und damit die ständige Hochspannung, die ich so genossen hatte. Und das nach 15 Jahren, in denen ich sechs Tage die Woche, zwölf Stunden am Tag gearbeitet hatte. Gefeuert!“ Wer weiß, wie Bloombergs weiteres Leben verlaufen wäre, hätte man ihn damals nicht entlassen

„Ich redete lange wirres Zeug mit mir selbst…“

Michael Bloomberg war 15 Jahre bei Salomon Brothers, bevor ihm gekündigt wurde und er sein eigenes Unternehmen aufbaute. In seiner Autobiographie schreibt er: „Gott sei Dank sagte ich jedes Mal nein, wenn mich eine andere Firma abwerben wollte. Ich fand immer wieder etwas, das mich bleiben ließ – eine neue Perspektive, die mir meine Laufbahn bei Salomon bot, und damit einen Grund, der Firma weiterhin treu zu bleiben.“

Dabei wurde Bloombergs Geduld oft über die Grenzen hinaus strapaziert. Nach sechs Jahren bei Salomon lief bei ihm alles bestens. Er war das Wunderkind im Wertpapierhandel, und wurde in den Medien als der Wall-Street-Powerbroker gefeiert. Er verdiente hervorragend, aber was ihm noch fehlte, war die Ernennung zum Partner in dem Unternehmen. Das Prestige einer Teilhaberschaft war ihm „wichtiger als sonst irgend etwas in der Welt“, wie er schreibt. „Ich hatte die Teilhaberschaft verdient, und jetzt wollte ich ein für allemal die öffentliche Anerkennung für meine Leistung, Bester unter den Besten zu sein.“

Schließlich kam der Tag im August 1972, als die Liste der neuen Teilhaber veröffentlicht wurde. Bloomberg, der ganz fest damit gerechnet und sich nichts mehr als dies gewünscht hatte, stand nicht auf der Liste! Es standen stattdessen Mitarbeiter auf der Liste, die es aus seiner Sicht überhaupt nicht verdient hatten. „Mich hatte man übergangen, und, da so viele andere aufgenommen worden waren, auch erniedrigt.“ Bloomberg war am Boden zerstört. Er hatte Tränen in den Augen. Und er dachte sich wilde Rachefeldzüge aus. „Ich redete lange wirres Zeug mit mir selbst, sagte mit erstickter Stimme Sachen wie: ‚Dann gehe ich eben’, ‚Die bringe ich um’ oder ‚Ich erschieße mich’.“

Wahrscheinlich hätten die meisten Menschen so oder ähnlich reagiert und die Schuld bei den anderen gesucht, die die eigenen Leistungen nicht erkannten oder sich gegen einen verschworen hatten. Aber Bloomberg besann sich rasch eines Besseren. „Denen werde ich’s zeigen!“ war jetzt seine Devise. Er arbeitete noch härter als sonst, konzentrierte sich noch stärker, gab alles, was er geben konnte. Und immer wieder sagte er sich: „Denen werde ich’s zeigen!“ Drei Monate später wurde er zum Partner ernannt.

„Am ersten Tag feierten wir in der Besenkammer“

Als er einige Jahre später seine eigene Firma gründete, wurde seine Ausdauer ebenfalls auf eine harte Probe gestellt. Er hatte bei seinem Ausscheiden zehn Millionen Dollar bekommen – damit war seine Ausdauer fürstlich belohnt worden. Zusammen mit einigen Kollegen machte er sich selbständig. Er mietete zunächst einen kleinen Büroraum in der Madison Avenue in Manhattan an. Der Raum war ungefähr zehn Quadratmeter groß. „Am ersten Tag feierten wir in der Besenkammer, die unser Büro war, den Neubeginn mit einer Flasche Sekt.“

Bloomberg, der immer schon sehr fleißig war, arbeitete in dieser Phase an sechs Tagen die Woche 14 Stunden. Und dann machte er die gleiche Erfahrung wie der Starbucks-Gründer Howard Schultz: „Ich hatte nicht annähernd genug Geld für die Finanzierung der Neuentwicklungen vorgesehen.“ Die Kosten waren viel höher, als er zunächst erwartet hatte.

Hinzu kam, dass keineswegs klar war, ob die Kunden von dem, was er versuchte – nämlich einen ganz neuartigen Computer-Terminal für Finanzinformationen zu erfinden – angetan sein würden. Er fing an, sich insgeheim Gedanken zu machen, ob es klug war, das Vermögen und seinen guten Ruf aufs Spiel zu setzen. Schließlich waren schon vier von den zehn Millionen Dollar, die er beim Ausscheiden von Salomon erhalten hatte, weg. Und das Unternehmen machte immer noch Verluste. „Glücklicherweise gab es aber, selbst wenn ich gewollt hätte, keine Möglichkeit zum ehrenvollen Rückzug, also legten wir uns (meinem Selbstwertgefühl sei Dank!) weiter ins Zeug.“

„Wir handeln vom ersten Tag an; andere planen – monatelang.“

Wer verbissen einem vorgefertigten Plan folgt, wird auch mit aller Ausdauer nichts bewirken. Michael Bloomberg ist ein erklärter Gegner einer zu rigiden Planung: „Sie werden unweigerlich auf andere Schwierigkeiten stoßen, als Sie eigentlich eingeplant hatten. Und dann heißt es ‚Zick’, obwohl das Reißbrett gerade ‚Zack’ vorsieht. Lassen Sie sich nicht von einer detaillierten, rigiden Planung behindern, wenn Sie sofort reagieren müssen.“

Wer zupackend handelt und aus seinen Fehlern rasch lernt, ist meistens demjenigen überlegen, der immer perfektere Pläne erarbeitet, aber zögert zu beginnen. „Natürlich machten wir Fehler“, erinnert sich Bloomberg. „In den meisten Fällen hatten wir etwas übersehen, als wir anfingen, die Software zu schreiben. Wir behoben die Fehler, indem wir wieder von vorn anfingen, immer und immer wieder. Das machen wir heute noch so.“ Während sich seine Wettbewerber noch den Kopf über den endgültigen Entwurf zerbrachen, arbeitete er schon an der fünften Version des Prototyps. „Letzten Endes heißt die Frage wieder: planen oder handeln? Wir handeln vom ersten Tag an; andere planen – monatelang.“

Wer ein neues Unternehmen gründet, sollte sich nicht sklavisch an einen vorgefertigten Plan halten, sondern offen sein, stets Neues dazuzulernen und zu experimentieren. Bloomberg betonte immer wieder, dass Prognosen, die man über neue Geschäftsvorhaben trifft und die von Banken und anderen Finanzierern so nachdrücklich gefordert werden, meist wertlos und bedeutungslos sind. „Hypothesen enthalten so viele Variablen, und das Wissen, das man über sein neues Geschäft besitzt, ist so begrenzt, dass alle detaillierten Analysen meistens irrelevant sind.“

[1] Auszug aus meinem Buch: „Setze dir größere Ziele“

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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.