VW und Warren Buffetts „Titelseiten-Test“

Erschienen am 4. November 2015

Die Verantwortlichen bei VW sind bei Warren Buffetts „Titelseiten-Test“ durchgefallen. Warren Buffett, der erfolgreichste Investor aller Zeiten, war stets der Meinung, die wichtigste Eigenschaft, bei der man keinerlei Kompromisse dulden könne, sei Ehrlichkeit. „Wenn Sie jemanden einstellen wollen, achten Sie auf drei Eigenschaften: Ehrlichkeit, Intelligenz und Tatkraft. Die wichtigste der drei ist die Ehrlichkeit. Wenn die nämlich fehlt, bringen die beiden anderen, Intelligenz und Tatkraft, Sie um“, so Buffett. Was auch immer in einem Unternehmen getan werde, so sagte er einmal, müsse den „Titelseiten-Test“ bestehen. Was er damit meinte? „Ich möchte, dass die Mitarbeiter sich fragen, ob es ihnen recht wäre, würden ihre Handlungen am nächsten Tag auf der Titelseite ihrer Lokalzeitung diskutiert, sodass ihre Ehepartner, ihre Kinder und ihre Freunde lesen können, was ein sachkundiger, kritischer Journalist über das fragliche Vorgehen denkt.“

Bei diesem Test ist VW ganz offensichtlich durchgefallen. Und in diesem Fall ging es nicht um die Titelseiten der Lokalzeitung, sondern um die der internationalen Presse. Die Auswirkungen für das Unternehmen, seine Aktionäre und Mitarbeiter sind dramatisch.

Ich finde stets, die beste Maxime im Geschäftsleben ist die Prämisse: „Alles kommt irgendwann raus“. Die Annahme des Gegenteils ist, erst Recht bei einem so gigantischen Unternehmen mit so vielen Mitwissern, ziemlich weltfremd und naiv.

Es geht für Buffett nicht nur darum, ob eine Handlung legal ist (was bei VW offensichtlich nicht der Fall war), sondern auch, ob sie ganz generell ethischen Maßstäben gerecht wird. Unehrlichkeit im Geschäftsleben ist vor allem auch ein untrügliches Zeichen von mangelndem Selbstvertrauen, denn derjenige, der unehrlich ist, traut es sich ganz offenbar nicht zu, auf ehrliche Weise zum Ziel zu kommen. Denn warum sonst sollte er dieses Risiko eingehen? „In der Mitte des Spielfelds ist jede Menge Geld zu verdienen. Es gibt keinen Grund, an seinem Rand zu spielen“, so Buffett.

Bei VW kommt hinzu, dass das Management in die Öko-Falle getappt ist: Marketing-Leute reden den Unternehmen seit Jahren erfolgreich ein, das Wichtigste sei heute für den Verbraucher die „Nachhaltigkeit“. Ich persönlich glaube das nicht. Etwas weniger Anbiedern an den vermeintlich grünen Zeitgeist und die Beachtung des Titelseiten-Tests von Buffett hätten dem Unternehmen, seinen Aktionären und seinen Mitarbeitern eine Menge Probleme erspart.

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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.