VW: Wusste Piëch mehr? Hatte er Recht?

Erschienen am 22. September 2015

Völlig überraschend und schroff ging der damalige VW-Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch im April öffentlich auf Distanz zu VW-Vorstand Winterkorn. „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“, so ließ er sich öffentlich zitieren. Eine Begründung dafür führte er nicht an.

In den Medien wucherten die Spekulationen über die Motive von Piëch. War es das schleppende US-Geschäft? Waren es andere Gründe? Es herrschte Verwunderung, weil es nicht üblich ist, dass ein Aufsichtsratsvorsitzender auf diese Art und Weise einen Vorstand öffentlich angreift.

Derzeit wird in den Medien diskutiert: „Was wusste Winterkorn von der Manipulation der Abgasmessungen in den USA?“ Der renommierte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer weist darauf hin, dass Winterkorn als direkter Verantwortlicher für Forschung und Entwicklung entweder von den Manipulationen gewusst haben musste. Oder Winterkorn sei wirklich ahnungslos gewesen und habe seinen Geschäftsbereich nicht im Griff. Dudenhöffer fordert deshalb Winterkorns Rücktritt – so wie dies vor einem halben Jahr schon Piëch getan hatte.

Als Piëch im April öffentlich Front machte gegen Winterkorn, wurde bereits in den USA ermittelt. Hatte Piëch davon erfahren? Oder wusste der – im VW-Konzern bestens vernetzte – Piëch aus anderer Quelle von den Manipulationen bei den Abgasmessungen?

Vielleicht werden wir das nie erfahren, denn selbst wenn Piëch davon gewusst haben sollte, würde er das wohl als ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender kaum zugeben. Aber es würde seine extreme Verärgerung über Winterkorn und den öffentlichen Affront gegen den Vorstandsvorsitzenden plausibler erklären als die bislang vorgetragenen Spekulationen über seine Motive. Nur weil das US-Geschäft nicht so gut läuft, wendet man sich als Aufsichtsratsvorsitzender nicht abrupt, öffentlich, massiv und ohne Begründung gegen einen Vorstandsvorsitzenden.

Falls Piëch damals schon von der Sache Wind bekommen hatte oder etwas ahnte, dann wäre seine Reaktion jedoch absolut plausibel. Denn der Schaden für den VW-Konzern ist immens. Damit meine ich sowohl den direkten wirtschaftlichen Schaden wie auch den Imageschaden.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.