Wann endlich steht die Immobilie im Mittelpunkt?

Erschienen am 1. September 2014

Seit mindestens zwei Jahrzehnten werden die besten und intelligentesten Menschen in der Immobilienbranche gezwungen, sich beruflich überwiegend mit Themen zu befassen, die nichts mit Immobilien zu tun haben.

Ich kann das im Rückblick auf nunmehr 286 Veranstaltungen, die die BERLINER IMMOBILIENRUNDE seit 1998 durchgeführt hat, ganz gut beurteilen. Lassen Sie mich diese Erfahrungen resümieren und einige allgemeine Folgerungen daraus ableiten.

Die erste Veranstaltung, die im März 1998 stattfand, hatte den Titel: „Wie geht es weiter mit der Sonder-AfA? Konservierungsmodelle, Anzahlungsmodelle und andere Ideen zur Rettung des Jahrhundertgeschenks.“ Referentin war eine Steuerexpertin der KPMG. Steuerliche Themen sollten auch in den kommenden Jahren nicht nur unsere Veranstaltungen bestimmen, sondern auch die Debatten in der Immobilienwirtschaft. Als Veranstalter kann ich mich nicht beklagen, denn es gab jede Menge zu besprechen: „Die neue Mindeststeuer“ war die erste große Ganztagsveranstaltung im März 1999 – es ging um § 2b EStG und § 2 Abs. 3 EStG. Es folgten Dutzende weitere Veranstaltungen allein zu diesen beiden Paragrafen des Einkommensteuergesetzes sowie zum 5. Bauherrenerlass, zur Zinsschranke und weiteren Steuerthemen.

Zwar sieht es der Veranstalter Zitelmann auch mit einem weinenden Auge, dass Steuerthemen nicht mehr auf der Agenda stehen. Aber für die Immobilienwirtschaft ist es ein Segen, dass sie sich nicht mehr mit abstrusen und in sich völlig unklaren Steuergesetzen auseinandersetzen muss, die nicht einmal der normale Steuerberater verstehen konnte. Übrigens hat sich später herausgestellt, dass fast alle diese Steueränderungen verfassungswidrig waren. Nur: Was nützt das in dieser Situation den Betroffenen? Und: Wie viel Kraft und Energie von hochintelligenten Immobilienprofis wurde hier fehlgeleitet, weil sie sich überwiegend mit Steuerthemen befassen mussten?

Die zweite Veranstaltung, die die BERLINER IMMOBILIENRUNDE durchführte, hatte im Mai 1998 das Thema „Praxisfragen zum Milieuschutz“ (§ 172 Baugesetzbuch). Referent war ein Ministerialrat aus dem zuständigen Bundesministerium. Auch der Milieuschutz war und ist ein Dauerthema. Diese Regulierung im Baugesetzbuch ist dabei so überflüssig wie ein Kropf. Linke und grüne Bezirkspolitiker und deren Beamtenapparat entscheiden, was gut und was schlecht ist für einen Mieter: Soll ihm eine Innentoilette zugestanden werden oder muss eine Außentoilette reichen? Dies ist inzwischen zum Glück entschieden – zugunsten der Innentoilette, die auch nach Meinung der Beamten kein Luxus mehr ist. Nicht entschieden ist: Darf das Waschbecken auch zwei Wasserhähne haben – oder ist das bereits Luxus, der verboten werden sollte? Und wieder frage ich: Wie viel Kraft und Energie von hochintelligenten Personen wird hier fehlgeleitet, weil sie sich mit solch völlig überflüssigen Regulierungen befassen müssen?

In den vergangenen Jahren haben wir zahlreiche Veranstaltungen zur AIFM bzw. zum KAGB durchgeführt. Die Regulierungsorgie ist auf ihrem Höhepunkt. Hunderte, wenn nicht tausende Seiten geduldiges Papier müssen Initiatoren produzieren, um der Brüsseler und Berliner Regulierungswut Genüge zu tun. Die Verbesserungen für die Anleger halten sich dabei in Grenzen und wären auch mit einem Zehntel des jetzigen Aufwandes erreichbar gewesen. Und wieder frage ich: Wie viel Kraft und Energie von hochintelligenten Personen wird hier fehlgeleitet, weil sie sich mit solch völlig überflüssigen Regulierungen befassen müssen?

Wenn ich mir unsere aktuellen Veranstaltungen anschaue, dann bin ich jedoch etwas optimistischer. Endlich, endlich steht die Immobilie im Mittelpunkt: Am 8. Dezember führen wir eine Veranstaltung durch, bei der Projektentwickler über ihre Erfahrungen mit der Umwandlung von Gewerbe- in Wohnimmobilien berichten. Das klingt schon besser – ein echtes Immobilienthema. Spricht man jedoch mit den Projektentwicklern, dann erfährt man, dass die Sache indirekt wieder etwas mit Überregulierung zu tun hat. Einer sagte mir: „Wirtschaftlich wäre es sinnvoller, das Bürogebäude abzureißen und dann Wohnungen neu zu bauen. Aber das dauert von den Genehmigungsvorgängen her so lange, dass wir lieber die teurere, aber dafür schnellere Lösung gewählt haben.“ Auch eine absurde Begleiterscheinung in einem überregulierten Staat!

Am 18. November setzen wir unsere erfolgreiche Veranstaltung zur Projektentwickler-Finanzierung fort. Mezzanine-Anbieter stellen sich vor. Bei der letzten Veranstaltung waren 80 Projektentwickler im Raum, wegen der großen Nachfrage setze ich sie fort. Ist wenigstens das einmal ein Thema, das nichts mit der Regulierungswut zu tun hat? Indirekt hat es schon damit zu tun: Denn ohne die Überregulierung der Banken in der Folge der Finanzkrise wäre die Kreditvergabe einfacher und es gäbe gar nicht die große Nachfrage nach alternativen Finanzierungsmodellen.

Zahlreiche Veranstaltungen führen wir in letzter Zeit mit Projektentwicklern durch, die in Hamburg, Berlin, München und demnächst in Frankfurt ihre Wohnungsprojekte vorstellen. Die nächste Veranstaltung findet im November statt, und wieder werden führende Berliner Wohnungs-Projektentwickler ihre aktuellen Projekte vorstellen. Endlich einmal richtige Immobilienthemen: Hier geht es um Grundrisse, Baubeschreibungen, die richtigen Lagen und Preise von Wohnungen, um aktuelle Projekte. Nur: Auch hier gibt es wieder einen bitteren Beigeschmack. Bei der letzten Veranstaltung berichtete ein Bauträger, dass sich die Bezirksversammlung nun schon neun Mal (!) mit seinem Projekt befasst habe. Ein anderer berichtete, dass er mit den Beamten der für ihn zuständigen Behörde das zehnjährige (!!) Jubiläum feiert, seit sich diese erstmals mit dem – immer noch nicht fertigen – Projekt befasst hat. Dabei braucht Berlin dringend Wohnungen. Den Problemlösern, also den Projektentwicklern, wird aber von Politik und Behörden das Leben schwer gemacht, statt ihnen den roten Teppich auszurollen. Das wurde bei fast jedem Vortrag überdeutlich. So wird Wohnungsknappheit nicht beseitigt!

Bei etwa 250 von 286 Veranstaltungen habe ich als Moderator vorn gesessen und aufmerksam zugehört, manchmal auch Fragen gestellt. Dümmer geworden bin ich dabei nicht. Neben dem Fachwissen, das ich mir auf diesem Wege angeeignet habe, ging mir jedoch auch immer wieder folgender Gedanke durch den Kopf: Regulierung, wo man hinschaut. Das Ergebnis: Die intellektuellen und zeitlichen Ressourcen hochintelligenter Immobilienprofis und Unternehmer werden fehlgeleitet. Statt sich mit Immobilien zu befassen, müssen sie sich mit unsinnigen Regelungen im Baugesetzbuch, wirren und verfassungswidrigen Steuergesetzen und nicht zuletzt mit dem Brüsseler Regulierungswahn auseinandersetzen. Vom kleinen Beamten in Berlin-Pankow, der sich in seine Milieuschutzsatzung verliebt hat, bis zum monströsen Beamtenapparat der Brüsseler Bürokratie, die europaweit mit der AIFM alles und jedes reguliert, lautet ihr Lebensmotto: „Wir wissen besser, was gut ist für die Menschen, als sie selbst es wissen. Wir misstrauen dem Markt und seinen profitgierigen Akteuren. Uns entkommt keiner!“ Das erinnert mich an die sozialistische Planwirtschaft, die letztlich zusammengebrochen ist.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.