Warum die Mietpreisbremse verharmlost wird

Erschienen am 29. September 2014

Der modifizierte Gesetzentwurf soll in den kommenden Tagen vorliegen, aber Grundzüge sind schon bekannt. Freuen dürfen sich Projektentwickler/Bauträger, weil der Neubau von der Regelung offenbar ganz ausgenommen wird – so sagt es jedenfalls eine Pressemitteilung der Union vom 23. September. Darin heißt es, dass „alle neu errichteten Wohnungen auf Dauer von dem Gesetz ausgenommen (bleiben) – nicht nur bei der ersten Vermietung, wie ursprünglich von Minister Maas geplant“.

Wo wird die Mietpreisbremse gelten? Die Länder werden ermächtigt, Rechtsverordnungen zu erlassen, die begründen, dass „angespannter Wohnungsmarkt“ drohe. Die Union verkauft diese Regelung im modifizierten Gesetzentwurf als großen Fortschritt im Sinne der Immobilieneigentümer. Ich sehe das anders. Diese Formulierungen sind bloße Kosmetik, denn kein Land wird Probleme haben, zu „begründen“, warum die Gefahr eines „angespannten Wohnungsmarktes“ bestehe. Es werden im Gesetzentwurf vier mögliche Gründe genannt, die dafür sprächen, dass die Gefahr für einen „angespannten Wohnungsmarkt“ bestehe. Es genügt schon, wenn in der Rechtsverordnung argumentiert wird, dass die Mieten im Anwendungsbereich deutlich stärker steigen als im Bundesdurchschnitt. Das ist in allen großen Metropolen der Fall, da in den Bundesdurchschnitt eben auch all die Gemeinden eingehen, in denen die Mieten stagnieren oder sogar fallen.

Das Gesetz begünstigt den Neubau und diskriminiert den Bestand. Die Investition in den Neubau für private und institutionelle Anleger wird relativ attraktiver, weil dort die Mietpreisbremse bei der Neuvermietung nicht gilt. Ich rechne damit, dass sich Investoren deshalb verstärkt für Neubau-Investments entscheiden werden, zumal hier auch nicht das Risiko gegeben ist, dass nach einigen Jahren mit energetischer Sanierung nachgerüstet werden muss.

Für Bestandshalter ist die Mietpreisbremse schlecht. Daran gibt es nichts zu rütteln. Warum sagen das viele Unternehmen nicht laut? Ganz einfach: Weil sie ihre Investoren nicht verschrecken wollen. Fast jeder Bestandshalter verkündet, er sei im Grunde genommen von der Mietpreisbremse nicht betroffen. Und trotzdem ist jeder Bestandshalter strikt dagegen. Wie löst sich dieser Widerspruch auf? Natürlich wissen die Unternehmen, dass die Mietpreisbremse Renditemöglichkeiten kappt – und zwar besonders dort, wo es eine deutliche Diskrepanz zwischen den Mieten im Bestand und den (bisher) bei einer Neuvermietung zu erzielenden Mieten gibt. Aber da man befürchtet, Investoren könnten verunsichert werden, redet man die Folgen der Mietpreisbremse öffentlich klein.

Man darf neugierig sein, welche der nachfolgenden Fragen im Gesetzentwurf wirklich geklärt sind: Was ist ein Neubau? Wie wird er definiert? Und was ist mit umfassenden Modernisierungen? Wann ist eine Modernisierung umfassend? Der Teufel steckt hier im Detail: Gibt es klare Kriterien für eine „umfassende“ Modernisierung? Oder wird das zum Streitthema zwischen Vermietern und Mietern vor den Gerichten?

Auch bei anderen Themen ist Streit programmiert: Was ist mit der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ gemeint? Ist der Mietpreisspiegel immer maßgebend? Oder kommt es auch hier zu Streit vor den Gerichten, wenn etwa Vermieter bezweifeln, dass der Mietpreisspiegel die Mieten realistisch widerspiegelt. Schon nach der Reduzierung der Kappungsgrenze im Bestand kam es zu Streit vor den Gerichten: In einem Mieterhöhungsverfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg wurde Professor Walter Krämer vom Institut für Wirtschafts- und Sozialstatistik der Technischen Universität Dortmund als Gutachter bestellt. Sein Gutachten zeigt, dass der Berliner Mietspiegel keineswegs nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist. Genau das fordert jedoch § 558 d Abs.1 BGB für einen qualifizierten Mietspiegel.

Es gibt weitere Fragen zum Mietpreisbremsengesetz: Was ist mit Gemeinden, in denen es einen Mietpreisspiegel gar nicht gibt? Und: Ist die zeitliche Begrenzung der Mietpreisbremse sichergestellt? Oder besteht die Gefahr, dass die jetzt beschlossene Befristung verlängert wird, bevor sie abläuft?

Diese Fragen werden wir mit führenden Experten bei einer Veranstaltung der BERLINER IMMOBILIENRUNDE am 3.November besprechen – denn bis dahin herrscht mehr Klarheit (bitte melden Sie sich wegen des sehr großen Teilnehmerinteresses jetzt an, das Programm können Sie über info@immobilienrunde.de anfordern). Dass die Mietpreisbremse schadet, steht ohne Zweifel fest. Wie schädlich sie für welche Bestandshalter ist, lässt sich erst abschließend klären, wenn es Antworten auf die oben gestellten Fragen gibt.

Dass die Mietpreisbremse nur fünf Jahre gelten soll, wie es jetzt im Gesetzentwurf heißt, glaube ich nicht. So wie es heute noch den Soli gibt, so wird es auch in 25 Jahren noch die Mietpreisbremse geben. Warum? Weil sie die Probleme am Wohnungsmarkt nicht löst. Welcher Politiker wird sich getrauen, in fünf Jahren zu sagen: „Wir brauchen keine Mietpreisbremse mehr“? Er würde als mieterfeindlich und „unsozial“ abgestempelt.

Schnell wird sich ein politischer Konsens herausbilden, dass die Mietpreisbremse ein „Gebot der sozialen Gerechtigkeit“ sei, ebenso wichtig und unverzichtbar wie alle anderen sozialen Wohltaten. Für die Politiker hat sie dabei sogar noch den Vorteil, dass sie den Haushalt nicht belastet. Wer dagegen ist, wird sich der „sozialen Kälte“ verdächtig machen und als Handlanger der Profitinteressen von Immobilienhaien entlarven.

Der Mieterbund, eine der mächtigsten Lobbygruppen in unserem Land, auf dessen Forderung die Einführung der Mietpreisbremse zurückgeht, wird schon dafür sorgen, dass sie nach dem Auslaufen wieder erneuert wird. Wie sie dann ausgestaltet wird, kann heute niemand sagen, weil das davon abhängt, welche Koalition uns dann regiert. Sollte es eine rot-rot-grüne Koalition sein, dann wird eine der ersten Maßnahmen sein, die Mietpreisbremse weiter zu verschärfen. Sollte es die FDP allerdings schaffen, ihre Wahlergebnisse von 3 auf 53 Prozent zu steigern, dann wird die Mietpreisbremse wieder abgeschafft… Wer daran glaubt, darf davon träumen, dass sie in fünf Jahren nicht mehr gilt.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.