Warum sich Obama und Merkel so gut verstehen

Erschienen am 25. April 2016

Das Lob von Obama für seine „Freundin“ Angela Merkel war deutlich stärker formuliert, als dies bei Staatsbesuchen ohnehin üblich ist. Besonders begeistert war Obama von ihrer Flüchtlingspolitik. Was verbindet die beiden?

Obama sagt über sein Verhältnis zu Merkel, dies sei „die wichtigste Freundschaft, die ich in meiner Amtszeit hatte“. Und er meinte: „Ich werde sie als Privatmensch weiter bewundern. In Europa steht sie auf der richtigen Seite der Geschichte.“ Nun, in Europa selbst sieht das sonst kein Regierungschef so, mit Ausnahme des linksradikalen griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, der Merkel ebenso vehement lobt wie Obama. Die Begeisterung von Obama für Merkel ist kein Zufall, denn das Modell des deutschen Wohlfahrtsstaates ist Obamas Utopia. Merkel und Obama verfolgen in Deutschland und in den Vereinigten Staaten als gleiche Projekt – die Sozialdemokratisierung. Obama hat da natürlich noch deutlich mehr zu tun als Merkel.

Zu Merkel muss ich hier nicht viel schreiben, die Fakten liegen auf dem Tisch. Statt die Schröderschen Reformen (Agenda 2010), von denen die Wirtschaft bis heute profitiert, fortzuführen, hat sie Stück für Stück eine etatistische, egalitäre sozialdemokratische Politik durchgesetzt: Mindestlohn, Mietpreisbremse, Frauenquote, Rente mit 63 usw. In der Umwelt- und der Gesellschaftspolitik hat sie weitgehend die Positionen der Grünen übernommen (Abschaltung der Kernkraftwerke, grenzenlose Willkommenskultur), weshalb heute Claudia Roth zu den größten Anhängern von Merkel zählt.

In den USA nennt man das nicht Sozialdemokratisierung, sondern „Europäisierung“, wie Samuel Gregg in seinem großartigen Buch „Becoming Europe“ gezeigt hat: „It is shorthand for describing what people think is happening to America’s economy, from Bush administration’s heavy spending and fiscal stimulus programs to the acceleration of deficit spending and a general expansion of government economic intervention during President Obama’s. ‚We’re becoming,‘ the sentiment runs, ‚like Europe.'“

In Deutschland haben wir ein völlig unrealistisches Bild der USA. Sie werden hier als Land des ungezügelten Kapitalismus gesehen. Das ist jedoch ebenso falsch wie wenn ein Amerikaner die Deutschen mit preußischer Pickelhaube in Verbindung bringt. William Voegeli hat in seinem – ebenfalls sehr lesenswerten – Buch „Amerikas Abschied vom Kapitalismus“ gezeigt, dass sich auch im angeblichen Musterland der freien Marktwirtschaft schon seit Jahrzehnten zunehmend der Wohlfahrtsstaat ausgebreitet hat. Diese Entwicklung weiter zu forcieren – dies war Obamas Programm, das nunmehr Bernie Sanders gerne noch radikaler fortführen würde.

Haben die Schwachen in den USA davon profitiert? Nein, so weist der Wall Street-Journal Journalist Jason L. Riley in seinem Buch „Please stop helping us“ nach: Als Obama im Januar 2009 seine erste Amtszeit begann, betrug die Arbeitslosenrate bei Afro-Amerikanern 12,7 Prozent, bei Weißen 7,1 Prozent. Am Wahltag für seine zweite Amtsperiode im November 2012 war sie auf 14,3 Prozent bei Afro-Amerikanern gestiegen und bei Weißen nahezu gleich geblieben (7 Prozent), „which meant that the black-white unemployment gap had not only persisted, but widened, during Obama’s first term“. Das mittlere Haushaltseinkommen von Weißen ist seit der Rezession in den USA um 3,6 Prozent gefallen, das der Schwarzen jedoch um 10,9 Prozent. Auch andere Kennzahlen, wie etwa die Zahl der Hochschulabschlüsse, haben sich in der Obama-Zeit für schwarze Amerikaner nicht verbessert, sondern verschlechtert.

Obama, so schreibt Edward Klein in seiner Biografie über den Präsidenten, glaube, „that he was chosen as president to save a wayward America from its dependency on free-market capitalism. This has led him to push clumsy and unpopular far-left policies – universal healthcare, Wall Street bailouts, cap and trade, green jobs and renewable energy – at the expose of rational policies aimed at putting America back to work.“

Kein Wunder also, dass die beiden sich so gut verstehen. Da spielt die Tatsache, dass Obama Merkels Telefon abhören ließ gar keine Rolle mehr.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.