Warum Symbolpolitik gefährlich ist – sind Burka und Doppelpass das Problem?

Erschienen am 10. Dezember 2016

Merkel erhält frenetischen Applaus für einen nichtssagenden Satz über die Burka. Gegen ihren Willen spricht sich der CDU-Parteitag gegen den Doppelpass aus. Die Politiker räumen ein, dass es sich um Symbolpolitik handle – aber diese Symbole seien angeblich sehr wichtig. Ich bin anderer Meinung.

Haben wir wirklich in Deutschland keine anderen Probleme als einige Frauen mit einer Burka? Ist es so schlimm, wenn viele Türken zwei Pässe haben? Mich stört weder das eine noch das andere besonders. Ich gebe zu, dass mir – anders als Julia Klöckner – die Frage, ob Frauen die Burka gerne tragen oder deshalb, weil es ihr Ehemann so will, keine schlaflosen Nächte bereitet. Ich denke, wir haben in Deutschland ganz andere Probleme. Und ich gehe noch weiter: Jede Stunde, die auf Parteitagen oder in Talkshows über diese Themen diskutiert wird, ist eine verlorene Stunde.

Aktuelle Politbarometer-Umfrage

Eine aktuelle Umfrage des Politbarometers zeigt, dass sich 52 Prozent der Deutschen über steigende Kriminalität durch die Zuwanderung Sorgen machen. Ich halte das für den Kern des Problems. Steigende Zahlen von Wohnungseinbrüchen, von denen kaum welche aufgeklärt werden, von denen man aber weiß, dass sie überwiegend von organisierten ausländischen Kriminellen begangen werden, sind mit Sicherheit ein größeres Problem als vereinzelte Burka-Trägerinnen in der Fußgängerzone.

Probleme werden geleugnet

„Problem erkannt, Gefahr gebannt“, lautet ein Sprichwort. Umgekehrt: Hat man den Eindruck, ein Problem werde systematisch geleugnet, kleingeredet und relativiert, dann wachsen die Zweifel, ob die Politik ernsthaft an einer Lösung arbeitet. Wenn die erste Reaktion bei von Ausländern begangenen Straftaten reflexartig und stereotyp die ist, dass Politiker und Medien lautstark beteuern, die Kriminalität von Ausländern sei keineswegs höher als von Deutschen, dann haben viele Bürger das Gefühl, Probleme sollten vertuscht und kleingeredet werden. Zumal es nicht stimmt. Der Anteil ausländischer Gefängnisinsassen ist drei Mal höher als der Ausländeranteil in der Gesamtbevölkerung. Man muss schon glauben, dass zwei Drittel von ihnen zu Unrecht verurteilt wurden, um zu der Folgerung zu gelangen, es handle sich hier nicht um ein ernstes Problem.

Pappkameraden

Wenn die erste Reaktion nach jedem Terroranschlag der gebetsmühlenartig wiederholte Satz ist, „nicht jeder Moslem ist ein Terrorist“, dann bewirkt das eher das Gegenteil des Gutgemeinten. Politiker und Medien wenden sich mit Verve gegen eine Behauptung (nämlich jeder Moslem sei ein Terrorist), die von keinem Menschen erhoben wird, der bei Sinnen ist. Wozu werden Pappkameraden aufgebaut, auf die dann eingeschlagen wird? Ich bin optimistisch: Die Mehrheit der Bundesbürger ist nicht per se ausländerfeindlich und hat keine Ressentiments gegenüber Ausländern, die hier friedlich leben und die Gesetze unseres Landes respektieren.

Symbolpolitik: Die Illusion einer Tat

„Symbolpolitik“ wird in Wikipedia definiert als „eine auf Gesten beruhende Politik. Sie verändern dabei nicht unmittelbar die konkrete Situation oder das konkrete Problem, soll aber gewisse Reaktionen hervorrufen.“ Mit der „gewissen Reaktion“ ist im Fall der Burka- und Doppelpass-Debatte gemeint, dass die Wähler wieder CDU wählen. Damit mag ein Problem für die CDU gelöst sein (falls diese Taktik funktioniert, was ich bezweifle), aber die tatsächlichen Probleme der Einwanderung sind damit nicht gelöst. Symbolpolitik bedeutet: die Illusion einer Tat. Symbolpolitik geht davon aus, dass die Menschen nicht in der Lage sind, ihren durchsichtigen Zweck zu durchschauen. Das bedeutet aber erstens, dass die wirklichen Probleme ungelöst bleiben. Und zweitens fühlen sich die Menschen erst recht verschaukelt, weil sie das Gefühl haben, nicht ernst genommen zu werden. Statt den Unmut zu besänftigen, wird er durch die Symbolpolitik also noch zusätzlich angestachelt.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.