Wenn Optimismus schadet

Erschienen am 14. Dezember 2015

In diesem Jahr trat die Mietpreisbremse in Kraft. Die meisten Marktteilnehmer hatten das zunächst nicht geglaubt bzw. deren Wirkungen verharmlost und kleingeredet. Auch nachdem die Bremse in Kraft getreten ist, bleiben die meisten Marktteilnehmer ungebremst optimistisch. Und dies, obwohl mit der Mietrechtsnovelle II (nach welcher der Mietspiegel künftig für die vergangenen 10 Jahre berechnet werden soll) der größte Angriff auf die Wohnungswirtschaft seit Bestehen der Bundesrepublik bevorsteht. Wie ist es zu erklären, dass die Marktteilnehmer erhebliche Risiken verdrängen und ihr Optimismus auch dann ungebrochen bleibt, wenn bei nüchterner Analyse dafür nur wenig Anlass besteht?

Ein anderes Erlebnis: Neulich fand die „Münchner Immobilienrunde“ statt. Alle anwesenden Marktteilnehmer erklärten, dass sich ihre aktuellen Projekte nur dann rechnen, wenn der Preisauftrieb bei Eigentumswohnungen in den vergangenen Jahren auch in Zukunft mit ungebremster (!) Dynamik so weitergehen wird. Wenn dieses optimistische Szenario nicht eintritt, sind alle Projektkalkulationen Makulatur.

Optimismus ist eine schöne und wichtige Eigenschaft. Ohne Optimismus würde niemand heiraten, denn die Statistik sagt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Ehe scheitert, in den Jahren seit 2005 jeweils zwischen 46 und 52 Prozent lag. Erst Recht würde niemand ein Unternehmen gründen, denn die Wahrscheinlichkeit, hierbei zu scheitern, ist noch sehr viel größer als bei einer Heirat. In der Wissenschaft der Behavioral Economics spielt der Begriff des Überoptimismus (overconfidence) eine wichtige Rolle. „Im Hinblick auf ihre Folgen für unsere Entscheidungen mag die Optimismus-Verzerrung durchaus die wichtigste kognitive Verzerrung sein“, so der Wirtschafts-Nobelpreisträger Daniel Kahneman. Die Wirkung des Optimismus bzw. Überoptimismus ist dabei durchaus ambivalent, d.h. diese Haltung ist sicherlich oft hilfreich, teilweise jedoch auch schädlich.

Bereits Ende der 80er Jahre zeigten amerikanische Wissenschaftler auf Basis einer Befragung von 2994 Unternehmern, die gerade ihre Geschäftstätigkeit gestartet hatten, wie ausgeprägt der Überoptimismus ist. Obwohl in den USA zu dieser Zeit etwa zwei Drittel der neu gegründeten Unternehmen scheiterten, sahen 81 Prozent der befragten Unternehmensgründer ihre Erfolgsaussichten bei mindestens 70 Prozent, und 33 Prozent erklärten, ihr Risiko zu scheitern sei gleich null.

Kahneman zeigt, dass auch negative Nachrichten und Prognosen, die sich ganz spezifisch auf ihr Unternehmen richteten, die Unternehmer nicht beirren konnten. So teilte man Erfindern die Ergebnisse einer objektiven und sachkundigen Analyse der gewerblichen Erfolgsaussichten ihrer Idee mit. Selbst diejenigen, denen die schlechtesten Erfolgsaussichten attestiert wurden, bei denen also aus der Sicht kompetenter Dritter die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns extrem hoch war (später waren tatsächlich nur 5 von diesen 411 Projekten erfolgreich), ließen sich in der Hälfte der Fälle nicht beirren. 47 Prozent der Erfinder, denen man die Aussichtslosigkeit ihres Projektes mitgeteilt hatte, setzten ihre Bemühungen dennoch unverändert fort und verdoppelten die Verluste, ehe sie dann schließlich doch aufgaben.

Amerikanische Wissenschaftler veröffentlichten vor einigen Jahren eine Untersuchung, die auf der Befragung von 207 Unternehmensgründern basierte. Das erste Ergebnis der Studie war, dass die befragten Unternehmer insgesamt sehr optimistisch waren, d.h. dass ihr Optimismus deutlich stärker ausgeprägt war als beim Durchschnitt der Bevölkerung. Während also Optimismus eine grundlegende Voraussetzung für Unternehmertum zu sein scheint, so zeigt die Befragung Studie jedoch zugleich, dass es eine negative Korrelation zwischen dem Ausmaß des Optimismus und dem Erfolg der Unternehmer gab. Gemessen wurde das Ausmaß des Optimismus der Unternehmer einerseits und Indikatoren für den Unternehmenserfolg (Gewinnentwicklung und Wachstum der Beschäftigtenzahl) andererseits.

Optimismus ist also eine schöne Eigenschaft, die uns nutzt – die uns jedoch ebenso auch schaden kann. Schädlich ist der Optimismus dann, wenn die Realität nicht mehr angemessen wahrgenommen wird und Risiken ausgeblendet werden. Über-Optimismus ist die Basis für jeden Crash und vielleicht die größte Gefahr für den Unternehmer, wenn sein Unternehmen in Schwierigkeiten kommt.

Ich bin kein Pessimist. Jeder, der mich kennt, weiß das. Ich war schon vor zehn Jahren optimistisch für den Wohnimmobilienmarkt von Berlin und habe deshalb dort investiert. Ich war schon vor elf Jahren optimistisch für Gold. Ich bin seit Jahren optimistisch für den Dollar und den amerikanischen Immobilienmarkt. Aber dieser Optimismus hatte gute Gründe – und hat sich ja auch bewahrheitet.

Ich bin jedoch nicht grundlos optimistisch, sondern ausgesprochen pessimistisch, wenn es gute Gründe dafür gibt. Anders hätte vielleicht meine PR-Firma die Marktveränderungen der vergangenen fünf Jahre nicht überlebt oder wäre zumindest nicht unangefochtener Marktführer geblieben. Vor fünf Jahren kamen 60 Prozent unserer Kunden aus dem Segment der geschlossenen Immobilienfonds. Ich erklärte damals meinen Mitarbeitern, dass davon nur ganz wenige überleben werden, und wir uns deshalb künftig stärker auf andere Kundengruppen – wie etwa Projektentwickler und Anbieter von Spezialfonds – fokussieren müssten, von denen wir damals nur wenige Kunden hatten. Tatsächlich ist die Zahl unserer Kunden durch diese Voraussicht unverändert geblieben, aber der Anteil der Kunden aus dem Segment der geschlossenen Fonds liegt nur noch bei zehn Prozent. Das waren die besten Unternehmen, von denen ich auch erwartet hatte, dass sie überleben werden. Und wir sind Marktführer für die Kommunikation von Immobilienunternehmen deshalb geblieben, weil ich nicht zu optimistisch war.

Ich war auch pessimistisch beim Thema Mietpreisbremse und habe vor deren Einführung als erster gewarnt – immer und immer wieder in meinen IMMOBILIEN NEWS DER WOCHE. Und ich bin pessimistisch mit Blick auf weitere und noch sehr viel schärfere Regulierungen im Rahmen der Mietrechtsnovelle II.

Stets optimistisch zu sein, ist ebenso dumm und schädlich wie Schwarzmalerei und eine pessimistische Grundhaltung. Behalten Sie Ihren Optimismus bei, aber nur dann, wenn dieser nicht einfach nur Ausdruck einer „prinzipiellen“ Grundhaltung ist, sondern wenn auch eine nüchterne, vorurteilsfreie Analyse der Fakten wirklich Anlass dazu gibt.


24 Besprechungen, Interviews und Artikel zu Rainer Zitelmanns aktuellem Buch "Reich werden und bleiben": http://www.reichwerdenundbleiben.net/

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.