Zeit zum Ausstieg: Berliner Wohnungen jetzt verkaufen!

Erschienen am 8. April 2016

Zwölf Jahre lang, von 2000 bis 2012, habe ich immer wieder dazu geraten, Berliner Wohnimmobilien zu kaufen. Jetzt rate ich dazu, Berliner Wohnimmobilien zu verkaufen!

Die Zahl der Artikel, in denen ich über mehr als ein Jahrzehnt für einen Kauf von Wohnungen in Berlin argumentiert habe, ist kaum zu zählen. Lange Jahre hatte ich das Gefühl, fast allein dazustehen, weil viele private (und erst recht institutionelle) Investoren einen großen Bogen um Berlin machten. Täglich musste ich mir anhören, warum es eine ziemlich dumme Idee sei, in Berlin zu kaufen: Viele Transferempfänger, wenig wirtschaftliche Dynamik, niedriges Mietniveau, geringe Miet- und Preisdynamik. Viele Investoren hatten auch schlechte Erfahrungen gemacht, z.B. mit Investments in den geförderten Wohnungsbau. Führende Research-Institute waren ebenfalls pessimistisch für den Berliner Wohnungsmarkt.

All das hat sich seit einigen Jahren dramatisch geändert. Berlin ist seit einigen Jahren „in“: Bei privaten wie bei institutionellen Investoren, bei Deutschen wie bei Ausländern.

Ich nehme jetzt wieder eine Position ein, mit der ich viel Widerspruch ernten werde und vielleicht auch ein wenig alleine bin, denn ich rate jetzt zum Verkauf.

Eigentlich wollte ich meine Berliner Immobilien gar nicht verkaufen, sondern dauerhaft halten. Doch jetzt habe ich verkauft. Nicht alles, aber einiges: Letzten Freitag habe ich einfache Wohnungen (Baujahr 1959) in Berlin-Mitte zum 37fachen verkauft.

Warum verkaufe ich? Kann ich ausschließen, dass die Preise in Berlin weiter steigen? Natürlich nicht. Am Immobilienmarkt ist es wie am Aktienmarkt. Es wird einem kaum gelingen, den Tiefstpunkt zum Einstieg und den Höchstpunkt zum Ausstieg zu finden. Wer anti-zyklisch kauft und verkauft, muss im Gegenteil damit rechnen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit direkt nach dem Kauf die Preise zunächst weiter sinken und nach dem Verkauf weiter steigen.

Der Berliner Immobilienmarkt (und nicht nur der) ist jedoch in einer Verfassung, die Aktienhändler mit „überkauft“ bezeichnen würden. Es gibt kaum noch Angebote, weil es zu wenige Verkäufer gibt. Die Stimmung für Berlin ist nach wie vor bullish. Ich halte es aber mit André Kostolany und Warren Buffett, die stets predigten: Kaufe Panik und verkaufe Euphorie.

Wie sieht es mit künftigen Mietsteigerungen aus? Ja, es wird weiterhin Mietsteigerungen geben in Berlin, aber nicht mehr mit der gleichen Dynamik wie früher. Die Mietpreisbremse wirkt noch nicht, wird aber irgendwann den Anstieg der Preise dämpfen. Die Mietpreisbremse ist noch nicht in den Preisen eskomptiert.

Ich verstehe die Makler nicht, die unbeirrt noch für den Kauf von Immobilien in Berlin trommeln. Obwohl es doch an Kaufinteressenten wirklich nicht mangelt! Ich kann mir das nur mit der Macht der Gewohnheit erklären. Manche gibt es, die auch immer der Meinung sind, genau jetzt sei der richtige Zeitpunkt zu kaufen. Ich selbst predige nichts anderes als das, was ich tue. Das war früher so, als ich gekauft habe und ist heute so, wo ich verkauft habe.

Ich verkaufe auch dann, wenn ich derzeit keine alternativen Investmentopportunitäten sehe. Ich hatte an dieser Stelle von dem Mehrfamilienhaus in Neukölln berichtet, das ich 2004 zum 6,8 gekauft und 2015 zum 25fachen verkauft habe. Den Gewinn hatte ich anschließend erstens in eine Wohnimmobilie in Oranienburg investiert, die ich zum 16,6ffachen gekauft hatte (und die ich heute sicher nicht unter dem 20fachen kaufen könnte) sowie zweitens in einen institutionellen Jamestown-US-Immobilienfonds, der mir dann binnen eines Jahres einen Gewinn von über 20 Prozent (!) bescherte. Also: Es ist zwar einerseits schwer, Alternativen zu finden. Aber manchmal findet man doch etwas – jedenfalls etwas, das sich bestimmt besser rentiert als 1,5 Prozent, denn mehr bleibt ja nach Bewirtschaftung nicht von einer Immobilie mit dem Faktor 37. Und wenn man nicht gleich etwas findet, ist es besser, das Geld mal für zwei Jahre in kurz laufenden Bundesanleihen „anzulegen“, auch wenn das einen Negativzins gibt. Wenn man ansonsten gute Renditen erwirtschaftet, kann man auch damit leben. Und es ist sicher besser, als jetzt überteuert Assets zu kaufen. Denn die teuren Käufe von heute sind die Wertberichtigungen von morgen.

Mehr zu Zitelmanns Investitionsphilosophie finden Sie in seinem Buch: „Reich werden und bleiben“.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.