6. Wahlbericht aus den USA:
5 Gründe, warum Hillary Clinton immer mehr unter Druck gerät

Erschienen am 27. Mai 2016

Obwohl Hillary Clinton nach der Zahl der Delegiertenstimmen weit vor dem Linkspopulisten Sanders liegt, hat sie es derzeit am schwersten. Das Momentum liegt bei Sanders und Trump. Beide haben sogar zugestimmt, eine Fernsehdebatte gegeneinander zu führen, bei der die Werbeeinnahmen für Wohltätigkeitszwecke gespendet werden. Ob es wirklich dazu kommt, steht noch nicht fest. Aber diese Debatte würde symbolisieren, dass Viele Clinton trotz ihres Vorsprungs bereits abgeschrieben haben. Was sind die Gründe, warum Clinton sich so schwertut?

  1. Seit Langem steht sie unter Druck, weil sie einen privaten Email-Server in ihrer Zeit als Außenministerin benutzt hat. Das ist nicht neu. Sie hatte mehrfach eingeräumt, dass dies ein Fehler gewesen war. Doch sie hatte immer hinzugefügt, dass sie nichts Illegales getan habe. Das war ihr zentrales Argument – und dies hat sich jetzt als unwahr entpuppt. Nach einer offiziellen Untersuchung des US-Außenministeriums hat sie gegen die geltenden Bundesgesetze verstoßen. Das verstärkt den Eindruck in der Öffentlichkeit, dass sie es – ähnlich wie seinerzeit ihr Mann in seiner Sexaffäre – nicht so genau mit der Wahrheit nimmt. Es geht jetzt also seit einigen Tagen nicht mehr um die Emails, sondern es geht um die Glaubwürdigkeit von Hillary Clinton. Sollte sich die Meinung verdichten, dass sie mehrfach in der Öffentlichkeit gelogen hat, könnte es sehr eng werden für sie. Genau darauf baut seit Langem ihr Herausforderer, der Linkspopulist Sanders.
  2. Hillary Clinton kann ihre Wähler nicht begeistern und mitreißen, weil sie nicht authentisch wirkt. Täglich spotten Journalisten und ihre politischen Gegner darüber, dass sie ihre Reden vom Teleprompter abliest – anders als Sanders und Trump. Ihre Mimik, ihre Gestik und ihr Dauerstrahlen wirken maskenhaft, verkrampft, künstlich aufgesetzt – ganz anders als bei Sanders und Trump, die beide sehr locker und selbstbewusst wirken.
  3. Clinton steht in Amerika von zwei Seiten unter Dauerbeschuss: Von ihren linken Kritikern, die Sanders folgen und von ihren konservativen Kritikern bzw. von Trump. Dabei fällt es ihr schwer, eine eigene Positionierung zu finden. Auf der einen Seite hat sie zunehmend linke Positionen von Sanders übernommen, aber damit wirkt sie weit weniger glaubwürdig als er, weil sie als Vertreter der „Wallstreet“ gilt. Den Linken ist sie nicht links genug, den Konservativen ist sie zu links. Wofür sie eigentlich steht, weiß man nicht so Recht.
  4. Clinton steht für den Status quo. In der allgemeinen Wahrnehmung wird sie mehr oder minder die Politik von Obama fortsetzen. Zwei Drittel der Amerikaner sind jedoch mit dem Status quo hochgradig unzufrieden. Es ist im Grunde ein allgemeiner Konsens, dass es nach acht Jahren Obama kein „Weiter so“ geben darf.
  5. Sanders werden bessere Chancen gegen Trump eingeräumt als Clinton. Dies zeigen viele Umfragen verschiedener amerikanischer Zeitungen und Fernsehsender. Sanders liegt dabei vor Trump. Andererseits könnte sich das ändern, wenn beide wirklich gegeneinander antreten würden. Denn bislang hat sich Trump mit seinen Angriffen ganz auf Clinton konzentriert und Sanders weitgehend „verschont“. Der Grund: Trump schielt auf die Sanders-Wähler und will diese nicht vor den Kopf stoßen. Wenn Sanders jedoch wirklich gegen Trump antreten würde, dann ist damit zu rechnen, dass eine beispiellose Kampagne des Trump-Lagers und der konservativen Medien gegen den Sozialisten Sanders beginnen würde – „Freiheit oder Sozialismus“.

Was spricht für Clinton? Clinton gilt – anders als Trump – als berechenbar. Man weiß, woran man mit ihr ist. So sieht das zumindest die Mehrheit der Amerikaner. Es gibt sicher manche eher konservativen Wähler, die Clinton wählen würden, weil sie sie für das „kleinere Übel“ halten. Zudem kann Clinton auf die Unterstützung von schwarzen Wählern und Latinos hoffen.

Von großer Bedeutung sind die demnächst anstehenden Vorwahlen in Kalifornien, dem bevölkerungsreichsten und für die demokratische Partei wichtigsten Staat. Es wäre eine verheerende Niederlage für Clinton, wenn sie hier gegen Sanders unterliegen würde. Sanders weiß das und konzentriert alle seine Energie derzeit auf die Wahlen in Kalifornien.

Derzeit wird in den amerikanischen Medien sogar darüber spekuliert, ob statt Clinton und Sanders ein weiterer, dritter Bewerber als Präsidentschaftskandidat auf dem Parteitag der Demokraten nominiert werden könnte. Ich glaube das zwar nicht, aber dies zeigt, wie verzweifelt die Stimmung bei denjenigen Demokraten ist, die bisher auf Clinton gesetzt haben.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.