Merkel und die Erosion des Rechtsbewusstseins

Erschienen am 14. September 2015

Zahlreiche Entscheidungen von Angela Merkel sind nicht nur politisch fragwürdig, sondern auch rechtlich:

  • In Japan gibt es ein Erdbeben und in der Folge die Reaktorkatastrophe von Fukushima. Kein einziges Land auf der Welt kommt auf die Idee, deshalb sofort den Atomausstieg zu verkünden – außer Deutschland. Inzwischen haben Gerichte bestätigt, dass Angela Merkels spontane Entscheidung zur Abschaltung mehrerer Kraftwerke einen rechtswidrigen Eingriff in die Eigentumsrechte von Energieunternehmen bedeutete. Es gab für diese Entscheidung keinerlei Rechtsgrundlage. Zudem wurde deutlich, dass die „Energiewende“ mit ganz erheblichen wirtschaftlichen Risiken für Deutschland verbunden ist und so nicht funktionieren kann.
  • Ebenso spontan reagierte Merkel auf den Flüchtlingszustrom und öffnete die Grenzen. Das Dubliner Abkommen wurde einfach „ausgesetzt“. Die Entscheidung fand großen Zuspruch in der Bevölkerung und sogar die Grünen und die Linkspartei lobten Merkel. Aber schon kurz darauf wurde deutlich, dass es sich um eine Fehlentscheidung handelte – mit dem Ergebnis, dass Deutschland jetzt wieder Grenzkontrollen einführen muss und dass das Schengener Abkommen „ausgesetzt“ wird.
  • In der Eurokrise wird seit Jahren ganz offen gegen alle Verträge verstoßen – insbesondere gegen das Bail-out-Verbot des Maastrichter Vertrages. Auch die Verträge über die diversen Rettungsschirme wurden mehrfach offen gebrochen oder „zurechtgebogen“. Dabei ist auch die Griechenland-Rettungspolitik ganz offensichtlich gescheitert.

Dies sind drei Beispiele für eine bedenkliche Erosion des Rechtsbewusstseins. Und für einen Politikstil, der immer mehr zum Risiko für Deutschland wird. In Krisensituationen werden die normalen Verfahren für die politische Entscheidungsfindung ausgesetzt, Institutionen werden übergangen und Verträge gebrochen. Jede der genannten Entscheidungen kostet übrigens zwei- oder dreistellige Milliardenbeträge, die leichtfertig und unbedacht aufs Spiel gesetzt wurden. Alle drei Entscheidungen haben gemeinsam, dass sie kurzfristig zu einer „Beruhigung“ führten, aber langfristig erhebliche wirtschaftliche Belastungen für Deutschland mit sich bringen werden.

Helmut Schmidt und Gerhard Schröder hatten den Mut, wichtige Entscheidungen für Deutschlands Zukunft zu treffen – auch gegen den Widerstand ihrer eigenen Partei und gegen weite Teile der öffentlichen Meinung. Bei Schmidt war dies der Nato-Doppelbeschluss, der – im Zusammenhang mit der Strategie von Ronald Reagan – eine Ursache für den Zusammenbruch der Sowjetunion und damit auch für die Wiedervereinigung Deutschlands war. Bei Gerhard Schröder war dies die Agenda 2010, die wesentlich dazu beigetragen hat, dass Deutschland heute wirtschaftlich besser dasteht als alle anderen Eurostaaten. Beide Entscheidungen kosteten Schmidt und Schröder die Macht.

Angela Merkel hatte und hätte nie den Mut, solche Entscheidungen zu fällen, weil für sie der Machterhalt um jeden Preis, die Zustimmung in Umfragen und die Beliebtheit in der Bevölkerung der alleinige Kompass für ihre Entscheidungen sind.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.