Bravo, Herr Kubicki!

Erschienen am 21. September 2015

Endlich hört man auch von der FDP etwas zum Thema „Flüchtlingskrise“. Ein liberaler Grundwert, den FDP-Vize Wolfgang Kubicki jetzt in einem Beitrag für das „Handelsblatt“ hochhält, ist die geistige Freiheit: „Es vergiftet die offene und vorurteilsfreie Debatte, wenn das Ansprechen von Problemen unterbleiben soll, damit den Rechtsradikalen nicht Vorschub geleistet wird.“

Der FDP-Vize kritisiert das „Schweigegelübde“, denn dieses führe erst recht dazu, Rechtsradikalen Auftrieb zu geben. Der Begriff „Schweigegelübde“ ist zwar übertrieben, denn inzwischen wird ja in Deutschland durchaus auch über die Probleme diskutiert. Aber es stimmt: Diese Diskussion wird verkrampft und oft auch unehrlich und intolerant geführt. Und man ist allzu leichtfertig damit, allen Andersdenkenden (inklusive die Regierungen von Großbritannien, Polen, Tschechien, Lettland usw.) in dem Gestus der absoluten moralischen Überlegenheit zu begegnen.

„Wie das Bundesverfassungsgericht einst zutreffend festgestellt hat“, so schreibt Kubicki im „Handelsblatt“, „gibt es ein überragendes Interesse der Allgemeinheit daran, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten Parallelgesellschaften entgegenzuwirken. Dem muss die Politik Rechnung tragen. Und da hilft es definitiv nicht, wenn wir Integrationsprobleme verschweigen – denn dann würden wir uns auch verbieten, über deren Lösung nachzudenken.“

Auch zu Angela Merkel findet er deutliche Worte: „Kanzlerin Merkel hat in einem sehr interessanten Anfall von Ungebremstheit all jenen, die sich nicht einer ‚Wir schaffen das‘-Euphorie angeschlossen haben, zu verstehen gegeben, dass sie nicht zu ‚ihrem‘ Land gehören. Ich möchte entgegnen: Wenn wir uns über die Höhe der Gutwilligkeit, die wir gegenüber Flüchtlingen aufzubringen haben, ernsthaft streiten wollen und dabei im Zweifel unsere Rechtsgrundlagen zu verlassen gedenken, dann wäre das nicht mehr ‚mein‘ Land.“

Kubicki spricht zwei wichtige Themen an:

  • Respekt vor dem Recht
  • Respekt vor dem Wert der Gedanken- und Meinungsfreiheit.

Wenn die FDP sich zugleich als Partei der Marktwirtschaft, als Partei der geistigen Freiheit und als Partei des Rechtsstaates positioniert, dann wird sie gebraucht. Und zwar dringender denn je. Denn für alle drei Werte – Marktwirtschaft, Rechtsstaat, geistige Freiheit – ist seit einigen Jahren keine gute Zeit in Deutschland.

Marktwirtschaftliche Prinzipien werden als „neoliberal“ diffamiert. Statt Reformen, wie es sie noch unter Gerhard Schröder gab, wird der Wohlfahrtsstaat munter weiter ausgebaut – auf Kosten der Zukunft unseres Landes. Bei fast jeder Diskussion herrscht zudem eine emotionale Aufgeregtheit, in der das ruhige Abwägen von Sachargumenten kaum noch eine Chance hat.

Ich vermute, schon bald werden alle Grünen und Linken über Kubicki herfallen. Denn wer – so wie er – die Existenz von Tabus offen anspricht, wird regelmäßig als „Populist“ beschimpft. So wie ich Kubicki einschätze, wird er sich dadurch jedoch nicht beirren lassen. Ich bin neugierig, wie Christian Lindner sich positioniert.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.