Claudia Roth zur Türken-Abstimmung:
Deutsche an allem Schuld

Erschienen am 18. April 2017

Die Mehrheit der Türken hat „Ja“ gestimmt. Claudia Roth behauptet das Gegenteil – und belegt das mit billigen Rechentricks, mit denen aus 63% jetzt 13% werden. Auch für deren „Ja“ hat sie eine Erklärung: Die Deutschen sind schuld. Ihr Vorschlag zur Besserung: Türken ohne deutschen Pass sollten nun auch in Deutschland die Bürgermeister wählen dürfen.

Claudia Roth hat sicher nicht viel mit Donald Trump gemeinsam, aber beide leben in einer Welt der „alternativen Fakten“. Obwohl 63% der Türken in Deutschland mit „Ja“ votiert haben, sagt sie in der „Welt“ (18.4., Seite 3): „Die Hälfte der Menschen in der Türkei und der Großteil [!] der Türkeistämmigen hier in Deutschland sind für die Demokratie“. Sie begründet das mit einem Rechentrick, indem sie zu den wahlberechtigten Türken noch Deutsche dazu addiert, die gar keinen türkischen Pass (aber vielleicht türkische Eltern oder Großeltern) haben. Mit diesem unseriösen Rechentrick macht sie aus 63% jetzt 13%. Da würde selbst Trump vor Neid erblassen. Ich habe diese politisch korrekte Zahlenakrobatik bereits an anderer Stelle widerlegt: „Abstimmungsergebnis belegt: Vielen Türken ist unser Wertesystem fremd“

Deutsche sind schuld

Roth ist jedoch nicht damit zufrieden, dass sie die wirkliche Zahl um 50 Prozentpunkte heruntergerechnet hat, sondern die restlichen 13% müssen auch noch „wegerklärt“ werden. Und das geht so: Schuld an deren Abstimmungsverhalten sind die Deutschen, und zwar aus folgenden Gründen:

  1. „Es gibt viele (Türken), die strengen sich sehr an und erfahren trotzdem Zurückweisung. Wenn Menschen über Jahre vermittelt bekommen, dass sie irgendwann wieder in die Türkei zurückgehen müssen, dann ist es bedauerlich, aber nachvollziehbar, dass diese Menschen nach Jahrzehnten immer noch nicht die deutsche Sprache gelernt haben. Viele informieren sich ausschließlich über türkische Medien und können Deutschland nicht als neue Heimat sehen.“ Also: Die Deutschen sind schuld, weil sie all den Türken, die jetzt für Erdogan gestimmt haben, erzählt hätten, sie müssten wieder zurück in die Türkei. Deshalb haben sie kein Deutsch gelernt und, können also keine deutschen Medien nutzen und stimmen jetzt für Erdogan.
  2. „Deutschland hat sich über viele Jahre nicht offen gezeigt. Wie oft hat man unser Land als Teil des christlichen Abendlandes dargestellt… Das mussten viele Menschen als ausgrenzend empfinden. Und dann kommt Erdogan und sagt ihnen: Ich gebe euch euren Stolz zurück. Das fällt dann auf fruchtbaren Boden.“ Also: Deutsche haben die Türken verletzt, wenn sie behaupten, Deutschland gehöre zum christlichen Abendland. Dadurch haben sich die Türken „ausgegrenzt“ gefühlt, so dass sie jetzt folgerichtig bzw. verständlicherweise für eine Diktatur in der Türkei gestimmt haben. Auch eine Logik…
  3. „In diesem Fall hat Erdogans antideutsche Kampagne offenbar gefruchtet: Seine Behauptungen, Menschen türkischer Abstammung seien bei uns nicht willkommen und würden ausgegrenzt, haben Wirkung gezeigt. Und tatsächlich sind ja im Umgang mit unseren türkeistämmigen Mitbürgern in den vergangenen Jahrzehnten Fehler gemacht worden, die Verletzungen hinterlassen haben.“ Tenor: Erdogan hat es zwar mit seinem Nazi-Vergleich überzogen, aber im Grunde hat er mit seiner Kritik an den Deutschen ganz Recht – kein Wunder, dass viele Türken jetzt für seine Diktatur stimmen.

Die AfD ist genauso schlimm

Roth strengt sich sehr an, die Zustimmung von 63% der in Deutschland lebenden Türken zu relativieren. Ihr nächstes Argument: Die Deutschen sind auch nicht besser, denn bei uns gibt es ja AfD-Wähler. Da sie die Zahl der Türken, die mit „Ja“ gestimmt haben, durch einen Rechentrick von 63 auf 13 Prozent reduziert hat, ist das eine mit den AfD-Wahlerfolgen vergleichbare Größe. Roth räumt ein: Ja, viele haben für Erdogan gestimmt. Aber das ist wohl nicht so schlimm und muss ins rechte Licht gerückt werden, weil es schließlich in Deutschland die AfD gibt: „Auch so manchem AfD-Anhänger muss der Wert einer freiheitlichen Gesellschaft noch viel stärker klargemacht werden.“ Roth hebt Dinge auf einen Level, die wenig miteinander zu tun haben: Ja, in der Türkei ist die Pressefreiheit abgeschafft, aber in Deutschland gibt es schließlich auch Menschen, die von einer Lügenpresse sprechen: „In der Türkei sitzen 150 kritische Journalisten hinter Gittern – und bei uns gibt es die AfD, die die freie Presse als ‚Lügenpresse‘ diffamiert. Es gibt also insgesamt Nachholbedarf, für den Rechtsstaat in seiner ganzen Kraft zu werben.“

Türken sollen deutsche Bürgermeister wählen

Das Interview gipfelt in der Forderung, man müsse „das kommunale Wahlrecht nicht nur EU-Bürgern zugestehen, sondern auch Menschen mit türkischer Migrationsgeschichte. Das wäre ein Zeichen der Gleichberechtigung.“ Was meint Roth damit? Türken, die auch einen deutschen Pass haben, dürfen ja längst wählen. Die sind also nicht gemeint. Sie will, dass auch diejenigen Türken wählen sollen, die keinen deutschen Pass haben. Sie will ihnen gleiche Rechte wie EU-Ausländern gewähren, obwohl sich die Türken gerade erst am Sonntag mehrheitlich gegen die EU entschieden haben.

In ganz Europa diskutiert man, ob die Beitrittsgespräche mit der Türkei nach dem Referendum abgebrochen werden sollen – nur Claudia Roth zieht aus der Abstimmung die Konsequenz, in Deutschland lebenden Türken Rechte zu geben, die sonst nur EU-Bürgern vorbehalten sind. Auch eine Logik: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass fast zwei Drittel der Türken bei einem pro-Diktatur-Referendum mit „Ja“ stimmen und Roth zieht die naheliegende (?!) Lehre daraus, dass genau diese Leute nun auch in Deutschland die Bürgermeister unserer Städte wählen sollten. Grüne Logik.

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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.