Corona-Notstand: Warum glauben viele Deutsche Medien & Politik nicht mehr?

Erschienen am 18. März 2020

Heute Pressekonferenz der Landesregierung von NRW: Die Regierung bittet die Bürger geradezu händeringend und verzweifelt, die Verhaltensmaßregeln zu befolgen. Andernfalls seien drastischere Maßnahmen wie eine Ausgangssperre unumgänglich.

Eindringlicher könnten die Appelle von Medien und Politik nicht sein. Und dennoch sieht man überall Bürger, die sie ignorieren. Bis vor wenigen Tagen ignorierten sogar die Talkshowgäste, die über die Wichtigkeit von einem bis zwei Meter Sicherheitsabstand sprachen, ihre eigenen Worte. Und die Bundestagsabgeordneten sitzen dicht an dicht, während man den Bürgern sagt, wie wichtig soziale Distanz sei.

Viele Bürger folgen den Empfehlungen und Anordnungen nicht. Früher galten die Deutschen als obrigkeitshörig. Anders etwa als in Griechenland oder Italien nahmen die meisten Bürger ernst, wenn von den Behörden etwas angeordnet wurde. Sind die Deutschen auf einmal ein Volk von Anarchisten geworden?

Warum vertrauen viele Menschen eher auf irgendwelche obskuren Quellen im Internet als auf das, was in ARD und ZDF gesendet wird? Woher das Misstrauen vieler Menschen gegen Politiker, woher die Resonanz für Verschwörungsspinner?

Der Grund ist einfach: Jetzt rächt sich die jahrelange Panikmache, die sich immer wieder als unbegründet herausgestellt hat. Erst stirbt angeblich der Wald. Dann wird Panik wegen BSE („Rinderwahn“) gemacht. Dann wegen der Schweinegrippe. Dann wegen Stickoxiden. Jeden Tag werden die Menschen in Medien mit apokalyptischen Beschwörungen bombardiert: „Es ist fünf nach zwölf, wenn wir nicht sofort radikal handeln, sterben wir alle.“ Kaum holt der Bürger Luft, wird das Ende der Demokratie in Deutschland beschworen und der Eindruck erweckt, wir stünden kurz vor einer neuen nationalsozialistischen Machtergreifung. Eine Panik nach der anderen. Irgendwann können die Menschen es nicht mehr hören.

Gerade ältere Menschen, die das Ozonloch, das Waldsterben, den Rinderwahn, Stickoxide und den Klimanotstand überlebt haben, reagieren jetzt in der Coronakrise gelassen: „Wir haben das alles überlebt, da werden wir das auch überleben.“ Weil in der Vergangenheit immer wieder übertrieben wurde, glauben viele Menschen, dass auch diesmal wieder übertrieben wird. Wer ständig ruft „es brennt“, muss damit rechnen, dass die Feuerwehr irgendwann nicht mehr kommt – wenn es wirklich brennt. Ich denke, die Sorge ist diesmal berechtigt und die Empfehlungen der Regierung kommen eher zu spät als dass sie übertrieben wären. Aber leider sind viele Menschen durch den ständigen Daueralarm desensibilisiert für reale Gefahren.

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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.