Finanzielle Unabhängigkeit und Unabhängigkeit im Denken

Erschienen am 7. April 2015

Ich kenne und schätze Peter Gauweiler seit über zwei Jahrzehnten. Das letzte Mal traf ich ihn im Deutschen Bundestag Mitte November 2014 – ich hatte die Gelegenheit, mit ihm und einigen anderen CDU/CSU-Politikern zu sprechen. Ich fragte ihn damals, was er denn schätze, wie viele Mitglieder der Fraktion so ähnlich denken wie er. „Eigentlich fast alle“, war seine überraschende Antwort. Ein anderer maßgeblicher Unionspolitiker fügte hinzu: „Ja, so denken sehr viele, aber die haben Angst, ihre wirkliche Meinung zu vertreten, weil das zu Sanktionen führt.“ Sie fürchten, den einen oder anderen Posten nicht mehr zu bekommen oder das nächste Mal nicht auf die Landesliste zu kommen. Wenn sie zu persönlichen Gesprächen mit Frau Merkel oder Herrn Kauder einbestellt werden, knicken sie meistens ein.

Gauweiler ist sich, darüber sind sich auch seine Kritiker einig, immer treu geblieben. Die FAZ schrieb am 31. März: „Seiner Kritik am ‚Esperantogeld‘ und am Beugen der Regeln der Währungsunion ist er über mehrere Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht und einschlägigen Abstimmungen im Bundestag hinweg treu geblieben.“ Gauweiler selbst begründete seinen Rücktritt und die Niederlegung seines Bundestagsmandates mit den Worten: „Von mir ist öffentlich verlangt worden, dass ich – weil CSU-Vize – im Bundestag so abstimme, dass ich mich für das Gegenteil dessen entscheide, was ich seit Jahren vor dem Bundesverfassungsgericht und vor meinen Wählern vertrete und was ich als geltenden Inhalt der CSU-Programme verstehe. Das ist mit meinem Verständnis der Aufgaben eines Abgeordneten unvereinbar.“

DIE WELT kommentierte am 1.April: „Als exzellenter Anwalt ökonomisch unabhängiger als das Gros der Beamten-Abgeordneten, hat er jetzt seinen einsamen Kampf gegen die Stromlinienlangeweile der Fraktionsapparate beendet.“ Damit ist ein wichtiger Zusammenhang thematisiert: Wer wirtschaftlich unabhängig ist, dem fällt es leichter, gegen den Strom zu schwimmen und eine eigene Meinung zu vertreten als derjenige, der außer Politik nichts gelernt hat und nichts kann.

Nach Berechnungen der Organisation abgeordnenenwatch.de verdiente Gauweiler in dieser Legislaturperiode nebenberuflich mit mindestens 1,13 Mio. Euro mehr als jeder andere Abgeordnete. Bekannt wurde er beispielsweise dadurch, dass er als Anwalt von Leo Kirch gegen die Deutsche Bank einen tollen Job gemacht hat und die Bank nach einem jahrelangen Prozess zu einem Vergleich zwang.

Gauweiler wurde oft kritisiert, weil er nebenbei viel verdient und gleichzeitig viele Sitzungen im Bundestag schwänzt. Ich meine: Mir ist jemand lieber, der wirtschaftlich unabhängig ist und manche Sitzungen schwänzt als jemand, der brav zu jeder Sitzung kommt und dann – aus Angst vor den Konsequenzen – so abstimmt, wie es ihm die Fraktionsführung befiehlt.

In meinem Buch „Setze dir größere Ziele!“ (Redline-Verlag 2014) berichte ich auf Seite 313f. über ein für meine persönliche Entwicklung extrem wichtiges Gespräch mit Gauweiler, das ich vor zwei Jahrzehnten führte, als mein Nettovermögen noch -10.000 DM betrug: „Den Wendepunkt in meiner Einstellung zum Geld“, so berichtete ich, „brachte dann ein Gespräch mit dem CSU-Politiker Dr. Peter Gauweiler. Auf einem Spaziergang in Berlin-Mitte sagte er mir: ‚Querköpfe so wie Sie und ich müssen ordentlich Geld verdienen, um frei unsere Meinung vertreten zu können.‘ Das leuchtete mir ein. Als Dozent an der Universität und später als Cheflektor des Ullstein-Propyläen-Verlages hatte ich immer wieder beobachtet, dass Geld gerade für Professoren und Schriftsteller, die stets betonten, es sei ihnen gänzlich unwichtig, doch ein wichtiger Faktor war. Es war allerdings ein begrenzender, negativer Faktor, etwas, das unfrei machte, weil man es nicht hatte. Ich verstand nach dem Gespräch mit Peter Gauweiler, dass Geld geprägte Freiheit ist. Und ich beschloss, selbst ein Vermögen aufzubauen.“ An dieses Gespräch dachte ich, als ich vergangene Woche vom Rücktritt Gauweilers hörte.

Der Typus des Politikers, der sein ganzes Leben lang nie etwas anderes gemacht hat oder der immer nur Lehrer bzw. Gewerkschaftsfunktionär war, ist mir stets ein wenig suspekt. Natürlich gibt es auch mutige Menschen, die ihre eigene Meinung vertreten, ohne finanziell unabhängig zu sein. Und es gibt auch wirtschaftlich unabhängige Menschen, die gedankenlos alles nachplappern, was im Zeitgeist liegt. Dennoch: Es ist einfacher, mutig zu sein und gegen den Strom zu schwimmen, wenn man finanziell unabhängig ist. Ein Politiker wie Freiherr von Stetten, den ich sehr schätze, traute sich, gegen die Griechenland-Rettung zu stimmen, gegen die Rente mit 63 und gegen den Mindestlohn. Ist es ein Zufall, dass auch er finanziell unabhängig ist? Wenn ich nicht ein prinzipieller Quotengegner wäre, dann würde ich für eine Selbständigen- und Unternehmerquote im Deutschen Bundestag plädieren.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.