Satire: Ich lerne politische Korrektheit (5)
SPD will Managergehälter kappen

Erschienen am 12. Januar 2017

„Ein Gesetz gegen die Gier“, so überschreibt das HANDELSBLATT am 10. Januar den Bericht über eine Initiative der SPD, die u.a. ein festgeschriebenes Maximalverhältnis zwischen der Vergütung von Vorständen und dem durchschnittlichen Gehalt ihrer Arbeitnehmer vorsieht.

Die Gier der Manager

Zu Erinnerung: Ich habe mir vorgenommen, seit dem 1. Januar politisch korrekt zu denken, zu sprechen und zu handeln. Da das schwerer ist, als ich zunächst dachte, habe ich zur Hilfe einen Lehrer für politische Korrektheit engagiert (korrekt müsste es heißen: eine Lehrer*in). Am 10. Januar hatten wir unsere zweite Unterrichtstunde und triumphierend hielt mir mein PC(=Political Correctness)-Lehrer einen großen Artikel im „Handelsblatt“ vor: „Schau mal, sogar das Kapitalisten-Handelsblatt überschreibt den Artikel mit ‚Ein Gesetz gegen die Gier‘. Und komm‘ mir nur nicht wieder damit, dass das eine Neiddebatte sei.“

Worum geht es eigentlich? Nach der SPD sollen Versorgungsbezüge von Managern über die gesetzlichen Rentenversicherungsbeiträge hinaus nicht länger steuerlich abzugsfähig sein. Das heißt: Ausgaben über 76.200 Euro im Jahr können von Firmen nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden. Gleiches soll für Boni über 500.000 Euro gelten. Wichtiger aber noch: Künftig brauche es, so die SPD, ein „festgeschriebenes Maximalverhältnis“ zwischen der Vergütung von Vorständen und dem durchschnittlichen Gehalt ihrer Arbeitnehmer.

Die SPD wies mögliche Kritik, bei ihren neuen Vorschlägen gehe es um Neid und Missgunst, vorsorglich zurück: „Wer ein Vielfaches des durchschnittlichen Arbeitnehmers in einem Betrieb verdient“, so heißt es in dem SPD-Papier, „muss sich fragen und fragen lassen, ob er auch ein Vielfaches der Leistung erbringt oder an Verantwortung trägt.“

Mein PC-Lehrer meinte, der Grundgedanke sei richtig. Darüber brauche man gar nicht erst lang zu diskutieren, schließlich gehe es hier um ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit, und das sei immer richtig.

Nun ja, gegen soziale Gerechtigkeit wollte ich bestimmt nicht sein, denn schließlich sind ja alle dafür, die CDU, die CSU, die Grünen, die Linke, die SPD, die AfD, die Gewerkschaften, die Kirchen, der Bundespräsident usw. Aber ich war doch etwas unsicher: Wie kann ich denn als Manager feststellen, ob meine Leistung das Vielfache von der Leistung eines Arbeitnehmers beträgt? Ist das überhaupt das richtige Maß? Ich war einen Moment etwas erschrocken: Wollte man das in der Arbeitszeit messen, was ja sicher am einfachsten ist? Dann dürfte das Gehalt von Top-Managern nur maximal doppelt so hoch sein wie das von Arbeitern, und das auch nur in den Fällen, wenn der Vorstand 16 Stunden arbeitet. In dem SPD-Papier war zudem von „Verantwortung“ die Rede, also jeder Manager müsse prüfen, ob er ein „Vielfaches an Verantwortung trägt“. Das ist ja einfach zu messen: Für wie viele Mitarbeiter trage ich Verantwortung? Für 100? Für 1000? Für 100.000? Dann müsste mein Gehalt als Vorstandsvorsitzender, so schoss es mir durch den Kopf, 100, 1000 oder gar 100.000 mal so hoch sein wie das des Postboten oder des Pförtners in meinem Unternehmen, die keine Personalverantwortung tragen. Irgendwie schien mir die Sache komplizierter, als es auf den ersten Blick scheinen mochte. Ist denn nun die „Leistung“ oder die „Verantwortung“ der Maßstab? Und wie sind diese zu messen?

12 Mal mehr? 20 Mal mehr?

Mein PC-Lehrer klärte mich auf: „Du denkst mal wieder viel zuviel nach. Hier geht es um soziale Gerechtigkeit und nicht um Rechenmodelle. Also, da gibt es unterschiedliche Vorstellungen. In der Schweiz initiierten die Jusos eine ‚1:12 Initiative für gerechte Löhne‘. Danach sollten die Topeinkommen auf das Zwölffache eines einfachen Arbeiterlohns begrenzt werden. Die Schweizer haben diese Initiative für mehr soziale Gerechtigkeit abgelehnt, was einmal mehr zeigt, wie rückständig die Eidgenossen sind, die ja sogar gegen die Abschaltung von Atomkraftwerken gestimmt haben.“ Also, das leuchtete mir ein, dass ein so rückständiges Land, in dem sogar das Frauenwahlrecht erst 1971 eingeführt wurde, bestimmt kein Maßstab für soziale Gerechtigkeit sein kann.

Bei den Jusos in Deutschland fand das 1:12-Modell viel Beifall. Die Linke fordert dagegen in ihrem Wahlprogramm: „Wir wollen verbindliche Obergrenzen für Manager- und Vorstandsgehälter: nicht mehr als das Zwanzigfache des niedrigsten Gehaltes im Unternehmen.“ Wenn demnach der Postbote bei Daimler 30.000 Euro im Jahr bekommt, dürfte der Vorstandsvorsitzende Zetsche nach den Jusos 360.000 Euro im Jahr bekommen und nach der Linkspartei 600.000 Euro. Triumphierend meinte mein PC-Lehrer: „Also das ist doch so viel Geld, da ist doch ganz klar, dass jeder, der mehr haben will, einfach nur gierig ist.“ Ich merkte, wie er im Hinterkopf sein eigenes Gehalt mit den 360.000 oder gar 600.000 Euro verglich. „Zetsche hat 2015 9,7 Millionen Euro bekommen, das sind also sicherlich mindestens 9 Millionen mehr, als sozial gerecht wären. Mindestens.“

Der Vergleich mit dem Fußball

Ich gebe zu, ich tat mich immer noch ein wenig schwer damit. „Wenn man das auf den Fußball überträgt, dann hieße das doch, dass ein Spieler wie Thomas Müller vom FC Bayern laut den Jusos nur noch 360.000 Euro im Jahr und nach der Linken nur noch 600.000 Euro im Jahr verdienen dürfte, denn der Platzwart bekommt ja nur 30.000 Euro im Jahr.“ Mein PC-Lehrer stimmte zu: „Richtig gerechnet. Es ist doch auch unglaublich, dass Müller 2015 23,6 Millionen Euro verdient hat. Das ist mit einer höheren Leistung wirklich nicht mehr zu rechtfertigen. Ein Zweitligaspieler bekommt 7000 bis 20.000 Euro im Monat, das sind 84.000 bis 240.000 Euro im Jahr. Will mir jemand einreden, dass Müller sich 100 Mal mehr anstrengt wie der beste Zweitligaspieler?“ Ich gebe zu, dass meine Zweifel nach diesem Beispiel noch stiegen. „Vielleicht ist das Maß an Anstrengung gar nicht entscheidend, sondern vielleicht werden die Gehälter im Fußball wie bei Unternehmen einfach durch Angebot und Nachfrage am Markt geregelt? Wenn dann ein Spitzenspieler wie Müller statt bisher 23,6 Millionen künftig nur noch das verdienen dürfte, was er jetzt nach dem Komma verdient, würde er dann nicht von Real Madrid oder einem anderen Verein abgeworben? Könnte Bayern dann noch deutscher Meister oder Deutschland Weltmeister werden?“ Mein PC-Lehrer raufte die Hände über dem Kopf zusammen: „Da sieht man doch nur, in welchen neoliberalen und nationalistischen Stereotypen du immer denkst. Du wirst noch viele PC-Unterrichtsstunden brauchen. Dass der Markt sozial ungerecht ist, das gehört doch nun heute zu den Binsenweisheiten – und nur neoliberale Ideologen wie ein Herr Lindner von der FDP können das Gegenteil behaupten. Und warum soll denn ausgerechnet Deutschland Weltmeister werden? Wir waren das doch schon so oft. Wäre es nicht viel gerechter, wenn mal ein afrikanisches Land diese Chance hätte? Also das spräche auf jeden Fall dafür, die geplanten Regelungen für die Managergehälter auch im Fußball einzuführen. Damit würde hier endlich Chancengleichheit hergestellt.“

Ich merkte, wie entnervt mein PC-Lehrer von meiner Widerrede war: „Google doch einfach mal den Begriff ‚gierige Manager‘. Da bekommst du über 90.000 Einträge, also sogar drei Mal mehr als bei den ‚gierigen Bankern‘, obwohl wir doch alle wissen, wie gierig die sind. Nicht einmal die ‚gierigen Piloten‘ haben so viele Google-Einträge wie die ‚gierigen Manager‘.“


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.