Warum wir die Briten brauchen

Erschienen am 22. Juni 2016

Ich kann die Briten verstehen, die für einen EU-Austritt sind. Aber für Deutschland und für die EU wäre das schlecht. Wir wären dann allein mit den traditionell etatistischen und anti-marktwirtschaftlichen Franzosen.

Dass viele Briten nicht begeistert sind von der EU, kann ich sehr gut verstehen. Ich bin es auch nicht. Und ich frage mich, wer sich – außerhalb der politischen Eliten – in Europa überhaupt noch für diese EU begeistert. Die Briten waren schon immer etwas vernünftiger, was sie auch damit gezeigt haben, dass sie den Euro von Anfang an abgelehnt und aus gutem Grund an ihrer eigenen Währung festgehalten haben. Mit allen Bedenken, die Margaret Thatcher damals gegen die Gemeinschaftswährung vorbrachte, hat sie Recht behalten. Auch die Einwanderungspolitik, wie sie von Deutschland betrieben wird, sehen die Briten zu Recht kritisch.

Im europäischen Konzert waren die Briten in der EU stets eher diejenigen, die auf marktwirtschaftliche Lösungen gesetzt haben. Die Franzosen sind dagegen traditionell keine Freunde der Marktwirtschaft, sondern – ob sozialistisch, konservativ oder Le-Pen-Anhänger – im Kern alle extreme Etatisten. Als es in Deutschland auch noch mehr Anhänger der Marktwirtschaft gab, waren die Briten oft unsere wichtigsten Verbündeten.

Inzwischen hat sich leider auch Deutschland weitgehend sozialdemokratisiert. Und wenn die Briten aus der EU ausscheiden, dann bedeutet dies, dass jedes marktwirtschaftliche Korrektiv fehlt. Die Etatisten aus allen europäischen Ländern werden ihren verhängnisvollen Kurs fortführen, der in Frankreich, Spanien und Italien die Ursache für eine verheerende Jugendarbeitslosigkeit ist.

Europa ist bereits durch die Euro-Einführung erheblich geschwächt worden, denn der Euro hat nicht zu einer zunehmenden Integration geführt, sondern zu Spaltung und Nationalismus. Ein Austritt der Briten aus der EU würde Europa massiv weiter schwächen.

Die Briten haben schon immer eine vernünftigere und realistischere Europapolitik vertreten und sind gegen die immer stärkere Zentralisierung eingetreten. Sie würden als Korrektiv der Vernunft fehlen. Obwohl ich jeden Briten sehr gut verstehen kann, der für den Brexit stimmt, hoffe ich aus deutscher und europäischer Sicht, dass diejenigen, die für einen Verbleib in der EU sind, obsiegen werden.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.