Was ist dran am Vorwurf „Lügenpresse“?
Selten gelogen, aber oft einseitig berichtet

Erschienen am 4. Dezember 2016

Die Diskussion um die „Lügenpresse“ verdeckt mehr als sie aufhellt. Die Mehrheit der Journalisten lügt nicht. Und sie wird erst recht nicht von der Politik oder geheimen Mächten gesteuert. Aber die große Mehrheit der Journalisten denkt links – und das spiegelt sich in der Berichterstattung wider.

Fast drei Viertel denken links

Fast drei Viertel der Journalisten denken links. Das wird bei statistischen Erhebungen durch den hohen Anteil derjenigen verdeckt, die keine Parteipräferenz angeben. Statista bringt eine Statistik, bei der auf die Frage, welcher Partei sie am nächsten stehen, 36 Prozent der Politikjournalisten antworteten, die stünden „keiner Partei“ nahe. Ich halte es jedoch für extrem unwahrscheinlich, dass die Zahl der Nichtwähler bei den Politikjournalisten deutlich höher ist als in der durchschnittlichen Bevölkerung. Im Bevölkerungsdurchschnitt lag die Zahl der Nichtwähler bei der letzten Bundestagswahl bei 28,5 Prozent. Ich habe in den vielen Jahren, in denen ich als Journalist tätig war, überhaupt nur einen Politikjournalisten kennengelernt, der bekannte, regelmäßig nicht wählen zu gehen. Politikjournalisten sind politisch hochgradig interessiert.

Wenn bei Befragungen so viele Medienvertreter angeben, sie stünden „keiner Partei“ nahe, dann wollen sie damit nur ihre innere Unabhängigkeit demonstrieren. Hätte man die Journalisten nicht gefragt, welcher Partei sie nahe stehen, sondern welche Partei sie bei der letzten Wahl gewählt haben, dann wäre das Ergebnis deutlicher gewesen (vielleicht wurde gerade deshalb nicht so gefragt, obwohl dies naheliegend wäre). Rechnet man diejenigen heraus, die „keine Partei“ angaben, dann ergibt sich folgendes Bild:

42% Grüne
24% SPD
14% CDU/CSU
12% FDP
6% Linke
Die AfD kam bei dieser Befragung nicht vor.

Ende der 90er Jahre, als ich Journalist bei der Tageszeitung „Die Welt“ war, hielten wir redaktionsintern eine Wahl ab. Mehr als 60 Prozent der Journalisten wählten SPD oder Grüne. Und das bei einer Tageszeitung, die allgemein eher als „konservativ“ gilt.

Augstein und Blome

Die Linksverschiebung im politischen Spektrum Deutschlands kann man leicht erkennen, wenn man sich sonntags auf Phoenix die Sendung „Augstein und Blome“ anschaut. Ich sehe den 15-minütigen Schlagabtausch zwischen beiden gerne. Es wird suggeriert, hier stünde „links“ gegen „rechts“. Tatsache ist: Augstein steht extrem weit links. Neulich musste er bei einer Diskussion mehrfach betonen, er sei „nicht Pressesprecher der Linken“. Seit Jahren kämpft er vehement für ein rot-rot-grünes Bündnis. Ist Blome ebenso rechts wie Augstein links? Dann müsste er der AfD nahestehen. Das ist jedoch nicht der Fall. Blome, den ich aus meiner Zeit bei der „Welt“ kenne (später war er beim „Spiegel“, heute bei „Bild“) ist alles andere als rechts. Er ist ein typischer Mann der Mitte.

Der Geist steht links

Bei allen Unterschieden zwischen den Augstein und Blome haben sie etwas gemeinsam: Beide haben Geisteswissenschaften studiert – Blome Geschichte und Politik, Augstein Politik, Germanistik und Theaterwissenschaften. Das sind typische Studienfächer für Journalisten. Sie sind meist wirtschaftsfern, haben in der Regel Fächer wie Politikwissenschaft, Kulturwissenschaft, Soziologie, Geschichte, Journalistik, Germanistik usw. studiert. In diesen Studienfächern dominieren Professoren und Studenten, die links denken. Das ist kein deutsches Phänomen, sondern trifft weltweit zu. Selbst bei einer Befragung von Wirtschaftsprofessoren in den USA (kein typisch „linkes“ Fach), war die Zahl derer, die angaben Demokraten zu wählen, drei Mal höher als die Zahl derjenigen, die Republikaner wählen.

Bei Unternehmern und Managern spiegelverkehrt

Je wirtschaftsnäher eine Berufsgruppe ist, desto mehr unterscheidet sich die Gesinnung von jener der Journalisten. Bei einer 2015 veröffentlichten Studie der Politikwissenschaftler Franz Walter und Stine Marg antworteten Unternehmer und Manager auf die Frage, was sie bei der letzten Bundestagswahl gewählt hätten:

54,9% CDU
23% FDP
14,8% SPD
5,7% Grüne
0,8% Linke
0,8% Piraten

Ich war in den 90er Jahren Journalist und bin seit dem Jahr 2000 in der Immobilienbranche aktiv. Daher kann ich sehr gut vergleichen, wie das politische Stimmungsbild in den Medien und in der Wirtschaft ist. Die „Immobilien-Zeitung“ führt im Umfeld der Bundestagswahlen Befragungen in der Immobilienbranche durch. Auf die Frage: „Wenn heute Bundestagswahl wäre, welcher Partei würden Sie Ihre Stimme geben?“, antworteten 2009 42% FDP, 29% CDU/CSU, 14% Grüne und 9% SPD. Bei der Befragung vor der Bundestagswahl 2013 lagen CDU/CSU bei 46%, die FDP immerhin noch bei 18%, die SPD bei 11%, die Grünen bei 9% und die AfD bei 8%.

Selten gelogen, aber oft einseitig berichtet

Laut einer im vergangenen Jahr durchgeführten Allensbach-Umfrage ist die Mehrheit der Deutschen der Ansicht, die Medien zeichneten kein zutreffendes Bild der Flüchtlinge. Immerhin 39 Prozent der Befragten waren der Ansicht, an dem Vorwurf der „Lügenpresse“ sei etwas dran, Medien verdrehten Sachverhalte und verheimlichten wesentliche Informationen. In Ostdeutschland, wo man nach Jahrzehnten sozialistischer Indoktrination in dieser Hinsicht besonders sensibel ist, sehen das sogar 44 Prozent so.

Der Begriff „Lügenpresse“ suggeriert, dass Journalisten bewusst die Unwahrheit sagen. Das dürfte jedoch selten der Fall sein. Nicht weniger gefährlich als eine bewusste Lüge, die man einfach widerlegen kann, ist eine tendenziöse Berichterstattung. Das spiegelt sich beispielsweise in der Sprache wider, wenn pauschal in Medien alle Einwanderer als „Flüchtlinge“ bezeichnet werden, auch wenn viele davon gar keine sind. Oder wenn in den „tagesthemen“ überproportional oft weinende Flüchtlingsmädchen gezeigt werden, obwohl das vermutlich die kleinste Gruppe unter den Zuwanderern ist. Oder wenn über jede Lüge von Donald Trump breit und im Brustton der Entrüstung berichtet wird, über die Lügen von Hillary Clinton jedoch viel weniger und ohne empörenden Tonfall. Oder wenn der Parteiname der AfD stets mit dem Zusatz „rechtspopulistisch“ erwähnt wird, bei der Linken jedoch nie der Zusatz „linkspopulistisch“ genannt wird. Oder wenn die Moderatoren in der Talkshow mit dem – zugegebenermaßen als Menschen sympathischen – Gregor Gysi locker-lustig scherzen, bei AfD-Vertretern aber inquisitorisch fragen.

Die Einseitigkeit der Berichterstattung hängt mit dem Selbstverständnis und der politischen Einstellung von Journalisten zusammen. Renate Köcher, die Leiterin des renommierten Allensbacher Institutes für Demoskopie, hat schon vor 30 Jahren in ihrer Doktorarbeit das „missionarische“ Selbstverständnis der Journalisten herausgearbeitet. Ihre Dissertation nannte sie „Spürhund und Missionar“ – es war eine vergleichende Untersuchung über Berufsethik und Aufgabenverständnis britischer und deutscher Journalisten. 95 Prozent der deutschen Journalisten, so ein Ergebnis der Untersuchung, sahen sich vor allem als „Kritiker an Missständen“. Was ein „Missstand‘ ist, sieht derjenige, der linksgrün denkt, natürlich ganz anders als ein Liberaler oder Rechter. Wer sich für diese Zusammenhänge interessiert, kann sie in meinem Buch „Wohin treibt unsere Republik?“ in den Kapiteln VI. und VII. über Medien und Intellektuelle nachlesen. Auch wenn ich das Buch schon vor 20 Jahren geschrieben habe, hat sich in dieser Beziehung (leider) seitdem nichts verändert.

„Dass nicht sein kann, was nicht sein darf“

Die Gleichförmigkeit im Denken vieler Journalisten ist weder ein Ergebnis von Zensur oder „Gleichschaltung“, wie uns das manche rechten Verschwörungstheoretiker suggerieren wollen. Absurd ist die Vorstellung, Journalisten folgten geheimen Anweisungen dunkler Mächte. Die weitgehende Gleichförmigkeit der Berichterstattung ist vielmehr ein Ergebnis ihrer universitären Prägung und hat vor allem etwas mit Konformitätsdruck in Gruppen zu tun. Wer als Journalist rechts steht, ist Außenseiter in der Medienzunft – wer links ist, steht in Übereinstimmung mit der Meinung der übergroßen Mehrheit seiner Berufskollegen. Die meisten Menschen mögen es nicht, Außenseiter in einer Gruppe zu sein.

Dennoch will ich nicht bestreiten, dass es Beispiele von Selbstzensur gibt. Ein Beispiel ist die Diskriminierungsrichtlinie 12.1. des Deutschen Presserates, der gerade sein 60-jähriges Jubiläum feierte. Jeder Journalist, der in einem Artikel über eine Straftat die Nationalität des Verbrechers benennt, verstößt damit gegen die Richtlinie des Presserates und riskiert eine Rüge. Es sei denn, es bestehe „für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug“. Wann das der Fall ist, soll jedoch nicht etwa der Leser entscheiden, sondern der Journalist. Der Journalist entscheidet also, ob er die Information, dass ein Einbrecher Rumäne war, erwähnt oder nicht. Kommt er zu dem Ergebnis, dass die Nennung der Nationalität für das Verständnis des Vorgangs nicht zwingend sei, muss er die Nationalität verschweigen.

Die Richtlinie soll „Minderheiten vor Vorurteilen schützen“. Das nenne ich Bevormundung. Sind die Leser und Zuschauer nicht selbst in der Lage, die Fakten zu bewerten? Ist es schon ausländerfeindlich, wenn jemand erwähnt, dass 28 Prozent der Gefängnisinsassen Ausländer sind, während der Anteil an der Gesamtbevölkerung nur bei 9,7 Prozent liegt? Leider hat man oft den Eindruck, das Motto vieler Journalisten lautet so wie bei Christian Morgensterns Palmström: „Und also schließt er messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.“


24 Besprechungen, Interviews und Artikel zu Rainer Zitelmanns aktuellem Buch "Reich werden und bleiben": http://www.reichwerdenundbleiben.net/

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.