10. Wahlbericht aus den USA:
Trumps größte Schwäche

Erschienen am 7. Juni 2016

In den USA schlagen die Wellen hoch. Nicht nur jene Medien und Politiker, die Trump gegenüber ohnehin ablehnend gegenüberstehen, sondern auch jene, die ihm sehr wohl gesonnen sind, kritisieren ihn scharf. Trump hatte einem Richter mexikanischer Abstammung Voreingenommenheit vorgeworfen. Es ging dabei um ein mögliches Verfahren wegen Betrugsvorwürfen gegen die sogenannte Trump-Universität.

Die Empörung über Trumps Äußerung ist gerechtfertigt. Der Richter ist ein Amerikaner wie Trump auch. Ihm zum Vorwurf zum machen, dass seine Eltern Mexikaner sind, ist absurd. In dem konservativen Sender FOX News argumentierten republikanische Politiker: Man habe sich immer wieder gegen die von Vertretern der „Black Life matters“-Bewegung vorgetragene Argumentation gewandt, wonach weiße Richter oder Geschworene nicht unvoreingenommen gegenüber Farbigen sein könnten. Und nun folge Trump genau dem gleichen Argumentationsmuster, nur eben umgekehrt, indem er einem Richter mexikanischer Abstammung nur allein deshalb Voreingenommenheit vorwerfe.

Trumps größte Schwäche ist, dass er sich inzwischen für absolut unverwundbar hält. Nach zahlreichen provokanten Äußerungen, die ihm in der Wählergunst nicht geschadet haben, hatte er öffentlich erklärt, er könne mitten auf der 5th Avenue jemanden erschießen und seine Anhänger würden es ihm nicht übel nehmen. Diese Äußerung ist ein Zeichen von Hybris.

Trump beherrschte früher die Taktik der kalkulierten Provokation. In der kritischen Trump-Biografie „Never Enough. Donald Trump and the Pursuit of Success“ von Michael D’Antonio heißt es: „Trump was willing to say and do almost anything to satisfy his craving for attention. But he also possessed a sixth sense that kept him from going too far.“ (S. 255)

Diesen „sechsten Sinn“ hat Trump inzwischen anscheinend verloren. Er hatte stets ein extrem ausgeprägtes Selbstbewusstsein, doch durch seinen Erfolg bei den Vorwahlen ist dieses in Hybris umgeschlagen.

Trump stößt mit seinen Provokationen auch seine stärksten Verteidiger – so etwa den Republikaner Newt Gingrich – vor den Kopf, der ihn deshalb öffentlich kritisierte. Trump zeigt sich jedoch uneinsichtig. Auf die Frage eines CBS-Reporters, ob auch ein muslimischer Richter voreingenommen urteilen würde, antworte Trump: „Ja, das wäre wahrscheinlich. Absolut.“ Dabei war es Trump gerade gelungen, rascher als erwartet, weite Teile seiner Partei hinter sich zu scharen. Nun verprellt er die soeben erst gewonnen Unterstützer; und sein Verhalten ist Wasser auf die Mühlen von Hillary Clinton, die ihn als unbeherrschte und unberechenbare Persönlichkeit kritisiert hat.

Es bleibt abzuwarten, wie es weitergeht: Entweder Trump erkennt anhand der Reaktionen auf seine jüngsten Äußerungen, dass er sich zusammenreißen muss. Oder aber er wird früher oder später einen so großen Fehler machen, dass er sich um Kopf und Kragen redet. Der größte Feind von Donald Trump heißt auf jeden Fall weder Clinton noch Sanders, sondern Trump.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.