Die Chancen, dass der Linkspopulist Bernie Sanders doch noch zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten nominiert wird, sind denkbar gering. Dennoch hat er mit seinen sozialistischen Parolen die Wahlen in den USA entscheidend beeinflusst, denn sowohl Hillary Clinton wie auch Donald Trump buhlen um die Anhänger des Sozialisten.
Zu Recht beklagt Sanders, dass das Wahlsystem der demokratischen Partei mit den sogenannten „Superdelegierten“, denen Hillary Clinton ihren großen Vorsprung verdankt, ungerecht ist. Geändert wird dieses System jedoch mit Sicherheit nicht. Die letzte Hoffnung von Sanders ist, dass Clinton wegen ihrer E-Mail-Affäre angeklagt wird. Auch dies ist jedoch unwahrscheinlich.
Sanders hat bislang nicht aufgegeben, und er wird dies vor den Vorwahlen in Washington D.C. am 14. Juni mit Sicherheit auch nicht tun. Warum, so wird immer wieder gefragt, hat Sanders nicht längst aufgegeben, wenn doch seine Chancen, als Kandidat der Demokraten nominiert zu werden, fast Null sind?
Sanders hat in den USA eine linke Bewegung ins Leben gerufen, die schon jetzt die Positionen der anderen Kandidaten maßgeblich beeinflusst. Hillary Clinton, die traditionell zumindest in der Wirtschaftspolitik keine linken Positionen innerhalb der demokratischen Partei vertritt, ist bereits weit nach links gerückt. Besonders glaubwürdig ist dies allerdings nicht, da ihre Nähe zur „Wallstreet“ bekannt ist und sie von zahlreichen Milliardären und Wallstreet-Firmen massiv unterstützt wird.
Gleichwohl hat Sanders den politischen Diskurs schon massiv beeinflusst. Beispiel Mindestlohn: Sanders fordert, dass der Mindestlohn in den USA von derzeit 7,25 Dollar auf 15 Dollar verdoppelt wird. Sein absurdes Argument: „Increasing the min. wage to $ 15 an hour would reduce spending on food stamps, public housing and other programs by over $ 7.6 billion a year.“ Clinton fordert ebenfalls eine drastische Anhebung des Mindestlohnes, den sie zwar nicht verdoppeln, aber um mehr als 50 Prozent auf zwölf Dollar erhöhen will. Auch Trump hat sich für eine Erhöhung des Mindestlohnes offen gezeigt. Allerdings hat er darauf hingewiesen, dass die Lebenshaltungskosten in den einzelnen US-Bundesstaaten sehr unterschiedlich hoch sind und plädiert daher dafür, dass die einzelnen Bundesstaaten die Höhe bestimmen sollen.
Sanders Bewerbung hat dazu beigetragen, den sozial- und wirtschaftspolitischen Diskurs im Wahlkampf massiv nach links zu verschieben. Der Grund: Sowohl Clinton wie auch Trump buhlen nun um die Gunst der Sanders-Anhänger. Trump hat mehrfach wirtschaftpolitische Positionen von Sanders – so etwa dessen Kritik an den Freihandelsabkommen – öffentlich gelobt. Trump schont Sanders, wie er selbst öffentlich einräumt, weil er dessen Wähler gewinnen will.
Trump und Clinton schielen vor allem auf die sogenannten „Millennials“, also auf junge Wähler, bei denen Sanders besonders beliebt ist. Nach einer Umfrage von YouGov bevorzugen 52 Prozent der Amerikaner den „Kapitalismus“ gegenüber dem „Sozialismus“, für den 29 Prozent Sympathien bekunden. Bei den jungen Wählern unter 30 Jahren dagegen erklärten 43 Prozent, sie hielten eine sozialistische Wirtschaftsordnung für besser als eine kapitalistische Wirtschaftsordnung, für die nur 32 Prozent der jungen Wähler eintraten. Nach einer Umfrage des renommierten Gallup-Institutes sagten sogar 70 Prozent der jungen Wähler unter 30, sie könnten sich vorstellen, für einen sozialistischen Kandidaten zu stimmen, während dies bei den Wählern über 65 Jahren nur 34 Prozent waren.
Trump, der besonders bei weiblichen Wählern, bei Schwarzen und Latinos unbeliebt ist, setzt auf weiße Arbeiter, die sich Sorgen um ihre wirtschaftliche Lage machen. Er sieht sich als „Sprecher der schweigenden Mehrheit“, um die sich die demokratische Partei zu wenig gekümmert habe, deren Aufmerksamkeit vor allem der Artikulation der Interessen von Minderheiten gilt.
Trump selbst hat keinen klaren marktwirtschaftlichen Kompass. Im Laufe seiner Karriere hat er abwechselnd immer wieder marktwirtschaftliche und antikapitalistische Positionen vertreten. So hatte er sich Anfang der 90er Jahre in einer Anhörung vor dem US-Kongress dafür ausgesprochen, die von Ronald Reagan durchgeführten Steuersenkungen rückgängig zu machen und den Spitzensteuersatz auf 50 oder 60 Prozent zu erhöhen (vgl. Michael D’Antonio, Never Enough, NY 2015, S. 222). Seine Ablehnung des Freihandels ist einer der Gründe, warum ihm die Marktwirtschaftler unter den Republikanern sehr reserviert gegenüberstehen.
Öffentlich hat Trump kürzlich erklärt, er sehe die Zukunft der Republikaner nicht als konservative Kraft, sondern als „Arbeiterpartei“. In einem Interview mit Bloomberg erklärte er: „Five, ten years from now – different party. You’re going to have a worker’s party. A party of people that haven’t had a real wage increase in 18 years, that are angry.“ Die Kürzung von Sozialleistungen wäre ein „big mistake“ für die Republikaner: „Cutting it the wrong way is a big mistake, and even cutting it at all“, so Trump.
Mit solchen Äußerungen schielt Trump natürlich vor allem auch auf Sanders-Anhänger. Was werden die Sanders-Wähler tun? Zuhause bleiben und nicht wählen gehen? Zähneknirschend die von ihnen als Vertreterin der Wallstreet bekämpfte und verachtete Hillary Clinton wählen, um vor allem einen Präsidenten Trump zu verhindern? Wie viele Sanders-Anhänger werden zu Trump überwechseln, weil sie damit ihrem Protest gegen das „Washingtoner Establishment“ zum Ausdruck bringen wollen? Von der Beantwortung dieser Fragen wird der Ausgang der Wahlen mit abhängen.
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