Die Wissenschaft von der Vermietung einer Wohnung

Erschienen am 6. Oktober 2014

Eine neue Wissenschaft wurde geboren. Die Wissenschaft von der Vermietung einer Wohnung. Das Basisdokument dieser Wissenschaft umfasst 44 engbedruckte Seiten. Verfasser sind die Bundesministerien der Justiz und für Verbraucherschutz. Der Titel des Dokumentes lautet: „Entwurf eines Gesetzes zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnraumvermittlung.“

Beginnen wir mit dem Positiven. Die tolle Nachricht für Bauträger lautet: „Wohnungen, die nach dem 1.Oktober 2014 erstmals genutzt und vermietet werden, sind von der Mietpreisbegrenzung ausgenommen.“ Projektentwickler, die im Wohnungsneubau tätig sind, brauchen alles andere nicht zu lesen, weil es sie nicht betrifft. Sie müssen jetzt nur diesen einen Satz werbewirksam auf die Exposés für ihre Neubauwohnungen schreiben. Sie genießen künftig ein wertvolles Privileg.

Bestandshaltern wird dagegen das Leben schwer gemacht. In der Begründung zu dem Gesetzentwurf, den die Beamten der beiden Ministerien verfasst haben, heißt es: „Die Möglichkeit der Eigentümer bzw. Vermieter, mit dem Eigentum an Mietwohnungen nach Belieben zu verfahren und es wirtschaftlich nach Belieben zu nutzen, wird im notwendigen Maße eingeschränkt.“ Diese Formulierung ist absurd. Hier wird so getan, als habe es bisher gar keine Regulierung und Reglementierung des Wohnungsmarktes gegeben, als gebe es keine Kappungsgrenze (die mehrmals von 30 auf 15 Prozent gesenkt wurde!), als gebe es keinen § 172 im Baugesetzbuch (Erhaltungssatzungen, Milieuschutzgebiete), als gebe es keinen ausgeprägten Kündigungsschutz für Mieter usw.usf. Die in der Formulierung implizit enthaltene Behauptung, bisher habe es die reine und durch keine Regeln eingeschränkte Marktwirtschaft im deutschen Wohnungsmarkt gegeben, ist absurd!

Auf Wohnungseigentümer kommt nunmehr ein hochkompliziertes, extrem streitanfälliges Gesetz zu. Das geben auch die Beamten zu, die den Gesetzentwurf geschrieben haben. Hier heißt es ausdrücklich:

„Hierdurch (also durch die Mietpreisbremse, R.Z.) können für Vermieter und Mieter zusätzliche Kosten durch die Beauftragung von Rechtsanwälten entstehen“. Zudem sei mit einer „Häufung von Zivilprozessen“ zu rechnen, so heißt es. „Der Umfang solcher Streitigkeiten und der dadurch voraussichtlich entstehenden Kosten ist mangels ausreichender Schätzgrundlagen nicht prognostizierbar.“

Im Gesetzentwurf setzen sich die Beamten der Bundesministerien der Justiz und für Verbraucherschutz ausführlich mit der „Vereinbarkeit mit den Maßgaben des Grundgesetzes“ auseinander. Es wird eingeräumt, dass Vorschriften problematisch sein könnten, welche „die Wirtschaftlichkeit der Vermietung ernstlich in Frage stellen“. Hier wird aus einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zitiert. Jedenfalls, so hat es das höchste deutsche Gericht klargestellt, sei die Grenze für eine zulässige Regulierung dann überschritten, wenn Mietpreisbindungen auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter oder zur Substanzgefährdung der Mietsache führen würden.

In dem Referentenentwurf wird dann jedoch pauschal und ohne jede Beweisführung behauptet, diese Grenzen würden mit dem Gesetz nicht überschritten. Eine jüngst von Wertgrund veröffentlichte Studie zeigt jedoch eindeutig, dass bereits heute die vom Bundesverfassungsgericht als Grenze genannte Wirtschaftlichkeit der Vermietung für eine Mehrheit der Vermieter ernstlich in Frage gestellt ist. Denn mehr als die Hälfte der Immobilieneigentümer erzielt bereits heute eine Rendite von weniger als 2%! Die Grenzen der Belastbarkeit sind also auch ohne dieses Gesetz längst überschritten.

Doch damit nicht genug: Es kommt ein riesiger Aufwand auf Immobilieneigentümer zu:

Die Verfasser des Gesetzentwurfes schätzen, dass der künftig notwendige Zeitaufwand, um die Miethöhe unter Berücksichtigung der gesetzlichen Neuregelung zu ermitteln, zwei Stunden betrage. Dieser Extraaufwand entstehe durch die Befassung mit den Bewertungskriterien, beispielsweise auf Grundlage eines Mietspiegels sowie durch die Notwendigkeit, entsprechende Informationen über die Wohnung zu sammeln und diese in das zulässige Preisgefüge ordnungsgemäß einzuordnen. Bei den von den Beamten des Ministeriums geschätzten 424.000 Fällen, in denen künftig solche Berechnungen unter Berücksichtigung der Mietpreisbremse vorgenommen werden müssten, ergibt sich also ein zusätzlicher Zeitaufwand von 848.000 Stunden.

Wenn der Mieter, wie im Gesetz vorgesehen, Auskunft über die für die Festsetzung der Miethöhe maßgeblichen Umstände verlange (z.B. die Herausgabe der Kopie eines Mietvertrages mit dem Vormieter, um zu prüfen, wie hoch die Miete war) sei eine „Aufarbeitung der bereits vorhandenen Preiskalkulation in Textform nötig, wofür ein Zeitaufwand von 45 Minuten plausibel erscheint“. Die Beamten schätzen, dass solche Zusatzarbeiten bei jedem dritten Fall notwendig werden. Daraus ergibt sich laut Kalkulation der Beamten eine weitere Belastung von 106.000 Stunden für die Vermieter.

Das heißt: Nur um die unsinnige, rein ideologisch motivierte Mietpreisbremse umzusetzen, müssen wir Immobilieneigentümer ab jetzt Jahr für Jahr 954.000 Überstunden leisten! Was könnte man in diesen eine Million Stunden Sinnvolles tun! Keine einzige neue Wohnung wird dadurch geschaffen.

Viel Beachtung fand eine Regelung im Mietpreisbremsen-Gesetz, wonach Wohnungen, die „umfassend“ modernisiert wurden, von der Neuregelung ausgenommen sind. Dabei bleibt unklar, wann eine „umfassende“ Modernisierung vorliegt und wann nicht. In der Begründung des Gesetzes finden sich dazu einige Überlegungen. Nur: Diese haben keinerlei rechtliche Bindekraft. Vor Gericht kann sich kein Vermieter auf eine Gesetzesbegründung berufen, sondern hier gilt nur der Wortlaut des Gesetzes. Und der sagt rein gar nichts darüber aus, was eine „umfassende“ Modernisierung ist.

Ebenso enthält er nichts darüber, wie die „ortsübliche Vergleichsmiete“ zu ermitteln ist, obwohl dies der zentrale Begriff in dem Gesetz ist! Ein Beispiel: Ich besitze Wohnungen in Bremen und in Berlin. In Bremen gibt es gar keinen Mietpreisspiegel. Wie soll ich dort die „ortsübliche Vergleichsmiete“ berechnen, wenn ich eine Wohnung neu vermiete?! Wenn ich es falsch mache, drohen mir Bußgeldzahlungen und Rückforderungsansprüche des Mieters. Aber woher weiß ich, wie ich es richtig mache?

Im Gesetzentwurf schreiben die Beamten dazu: „Steht kein örtlicher Mietspiegel zur Verfügung, so hat er (der Vermieter) Schwierigkeiten, die zulässige Miete zu ermitteln. Auch für den Mietinteressenten entstehen dann Probleme, die Berechtigung der Mietforderung zu überprüfen. Hilfestellungen können in diesen Fällen Vergleichsdatenbanken von Vermieter- oder Mieterverbänden sowie vergleichbare statistische Erhebungen zur ortsüblichen Vergleichsmiete bieten.“ Das heißt, vom Vermieter in Bremen – und den vielen anderen Städten, in denen es keinen qualifizierten Mitspiegel gibt – wird ein umfangreiches Research erwartet, bevor er eine Wohnung vermietet. Der Vermieter wird zum Immobilien-Researcher, die Vermietung einer Wohnung wird eine Wissenschaft.

In Berlin ist das anders als in Bremen. Dort gibt es einen Mietpreisspiegel. Doch stimmt der auch? Hier sind erhebliche Zweifel angebracht. In einem Mieterhöhungsverfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg wurde Professor Walter Krämer vom Institut für Wirtschafts- und Sozialstatistik der Technischen Universität Dortmund als Gutachter bestellt. Sein Gutachten zeigt, dass der Berliner Mietspiegel keineswegs nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist. Genau das fordert jedoch § 558 d Abs.1 BGB für einen qualifizierten Mietspiegel.

Der Gutachter wies nach, dass die Stichprobe, auf der der Berliner Mietspiegel beruht, nicht repräsentativ ist. Es wurden für den Berliner Mietspiegel des Jahres 2013 12.000 Datensätze von über einer Million Wohnungen ausgewertet. Das wären an sich genug, aber tatsächlich antworteten nur 4000 Mieter und es sei offensichtlich, dass nicht alle Bevölkerungsgruppen in gleichem Maße antworteten. Dies führe zu einer erheblichen statistischen Verzerrung, so der Statistik-Professor.

Der Professor wies weitere grobe Statistik-Fehler nach: Bruttomieten wurden falsch in Nettomieten umgerechnet, die Extremwertbereinigungen wurden falsch durchgeführt, die Spannengrenzen sind zu ungenau und Sondermerkmale wurden nicht richtig berücksichtigt. All das entspreche „nicht dem Standard der modernen mathematischen Statistik“, so die schallende Ohrfeige, die der Statistik-Professor den Verfassern des Berliner Mietspiegels gibt. Auch sei die Aufteilung des Berliner Stadtgebietes in nur drei Wohnlagen willkürlich. „Hier werden Äpfel und Birnen in einen Topf geworfen“, so der Statistik-Professor. Aus der Sicht der Statistik sei es dringend erforderlich, die Wohnlagen in Innen- und Außenbezirke aufzuteilen.

Man sieht also: Der Streit zwischen Mietern und Vermietern bei der Vereinbarung der Miete ist bereits programmiert! Denn niemand weiß sicher, wie der zentrale Begriff in dem Gesetz, die ortsübliche Vergleichsmiete, bestimmt bzw. wie diese Miete ermittelt wird.

Es ist nicht ganz einfach, auf den 44 Seiten etwas zu finden, das zugleich klar und erfreulich ist. Neben dem oben zitierten Satz über die Ausnahmeregelung für den Neubau sind das einige Passagen, die sich mit der Modernisierung befassen. Wohlgemerkt, nicht mit der „umfassenden Modernisierung“, die – wie der Neubau – dazu führt, dass die ganze Regelung nicht angewendet wird, sondern mit Modernisierungen unterhalb der Schwelle einer „umfassenden“ Modernisierung.

Der Gesetzentwurf enthält Bestimmungen für den Fall, dass der Vermieter vor Vertragsschluss Modernisierungen vorgenommen hat, die sich nicht in Mieterhöhungen niedergeschlagen haben. Nach der heute geltenden Rechtslage könnte der Vermieter Modernisierungsaufwendungen, die in der Phase des Leerstandes vorgenommen wurden, nicht auf die mit dem nächsten Mieter vereinbarte Miete umlegen. Und nach Einführung der Mietpreisbremse dürfte er dann eben nur noch eine Miete verlangen, die nicht höher ist als die vom Vormieter der (unmodernisierten) Wohnung geschuldete Miete bzw. maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete.

Der Gesetzentwurf sieht jedoch vor, dass in Fällen, wo der Vermieter die Wohnung vor Einzug des neuen Mieters modernisiert hat, Mieter und Vermieter eine höhere Miete vereinbaren dürfen, und zwar in der Höhe, die der Vermieter hätte erzielen können, wenn er die Modernisierungskosten nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen in einem bestehenden Mietverhältnis umgelegt hätte.

Bis auf diese erfreuliche Ausnahmeregelung habe ich jedoch wenig Erfreuliches in dem Gesetzentwurf gelesen. Vieles bleibt unbestimmt, und wir werden am 3. November einen ganzen Tag brauchen, um zusammen mit Mietrechtsexperten herauszufinden, wie das Gesetz in der Praxis anzuwenden ist. Ich lade Sie alle ein, zur BERLINER IMMOBILIENRUNDE am 3. November zu kommen. Sie werden sehen, dass leider der Teufel im Detail steckt und künftig aus der Vermietung einer Wohnung eine Wissenschaft wird. („Jetzt wird es ernst – das Gesetz zur Mietpreisbremse“ Am 3. November 2014 findet zu diesem Thema eine Veranstaltung der BERLINER IMMOBILIENRUNDE statt. Fordern Sie das Programm an unter: info@immobilienrunde.de.)

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.