Die Zukunft der Immobilien-AG in Deutschland hat erst begonnen

Erschienen am 8. Dezember 2014

Hut ab vor Rolf Buch von der Deutschen Annington! Das war ein toller Coup und er wird zur Bildung eines Unternehmens führen, das mittelfristig die Chance hat, in den DAX aufzusteigen. Nach der Fusion von GSW und Deutscher Wohnen ist die von Deutscher Annington und Gagfah schon der zweite große Zusammenschluss. Auch bei den kleineren börsennotierten Wohnungsgesellschaften hat die Fusionswelle bereits begonnen und wird weitergehen.

Darüber hinaus werden weitere Wohnungsgesellschaften den Gang an die Börse wagen. Und die heute noch kleineren Gesellschaften werden weiter wachsen – organisch oder durch Übernahmen. Kleinere Gesellschaften sind dabei, ihre Bestände rasch und kräftig aufzubauen – so etwa Grand City, Adler oder Westgrund.

Erinnern Sie sich noch an die REIT-Diskussion? Damals gelang es der SPD-Linken, den Wohnungs-REIT zu verhindern. Als einziges REIT-Land auf der ganzen Welt wurden in Deutschland REITs mit Bestandswohnungen verboten. Der Grund war natürlich (wieder einmal) die sogenannte „soziale Gerechtigkeit“ wie sie vom Deutschen Mieterbund verstanden wird. Ironischerweise sind dennoch börsennotierte Wohnimmobilien-AGs derzeit die dominierenden Vehikel unter den gelisteten Immobiliengesellschaften. Der Immobilienwert der deutschen börsennotierten Immobilien-AGs beträgt inzwischen schon mehr als 70 Milliarden Euro. Davon entfallen etwa 80% auf börsennotierte Wohnimmobilien-AGs.

Ich verstehe die deutschen institutionellen Investoren überhaupt nicht! 95% der Aktionäre der großen Wohnungs-AGs sind Ausländer. Offenbar sind die cleverer als viele deutsche Investoren. Die Institutionellen in Deutschland haben vor etwa zehn Jahren einen Großteil ihrer Wohnungen verkauft (natürlich zu einem Zeitpunkt, als die Preise ganz weit unten waren). Fast alle (mit Ausnahme von Gerling) waren damals auf der Verkäuferseite. Wohnungen galten als langweilig und renditeschwach. Seit einigen Jahren fangen sie wieder an, in Wohnungen zu investieren (seit die Preise massiv gestiegen sind).

Die Klugen unter den Institutionellen haben mit der Patrizia zusammen investiert, z.B. in die bayerische Wohnungsgesellschaft GBW AG. Der Kurs der Patrizia hat sich seit 2011 verdreifacht. Oder sie investieren in Wohnungs-Spezialfonds, die von Spezialisten wie Wertgrund, Patrizia, d.i.i. oder Industria gemanagt werden. Andere kaufen direkt Wohnungsanlagen und verstärkt auch Neubau-Projektentwicklungen im Wohnungsbereich.

Aber warum, bitte sehr, lasst ihr die börsennotierten Wohnimmobilien-AGs links liegen? Alle Versicherungen, Versorgungswerke, Pensionskassen und Stiftungen reden davon, dass sie ihre Wohnungsbestände ausbauen wollen. Das erfolgt jedoch nur in homöopathischen Dosen. Aber warum hat nicht z.B. eine Allianz, die verkündet hat, verstärkt in Wohnungen zu investieren, versucht, eine GSW oder auch eine Gagfah zu übernehmen? Ja, warum eigentlich nicht?? Oder eine Ergo? Oder eine Gothaer? Damit wäre die Wohnimmobilienquote signifikant gestiegen.

In den USA und in Asien ist es ganz normal, dass Institutionelle in börsennotierte Immobilien-AGs (vor allem in REITs) investieren. In Deutschland ist das leider noch eine seltene Ausnahme. Selbst gute REIT-Fonds, die es in Deutschland auch gibt, werden viel zu wenig beachtet. Der SEB-REIT-Fonds musste kürzlich sogar wegen mangelndem Investoreninteresse wieder aufgelöst werden.

Das Dilemma in Deutschland: Institutionelle Investoren haben oft eine sehr, sehr einfache Denkweise: „Immobilie = sicher. Sicher = geringstmögliche Volatilität. Aktie = volatil. Deshalb bitte keine Immobilienaktien…“ Das ist natürlich absurd. Jemand wie Warren Buffett hat immer jeden ausgelacht, der Volatilität mit Unsicherheit gleichsetzt. Das ist eine Gleichung für sehr, sehr einfach gestrickte Gemüter.

Würde man eine Immobilien-Aktie von Gutachtern nur ein Mal im Jahr bewerten lassen, statt jede Sekunde an der Börse, dann wäre sie auch weniger volatil. Ist das gleiche Asset besser oder schlechter, nur weil es anders verpackt ist (also z.B. in einen Spezialfonds statt in eine börsennotierte AG?) Ist ein Asset nur deshalb besser, weil es seltener bewertet wird und daher stabiler bzw. weniger volatil erscheint? Sind denn Wohnungen weniger gut, wenn sie von einer AG mit einem fähigen Management gehalten werden als wenn sie von einer Versicherung in Eigenregie gemanagt werden?

Ein anderer Punkt: Es fehlen nicht nur die deutschen Investoren, die massiv in Immo-AGs investieren. Es fehlen auch große, fokussierte börsennotierte Gewerbeimmobilien-AGs. Im Einzelhandelsbereich gibt es neben der Deutschen Euroshop nur ganz wenige, kleine Player, darunter durchaus gute Gesellschaften wie etwa die VIB. Im Bürobereich fehlt nach dem Ausfall der IVG der Platzhirsch. Kann die Deutsche Office das werden? Ich erwarte in den nächsten Jahren nicht nur den Börsengang und weitere Übernahmen im Segment der Wohnungsgesellschaften, sondern ich erwarte auch die Etablierung neuer Gewerbeimmobilien-AGs. Wo bleibt der große Einzelhandels-REIT? Wo bleibt der große Büro-REIT? Wo bleibt der REIT für Unternehmensimmobilien und Logistik-Immobilien?

Meine These: Diese Gesellschaften gäbe es längst, wenn die Institutionellen in Deutschland solche Vehikel nachfragen würden. Das ist aber leider nicht der Fall. Heute sind es fast ausschließlich angelsächsische Investoren, die in deutsche Immobilien-AGs investieren (und noch einige Schweizer und Holländer).

Deshalb habe ich mich gefreut, dass jetzt große Immobilien-AGs wie Deutsche Wohnen/GSW und Deutsche Annington/Gagfah entstanden sind, die auch dem Letzten, der es noch nicht verstanden hat, zeigen: Die Zukunft der Immobilien-AG in Deutschland hat schon begonnen.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.