Rot-rot-grün – Rotpause für Deutschland

Erschienen am 8. Dezember 2014

Die Wahl von Bodo Ramelow zum ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei hat die Frage aufgeworfen, ob rot-rot-grün eine Blaupause oder vielmehr Rotpause für den Bund sein könnte. Diese Frage bewegt natürlich auch die Wirtschaft massiv – und niemandem in der Immobilienwirtschaft kann dies gleichgültig sein. Meine Antwort auf diese Frage ist: Ja, SPD, Linke und Grüne werden früher oder später auch auf Bundesebene zusammengehen und Deutschland regieren. Die SPD beteuert zwar, die Linke sei auf Bundesebene „derzeit“ nicht koalitionsfähig, doch sie hat nach der letzten Bundestagswahl nicht ohne Grund auf ihrem Parteitag eindeutig beschlossen, dass – anders als bisher – künftig auch ein Zusammengehen mit der Linken auf Bundesebene nicht mehr ausgeschlossen wird.

Erinnern wir uns: Ein erstes Signal für die Kooperation zwischen der Linken (die damals PDS hieß, vorher SED, vorher KPD und heute Linke) erfolgte schon vor 20 Jahren nach den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, als sich die SPD entschloss, statt einer Großen Koalition eine Minderheitsregierung mit den Grünen unter Duldung der PDS zu wagen. Danach hieß es: „Tolerierung ja, aber eine Koalition mit der PDS ist gänzlich ausgeschlossen.“

Entgegen dieser Versicherung gab es jedoch in der Folge mehrere Koalitionen zwischen SPD und PDS/Linke in den ostdeutschen Ländern und in Berlin. Die neue Sprachregelung der SPD lautete dann: „In den ostdeutschen Ländern ist die Linke anders, da kann man das machen, aber in den westdeutschen Ländern und auf Bundesebene nicht.“ Entgegen dieser Versicherung strebte die SPD in Hessen eine Koalition mit der Linkspartei an (die dann allerdings wegen des Widerstandes einiger SPD-Abgeordneter doch nicht zustande kam).

Schließlich ließ sich Hannelore Kraft auch in NRW von der Linkspartei dulden. Und im letzten Schritt beschloss dann der Bundesparteitag der SPD, künftig auch auf Bundesebene keine Koalitionen mehr mit der Linkspartei auszuschließen.

Ähnlich war es übrigens seinerzeit mit den Grünen: Schroff erklärte der hessische Ministerpräsident Holger Börner (SPD), von Beruf Bauarbeiter, früher auf dem Bau habe man solchen Leuten (also den Grünen) „mit der Dachlatte auf den Kopf gehauen“. Das hinderte ihn aber keineswegs daran, als erster Ministerpräsident in Deutschland genau mit dieser Partei zu koalieren. Danach verkündete die SPD immer wieder: Auf Landesebene mit den Grünen – ja. Auf Bundesebene – niemals!

Entgegen dieser Versicherung begründete dann Gerhard Schröder mit den Grünen die erste rot-grüne Koalition auf Bundesebene. Diese rot-grüne Regierung war freilich für Deutschland in mancher Hinsicht gar nicht so schlecht – man denke nur an die Reformen von Schröder. Wäre ein Bündnis mit der Linken auf Bundesebene auch so harmlos? Bestimmt nicht! Die sozialdemokratisch-ökologische Politik, die auch derzeit schon betrieben wird, würde noch sehr viel konsequenter fortgesetzt:

Mit Sicherheit würde von einer rot-rot-grünen Regierung die Vermögenssteuer wieder eingeführt, mit Sicherheit würde der Spitzensteuersatz erheblich erhöht, mit Sicherheit würden alle Reste der Agenda 2010, die von der jetzigen Regierung noch nicht beseitigt wurden, abgeschafft, mit Sicherheit würden der Ökowahn und die für die deutsche Wirtschaft gefährliche „Energiewende“ auf die Spitze getrieben.

Warum ich glaube, dass die SPD nach der nächsten oder spätestens nach der übernächsten Bundestagswahl – vorausgesetzt, sie haben zusammen wieder eine Mehrheit – mit Grünen und Linken koalieren wird?

  1. Die SPD will auch mal wieder den Kanzler stellen. Das geht aber nur mit einem rot-rot-grünen Bündnis. Denn nie mehr wird die SPD stärker als die CDU/CSU werden. Und die SPD hat keine Lust, für die nächsten Jahrzehnte immer nur den Vizekanzler zu stellen.
  2. Ideologisch sind sich SPD, Grüne und Linke in vieler Hinsicht näher als SPD und Union. Der Mindestlohn war eine Idee der Linken – bis die SPD diese Idee übernahm. Auch in zahlreichen anderen Punkten hat sich die SPD in der Zeit nach Schröder der Linken angenähert. Inzwischen schämen sich die meisten SPD-Genossen für die Agenda 2010, obwohl diese eine der wichtigen Ursachen für unseren heutigen Wohlstand ist.

Ideologische, programmatische und machtpolitische Erwägungen zeigen also alle in die gleiche Richtung: rot-rot-grün.

Was hindert Linke, Grüne und SPD heute noch, im Bund zusammenzugehen?

  1. Die fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung. Diese soll jetzt erreicht werden, indem man am Beispiel Thüringen den Bundesbürgern zeigt, wie „harmlos“ dieses Bündnis angeblich ist. Dafür wurde Bodo Ramelow vorgeschickt, der für die Linkspartei jedoch genau so wenig typisch ist wie der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmer für die Grünen.
  2. Differenzen in der Außen-, Sicherheits- und Europapolitik werden von der SPD als Haupthindernis für ein Zusammengehen mit der Linken auf Bundesebene angeführt. Die gleichen Differenzen gab es jedoch auch, bevor die – einstmals streng pazifistischen – Grünen mit der SPD zusammengingen. Der Machtpolitiker Joschka Fischer zwang die Grünen dann jedoch auf einen neuen Kurs, der u.a. das Ja zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr und zur Nato beinhaltete. Damit machte er seine Partei aus Sicht der SPD koalitionsfähig. Wenn es Gregor Gysi gelingt, mit seiner Dialektik zu erklären, warum man eigentlich nie für den Nato-Austritt gewesen sei und warum eine rot-rot-grüne Bundeswehr doch im Ausland eingesetzt werden darf, dann fällt auch der letzte Hinderungsgrund für die SPD gegen das Linksbündnis auf Bundesebene weg.

Eine rot-rot-grüne Bundesregierung wäre eine Katastrophe für die deutsche Wirtschaft. Und was bedeutete das für die Immobilienwirtschaft und für Immobilieneigentümer ganz konkret?

  • Auch Mieteinkünfte würden sozialversicherungspflichtig („Bürgerversicherung“).
  • Die Mietpreisbremse würde weiter erheblich verschärft: Basis wäre ein Mietspiegel, der – so wollen es SPD, Linke und Grüne – die Mieten der vergangenen zehn (!) Jahre als Grundlage hat.
  • Die Steuerfreiheit von Immobilienverkäufen nach zehn Jahren (§ 23 EStG) würde abgeschafft.
  • Energetische Sanierung im Bestand würde zur Pflicht gemacht.
  • Die Vermögenssteuer würde wieder eingeführt.

Ich hoffe sehr, ich behalte mit meiner Prognose Unrecht! Vor genau 20 Jahren veröffentlichte ich im Ullstein-Verlag ein Buch mit dem Titel: „Wohin treibt unsere Republik?“. Damals regierten noch CDU/CSU und FDP. In diesem Buch sagte ich zwei Dinge voraus: Zuerst werden, entgegen allen anderslautenden Beteuerungen, SPD und Grüne im Bund zusammengehen. Und dann, so meine damalige Prognose, wird es auf Bundesebene eine „Linksunion“ geben aus SPD, Grünen und PDS. Ich schrieb damals: „Ein Wahlsieg der vereinten Linken würde aber nicht nur zu einer anderen Regierung führen, sondern zu einer anderen Republik. Es wäre dies nicht mehr die pluralistische, freiheitlich-demokratische Grundordnung, sondern…eine ‚DDR light‘, die jedoch für die kommunistischen Kader der PDS nur ein Übergangsstadium zum Sozialismus darstellen würde“ (Rainer Zitelmann, Wohin treibt unsere Republik?, Frankfurt/M., 2. Auflage 1995, S. 201 f.).

Natürlich, auch die Linkspartei will nicht die DDR kopieren und wiederholen. Deshalb ist es auch eine ganze falsche Diskussion, wenn man bei der Beurteilung der Linkspartei nur darauf abhebt, wie sie zu ihrer DDR-Vergangenheit als SED steht oder wie sie es mit ehemaligen Stasi-Agenten hält. Nein, die Linkspartei will nicht den Sozialismus der DDR noch einmal unverändert wiederholen, sondern sie will ihn in einer neuen Variante probieren, die diesmal (erstmals in der Weltgeschichte!) funktionieren soll. Nur: Der Sozialismus ist weltweit überall gescheitert, egal in welcher Variante. Er hat in Russland nicht funktioniert und nicht in Jugoslawien, in Nordkorea nicht und nicht in Schweden, in Albanien nicht und nicht in China. Und auch in keinem einzigen anderen Land der Welt. Wir brauchen keine sozialistischen Experimente mehr – egal in welcher Form.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.