Gleichheit statt Freiheit?

Erschienen am 2. März 2015

Letzte Woche wurde die Mietpreisbremse beschlossen – im Namen der „sozialen Gerechtigkeit“. Der Mindestlohn, ebenso ein Instrument „sozialer Gerechtigkeit“, hat zum Aufbau einer wahnwitzigen Bürokratie geführt. Doch schon hat Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) die nächste Idee, wie DER SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe berichtet: Sie will ein Gesetz zur „Entgeltgleichheit“ auf den Weg bringen, das Arbeitgeber aller Betriebe – egal wie groß oder klein – dazu verpflichtet, innerhalb des Betriebes die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter bekannt zu geben. Jeder Angestellte, so Schwesig, soll das Recht haben, sich über das Gehalt seines Kollegen zu informieren, der die „gleiche Arbeit“ verrichtet. Auch dies wird wieder mit der „Gerechtigkeit“ begründet – insbesondere sollen dadurch Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen beseitigt werden.

Dahinter steckt eine perfide Idee: Der Neid zwischen Angestellten soll angeheizt werden, denn Neid ist als Motiv die eigentliche Triebkraft hinter der „sozialen Gerechtigkeit“. Natürlich wird der Neider – im Privaten wie auch in der politischen Debatte – den Verdacht, seine Ressentiments könnten von Neid motiviert sein, stets weit von sich weisen. Der Neid ist jedoch, so der Soziologe Helmut Schoeck in seinem grandiosen Werk „Der Neid. Eine Theorie der Gesellschaft“, „eine unumgängliche und tief in der biologischen und existenziellen Situation des Menschen verankerte Verhaltensweise“.

Bernd Ziesemer hat in seinem Buch „Die Neidfalle“ die These vertreten, dass sich der Neid, damit er nicht als moralisch fragwürdig zu erkennen sei, als berechtigtes Interesse einer größeren Gruppe oder am besten der Allgemeinheit tarnen muss. „Die Forderung nach sozialer Gleichheit ist ein Mittel, um diesen Zweck zu erreichen. So edel sie sich auch anhört und so gut sie von manchen Philanthropen tatsächlich gemeint sein mag, so verbirgt sich dahinter oft doch nichts anderes als ökonomischer Neid.“

Es ist übrigens eine Illusion, zu glauben, dass durch eine Angleichung von Gehältern der Neid entsprechend weniger werde. Schoeck schreibt in seinem Buch: „Im Gegenteil: Je kleiner der Spielraum, je näher beisammen alle Einkommen liegen, desto faszinierter und neidischer blicken manche auf die noch vorhandenen Unterschiede.“

Mietpreisbremse, Mindestlohn und die jüngste Idee von Ministerin Schleswig sind nur Symptome für eine immer weitergehende Linksverschiebung im politischen Spektrum der Bundesrepublik Deutschland. Eine aktuelle Studie der FU Berlin, die sich u.a. mit der Verbreitung von linkem Gedankengut in Deutschland befasst („Gegen Staat und Kapital – für die Revolution – eine empirische Studie“), veröffentlicht Umfrageergebnisse von Infratest dimap.

Und hier nun einige erschreckende Umfrageergebnisse, die man gar nicht glauben würde, wenn sie nicht von einem der angesehensten Meinungsforschungsinstitute Deutschlands erhoben worden wären:

  • 42 Prozent der Deutschen stimmen der Aussage zu: „Die soziale Gleichheit aller Menschen ist wichtiger als die Freiheit des Einzelnen.“ In Ostdeutschland stimmen dem sogar 51 Prozent zu.
  • 61 Prozent sagen: „Unsere Demokratie ist keine echte Demokratie, da die Wirtschaft und nicht der Wähler das Sagen haben.“
  • 33 Prozent stimmen sogar der abwegigen Ansicht zu: „Der Kapitalismus führt zwangsläufig zu Armut und Hunger.“
  • 42 Prozent (in Ostdeutschland sogar 59 Prozent) glauben: „Der Sozialismus/Kommunismus ist eine gute Idee, die bisher nur schlecht ausgeführt wurde.“

Dagegen finden nur 16 Prozent der Deutschen: „Unternehmerische Freiheit ist die Grundlage für unseren Wohlstand.“

Das ist natürlich unsinnig. Der Kapitalismus ist nicht die Ursache von Armut und Hunger auf dieser Welt. 1820 lebten 85 Prozent der Weltbevölkerung von weniger als einem Dollar am Tag, heute sind es nur noch 20 Prozent. Die Bewohner eines Entwicklungslandes werden heute durchschnittlich 65 Jahre alt, vor hundert Jahren waren es gerade einmal 30. „Der Kapitalismus“, schreibt Jan Fleischhauer in seinem lesenswerten Buch „Unter Linken“, „kann sich zu Recht rühmen, seine Versprechen geradezu beispielhaft einzulösen. Mit dem Sozialismus verhält es sich regelmäßig umgekehrt. Er vermag nicht eines seiner Versprechen zu halten, tatsächlich ist es noch jedes Mal gründlich schiefgegangen, wenn seine Befürworter sich anschickten, die kühnen Ideen in die Tat umzusetzen.“

Abwegig ist daher auch die weit verbreitete Vorstellung, der Sozialismus sei an sich eine gute Idee, die nur schlecht durchgeführt worden sei. Man hat es überall auf der Welt versucht: In Russland, in der DDR, in China, in Nordkorea, in Albanien, in Schweden, in Kuba – es gibt keine Version des Sozialismus, die man nicht schon ausprobiert hätte. Tatsache ist: Überall waren ökonomische Ineffizienz, ein geringerer Lebensstandard als in marktwirtschaftlichen Systemen die Folge. Und meist gesellten sich zur wirtschaftlichen Ineffizienz Unterdrückung und Leid für die Menschen. Im direkten Systemvergleich hat der Sozialismus immer verloren – ob man nun Nord- und Südkorea vergleicht oder die DDR und die Bundesrepublik. Dies alles ist jedoch den Menschen in Deutschland zunehmend weniger bewusst, wie oben zitierte Umfrage belegt.

Vor genau 20 Jahren veröffentlichte ich ein Buch mit dem Titel „Wohin treibt unsere Republik?“ (Ullstein-Verlag, 1995). Darin zeigte ich die „Linksverschiebung des Meinungsklimas in der Bundesrepublik“, die seit den 60er Jahren zu beobachten sei und sich immer weiter fortsetzen werde. In dem Buch sagte ich voraus, dass die Grünen weiter an Einfluss gewinnen, dass die PDS (heute: Linke) und die SPD zusammenarbeiten und sich die CDU immer weiter sozialdemokratisieren werde. So ist es denn auch leider gekommen.

Jeder Projektentwickler kann in seinen Diskussionen mit grünen und linken Politikern und Beamten sehen, wie weit sich grüne und linke Vorstellungen heute verbreitet haben. Die Einführung der Mietpreisbremse und des Mindestlohns sowie die neuen Ideen von Manuela Schwesig sind nur drei von vielen Beispielen für den Siegeszug des Egalitarismus.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.