Jetzt Gewinne mitnehmen?

Erschienen am 9. März 2015

Die Explosion der Asset-Preise stellt jeden Investor vor die Frage, ob er Gewinne mitnehmen soll. Es ist fast egal, was Sie in den letzten Jahren gekauft haben (es sei denn, Sie haben auf Öl oder russische Aktien gesetzt) – der Preis ist massiv gestiegen: Das trifft für Aktien ebenso zu wie für Immobilien und Anleihen.

Derjenige, der meinen Überlegungen in den IMMOBILIEN NEWS gefolgt ist und in den vergangenen Jahren vor allem auf Berliner Wohnimmobilien sowie auf US-Dollar-Investments gesetzt hat, steht erst recht vor der Frage, ob er sich einfach nur über die erzielten sehr hohen Buchgewinne freuen oder diese realisieren soll.

Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. In Diskussionen über dieses Thema höre ich zwei sich widersprechende Antworten:

  1. „An Gewinnmitnahmen ist noch niemand gestorben.“
  2. „Es hat doch gar keinen Sinn zu verkaufen, weil eben alles teuer geworden ist und es keine Alternativen gibt, um den Veräußerungserlös zu re-investieren.“

Die erste Meinung – eine alte „Börsenweisheit“ – spricht für den Verkauf, die zweite dagegen. Beide Meinungen sind in dieser pauschalen Form zu oberflächlich und so nicht richtig.

Die Ansicht, man könne nichts falsch machen, wenn man „Gewinne mitnimmt“, ist offensichtlich unrichtig. Untersuchungen belegen, dass die meisten Anleger, die Aktien verkaufen, mit ihrer Alternativinvestition danach schlechter fahren als wenn sie nicht verkauft hätten. Dies dürfte auch – obwohl es dafür keine Untersuchungen gibt – für viele Immobilienanleger zutreffen.

Zu der zweiten Ansicht: Natürlich ist alles teuer geworden und es ist schwer, Alternativen zu finden. Sie werden kaum „günstige“ Investitionsmöglichkeiten finden. Aber das ist auch die falsche Fragestellung: Sie müssen ja kein „Schnäppchen“ machen, sondern „nur“ eine Investitionsmöglichkeit finden, die einen höheren Ertrag in der Zukunft verspricht, als mit dem Investment zu erwarten ist, von dem Sie sich trennen.

Allerdings, und dies ist besonders am Immobilienmarkt ein Problem, müssen Sie zusätzlich die Transaktionskosten für die Re-Investition verdienen. Die können ganz erheblich sein: Beispielsweise zahlen Sie in Berlin eine Grunderwerbsteuer von 6%, und auch die Maklerkosten betragen – je nach Investitionsvolumen – am Zinshausmarkt zwischen 4 und 7 Prozent. Grob gerechnet sind das zwei Jahresmieten, die Sie für Ihre Re-Investition zusätzlich einkalkulieren müssen. Nehmen wir an, es gelingt Ihnen, ein Haus zum 22-fachen zu verkaufen. Dann müssen Sie danach ein gleichwertiges Haus für das 19-fache finden, damit sich die Sache lohnt (denn inklusive Transaktionskosten zahlen Sie das 21-fache). Zwar können Sie versuchen, einen Share-Deal zu machen, um damit die Grunderwerbsteuer zu sparen, aber damit verlagern Sie das Problem nur auf die Zukunft, denn Sie müssen die latenten Steuern in Ihre Rechnung einbeziehen.

Schließlich müssen Sie noch wichtige Faktoren wie Steuern und ggf. Vorfälligkeitsentschädigungen in Ihrer Rechnung berücksichtigen. Wenn Sie als Privatinvestor innerhalb der 10-Jahres-Frist verkaufen, sieht die Rechnung ganz anders aus und dann lohnt sich ein Verkauf meistens nicht. Zumal Sie als privater Immobilieneigentümer nicht nur den Veräußerungsgewinn mit fast 50% versteuern müssen, sondern sich auch ein „Zählobjekt“ für den gewerblichen Grundstückshandel einhandeln.

Bleiben wir beim Beispiel des Mehrfamilienhauses. Wann ergibt es Sinn, zu verkaufen? Oft werden Sie feststellen, dass die Mietpreisbremse Ihre Kalkulation verändert. Das ist dann der Fall, wenn es eine erhebliche Diskrepanz zwischen der bisherigen Neuvermietungs-Marktmiete und der ortsüblichen Vergleichsmiete gibt. Diese Diskrepanz war bisher die Basis für erhebliche Wertsteigerungsphantasien, die eher gegen einen Verkauf sprachen. Unter dem neuen Regime der Mietpreisbremse werden Sie jedoch oft feststellen, dass Sie neu rechnen müssen, weil die bisher möglichen Mietsteigerungen bei Neuvermietung künftig nicht mehr möglich sind. In einer solchen Situation können Sie über den Verkauf nachdenken.

Aber wer soll der Käufer sein? Bisher gab es die Käufergruppe der naiven Optimisten bzw. Mietpreisbremse-Ignoranten, die das Thema Mietpreisbremse verdrängten. Nachdem das Gesetz jetzt beschlossen ist, wird es diese Gruppe der naiven Optimisten bald nicht mehr geben. Dennoch gibt es Käufergruppen, die bereit sind, erhebliche Preise zu zahlen – aber nicht aus naivem Optimismus, sondern weil sie einfach ein anderes Geschäftsmodell haben.

Ein Beispiel: Ich habe jüngst das erste Mal im Leben eine Immobilie verkauft. Eigentlich hatte ich nicht vor, überhaupt eine Immobilie zu verkaufen, aber in diesem Fall sprachen mehr Argumente für als gegen einen Verkauf: Gekauft hatte ich das Mehrfamilienhaus in Neukölln 2004 zum 6,8-fachen (!), verkauft habe ich im Februar 2015 zum 24-fachen. Der Preis war in Ordnung für den Käufer, weil dieser nicht in Faktoren rechnete, sondern weil für ihn als Aufteiler nur der Quadratmeterpreis relevant war: Und der war mit ca. 1500 Euro durchaus günstig. Insofern war der Verkauf für beide Seiten ein sehr gutes Geschäft: Ich habe zu einem hohen Faktor verkauft (und konnte den Veräußerungserlös steuerfrei mitnehmen) und er hat zu einem günstigen Quadratmeterpreis eingekauft.

Natürlich stellt sich für jeden Verkäufer die Frage, was er mit dem Verkaufserlös macht:

Staatsanleihen? Zehnjährige Bundesanleihen bringen vor Steuern 0,3 Prozent, nach Steuern 0,22 Prozent. Das Rückschlagspotenzial ist sehr hoch, wenn irgendwann die Zinsen wieder steigen sollten.

Unternehmensanleihen? Erstklassige Unternehmensanleihen bringen 1 Prozent vor Steuern.

Aktien? Die Aktienmärkte taumeln von einem Rekord zum nächsten und viele Anleger stellen sich die bange Frage, wie lange das noch so weitergeht.

Immobilien? Auch die sind teuer geworden. Aber Sie müssen ja nur ein Investment finden, bei dem Sie mehr Potenzial sehen als bei dem Objekt, das Sie verkauft haben. Bei sogenannten Core-Immobilien ist es besonders schwer, attraktive Investments zu finden. Chancen bieten Value-add-Strategien und evt. auch Strategien, die in B-Städten investieren. Allerdings sind auch dort die Preise erheblich gestiegen.

Gold? Ich habe Gold schon vor elf Jahren gekauft und seitdem gehalten. Für mich ist das jedoch nur eine „Versicherung“ gegen einen großen Finanzcrash. Der Nachteil von Gold ist, dass es erstens keine Erträge generiert und es zweitens deshalb kaum einzuschätzen ist, ob der Preis zu hoch oder zu niedrig ist.

Ein interessantes „Ersatzinvestment“ können übrigens auch Sondertilgungen von Immobiliendarlehen sein, bei denen Sie den Vertrag vor einigen Jahren geschlossen haben. Insofern Sie dort mehr Zinsen zahlen als Sie heute für ein Ersatzinvestment erwarten, ist auch das eine Option, um einen Teil des Geldes zu „re-investieren“.

Sie müssen ja auch nicht sofort ein Ersatzinvestment finden. Wenn Sie das Geld eine zeitlang unverzinst „liegenlassen“, ist das kein Problem, da die Inflationsrate minimal ist. Allerdings wissen Sie nicht, wie lange die Phase der hohen Preise in allen Assetklassen andauert. Und am Ende kommen Sie dann vielleicht doch zu dem Ergebnis, dass es besser gewesen wäre, einen Gewinn nicht „mitzunehmen“, denn selbst eine geringe Verzinsung von z.B. 3 oder 4 Prozent ist ja noch besser als eine von null Prozent auf dem Tagesgeldkonto.

Ich selbst habe die Frage für mich so beantwortet: Wenn es eine außerordentliche Opportunität gibt, kann man verkaufen. Mit Blick auf die Möglichkeiten für eine Re-Investition denke ich über folgende Dinge nach:

Obwohl der Dollar schon massiv gestiegen ist, erscheint mir nach wie vor der US-amerikanische Immobilienmarkt interessant. Da jedoch auch dort die Preise massiv gestiegen sind, müssen Sie einen Asset-Manager finden, dem es gelingt, Immobilien zu entdecken, bei denen der Mietüberschuss gesteigert werden kann.

Auch in deutschen B-Städten sehe ich Potenzial für Wohnimmobilien.

In beiden Fällen jedoch glaube ich nicht an eine passive „buy-and-hold“-Strategie, weshalb ich eher auf Fondslösungen setze, bei dem Werte durch aktives Asset-Management gehoben werden. Dann sollten in beiden Fällen Renditen zwischen 5 und 10 Prozent mittelfristig nach wie vor möglich sein.

Ob diese Rechnung aufgeht, wird die Zukunft zeigen. Aber „keine“ Entscheidung zu treffen ist nicht möglich, denn wer nicht verkauft, trifft damit ja auch eine Entscheidung. Diese kann vielfach richtig sein, aber immer dann, wenn es ungewöhnliche Übertreibungen an einem Markt gibt, sollte man über einen Verkauf nachdenken, getreu dem Motto: „Buy on bad news and sell on good news“.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.