Nichts tun – das vornehme Privileg privater Anleger

Erschienen am 18. März 2016

Der legendäre Investor Jim Rogers, der zusammen mit George Soros den Quantum-Hedgefonds gemanagt hatte, sagte mir mehrfach in Gesprächen, der gefährlichste Zeitpunkt für einen Investor sei genau der, nachdem er eine oder gar mehrere erfolgreiche Investitionen abgeschlossen habe. Denn dann halte man sich leicht für unfehlbar und habe den unwiderstehlichen Drang, gleich die nächste Investition ins Auge zu fassen. Diesem Drang, so Rogers, müsse man unbedingt widerstehen und lieber eine Zeit lang gar nichts machen, die Märkte beobachten und auf den richtigen Moment warten.

Diese Einsicht ist gerade in der gegenwärtigen Marktlage aktueller denn je. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ein Immobilieninvestment mit grandiosem Erfolg beenden, ist derzeit besonders groß. Ich selbst habe mehrere Immobilien in Berlin verkauft bzw. bin derzeit dabei, diese zu verkaufen. Der Verkaufspreis beträgt das doppelte, dreifache oder vierfache des Kaufpreises. Bei solchen Renditen wird man leicht übermütig. Denn während die meisten privaten Anleger dazu neigen, Verluste mit externen Faktoren (also vor allem einer ungünstigen Marktentwicklung) zu erklären, sind sie schnell bereit, hohe Gewinne der eigenen Genialität zuzuschreiben.

Wer sich für genial hält, ist natürlich begierig, gleich wieder zu investieren. Auch wenn ihm eigentlich klar sein müsste, dass die Marktbedingungen eine Wiederholung des „Geniestreichs“ sehr unwahrscheinlich machen. Wer in einer Phase allgemeiner Skepsis gekauft hat und in einer Phase allgemeiner Euphorie verkauft, hat eine gute Chance auf hohe Gewinne. Wer in einer Phase der Euphorie kauft, läuft dagegen viel eher Gefahr, einen schlechten Deal zu machen.

Institutionelle Investoren verweisen darauf, dass ihnen gar nichts anderes übrigbleibe, als „immer“ zu kaufen, in jeder Marktlage. Sie könnten es sich, so ihr Argument, nicht leisten, ihr Geld unverzinslich über ein, zwei oder drei Jahre liegen zu lassen. Objektiv oder subjektiv sind sie oder fühlen sie sich unter „Anlagedruck“.

Der private Anleger kann sich dagegen durchaus dafür entscheiden, „nichts“ zu machen. „Nichts machen“ heißt, das Geld oder einen Teil des Geldes unverzinst bzw. mit Negativzinsen liegen zu lassen. Negativzinsen? Jawohl! Ich habe auch Geld mit Negativzinsen geparkt, und zwar in kurz laufenden Bundesanleihen (Restlaufzeit bis Ende 2017). Vor die Alternative gestellt, alle Gewinne sofort wieder zu reinvestieren, oder aber einen Teil davon zu „parken“ und geduldig auf „bessere Zeiten“ zu warten, habe ich mich für letzteres entschieden.

Wobei ich mit „besseren Zeiten“ natürlich „schlechtere Zeiten“ meine, also solche, in denen die Märkte kollabieren. Natürlich weiß ich nicht, wann diese Zeiten kommen. Aber ich weiß, dass es in solchen Zeiten gut ist, liquide zu sein.

Wir alle wissen nicht, wie sich die Zukunft entwickelt. Gehen die Renditen noch weiter nach unten? Stehen wir vor einer längeren Phase mit Mini-Renditen und Mini-Zinsen? Wann werden die Renditen wieder steigen?

Selbst wenn Sie eine eindeutige Meinung dazu haben, sollten Sie nicht alles darauf verwetten, dass sie richtig damit liegen. Ich investiere also auch in dieser Marktphase und nehme niedrige Renditen in Kauf – aber nur mit einem Teil des Geldes. Mit dem anderen Teil mache ich „nichts“.

Sie werden nicht sehr viele Akteure an den Finanz- und Immobilienmärkten finden, welche der „nichts tun“-Strategie anhängen. Da gibt es Unternehmen, die Hunderte Mitarbeiter haben, die beschäftigt und entlohnt werden wollen. Da gibt es Investoren, die von ihren Anlegern einfach dafür hohe Vergütungen beziehen, dass sie irgendetwas kaufen – egal, wie sich diese Investition später entwickelt. Wer als Fondsmanager stets 1% des Transaktionsvolumens für jeden Kauf erhält und zudem noch eine Mannschaft von einigen Hundert Mitarbeitern entlohnen muss, der wird der „nichts-tun“-Strategie nur wenig abgewinnen können. Wenn die Investition negativ verläuft, kann er zudem auf die „Marktbedingungen“ verweisen, die er ja nicht habe ändern können. Zudem hat er es auch nicht anders gemacht als fast alle anderen – und schon mit diesem Argument fühlt er sich entlastet. Für private Anleger stellt sich die Situation ganz anders dar. Sie haben das große Privileg, dass sie mal eine Zeit lang einfach nichts machen dürfen.

Diese Einsicht hat eine wichtige Implikation: Es ist kein Argument, jetzt NICHT zu verkaufen, weil Sie nicht wissen, was Sie dann mit dem Geld machen sollen. Sie müssen es jetzt nicht wissen. Als antizyklischer Investor werden Sie kaum den Tiefpunkt für den Einstieg erwischen – und ebenso wenig den Höchstpunkt für den Ausstieg. Das ist unrealistisch. Wenn Sie kaufen, wird es danach wahrscheinlich erst einmal weiter bergab gehen. Und wenn Sie verkaufen, wird es danach erstmal weiter bergauf gehen. Wenn Sie das nicht aushalten, müssen Sie mit der Masse schwimmen. Reich werden Sie damit freilich dann nicht.


Mehr zu Zitelmanns Investitionsphilosophie finden Sie in seinem Buch: „Reich werden und bleiben“.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.