Schäubles Soli-Betrug – oder Orwells Newspeak lässt grüßen

Erschienen am 18. September 2016

Wolfgang Schäuble, so meldet der aktuelle „Focus“, will den Soli abschaffen. Der Plan zur „Abschaffung“ ist jedoch in Wahrheit ein perfider Trick zur Rettung der verfassungswidrigen Sondersteuer.

Seit 25 Jahren gibt es die Sondersteuer, die ursprünglich zur Finanzierung der deutschen Einheit erhoben wurde. Wenn Schäuble nun verkündet, er wolle den Soli abschaffen, dann einzig und allein deshalb, um ihn zu retten. Hintergrund: Mehrfach schon haben Finanzgerichte die Ansicht geäußert, der Solidaritätszuschlag sei verfassungswidrig. Denn es handelt sich um eine Ergänzungsabgabe, die eigentlich nur zur Abdeckung von „Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt“ und für „besondere Notfälle“ erhoben werden darf.

Im September vergangenen Jahres hat das niedersächsische Finanzgericht, das schon in der Vergangenheit (leider erfolglos) gegen den Soli argumentiert hatte, dem Bundesverfassungsgericht den Solidaritätszuschlag erneut zur Prüfung vorgelegt. Mit einer Entscheidung muss Schäuble vielleicht sogar noch in diesem, spätestens jedoch im nächsten Jahr rechnen.

Und diese könnte diesmal anders ausfallen als bisher. Denn die Steuereinnahmen des Bundes sprudeln so kräftig wie nie. Und inzwischen gibt die Bundesrepublik Deutschland Anleihen sogar mit einem Negativzins heraus. Dass heißt, Schäuble muss Investoren nicht mehr Geld bezahlen, sondern bekommt sogar noch Milliardenbeträge dafür, dass diese der Bundesrepublik Geld leihen. Das ist ein Ergebnis der verrückten Politik der EZB.

Die Experten im BMF haben Schäuble gewarnt, dass das Bundesverfassungsgericht in dieser Situation zu dem Ergebnis kommen könnte, dass der Soli verfassungswidrig sei.

Schäuble, nach dessen Philosophie der Staat niemals genug Steuern einnehmen kann, hat als Gegenmaßnahme einen perfiden Plan entwickelt, um den Soli doch noch zu retten und dauerhaft zu zementieren. Diskutiert wird beispielsweise ein „Abschmelzmodell“, wonach der Zuschlag noch für ein weiteres Jahrzehnt (!) erhoben werden kann und dabei Jahr für Jahr ein klein wenig abgeschmolzen wird.

Man kann darauf wetten, dass in der Zwischenzeit die normalen Steuern entsprechend erhöht werden. Von Spitzenpolitikern der CDU wie Jens Spahn hieß es kürzlich, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes dürfe „kein Tabu“ sein.

Wie in der Novelle „1984“ von George Orwell werden dabei alle Begriffe verdreht. So beträgt der „Spitzensteuersatz“ angeblich 42 Prozent. In Wahrheit liegt er jedoch bei knapp 47,5 Prozent. Wie kommt’s? Die Politik hat mit dem Begriff der „Reichensteuer“ ein neues Wort für den Spitzensteuersatz erfunden. Diese beträgt 45 Prozent. Dazu kommt eine weitere Erfindung, der sogenannte „Soli“ – angeblich für die Finanzierung des Wiederaufbaus Ost – in Wahrheit jedoch gar nicht zweckgebunden. Der tatsächliche Spitzensteuersatz liegt also ca. 5,5 Prozentpunkte über dem, was als „Spitzensteuersatz“ bezeichnet wird.

Egal, wie die nächsten Bundestagswahlen ausgehen: Man darf jetzt schon wetten, dass der Spitzensteuersatz weiter erhöht wird. Das garantiert die große Koalition der Sozialdemokraten, ob sie sich heute nun CDU, SPD, Linke oder Grüne nennen. Wenn dann gleichzeitig der Soli um 0,5 Prozent gesenkt werden sollte, dann wird Schäuble uns das als großzügige Steuerentlastung verkaufen. In Wahrheit ist der Plan zur „Soli-Abschaffung“ also nur ein perfider Trick zu seiner Rettung. Auch dies ist ein Beispiel dafür, wie – im Stil von Orwells 1984 – die Begriffe in ihr Gegenteil verkehrt werden.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.