Warum es institutionelle Immobilien-Investoren so schwer haben

Erschienen am 30. Juli 2016

Institutionelle Investoren stehen vor Herausforderungen, die es nicht im gleichen Maße für private Anleger gibt. Wer Erfolg als institutioneller Investor haben will, muss nicht nur über Fachwissen verfügen, sondern sich aktiv mit den mentalen Herausforderungen auseinandersetzen. Leider tun das die wenigsten. Die Ergebnisse sind oft entsprechend. In den vergangenen 5 Boomjahren brachten Immobilien-Spezialfonds 2% p.a.

1. Herausforderung: Misserfolg wird stärker bestraft als Erfolg belohnt wird.

2. Herausforderung: Wer nicht der Masse folgt, geht ein hohes persönliches Risiko ein.

3. Herausforderung: Sie müssen investieren und können nicht „nichts tun“.

Der berühmte amerikanische Psychologe John William Atkinson (1923 – 2003) hat sich sein Leben lang mit dem Thema Leistungsmotivation befasst hat. Er hat zwei Typen unterschieden: Misserfolgsmeider und Erfolgssucher. Die einen wollen vor allem Misserfolg vermeiden, die anderen streben nach Erfolgen. Bei institutionellen Investoren ist der Anreiz für die dort angestellten Personen größer, sich wie ein Misserfolgsvermeider zu verhalten. Nehmen wir zwei Angestellte bei einer Versicherung:

M., dem Misserfolgsvermeider, geht es vor allem darum, dass ihm später, wenn ein Investment unbefriedigend verlaufen sollte, niemand einen Vorwurf machen kann. Deshalb entscheidet er meist so ähnlich wie seine Kollegen bei anderen Versicherungen. Falls es schief gehen sollte, so sein Kalkül, kann er sich jederzeit bequem damit herausreden, „alle anderen“ hätten es auch so gemacht. Schließlich sei nicht er, sondern „der Markt ist schuld“. Er setzt darauf, sein Chef erwarte nicht, dass er weitaus klüger agiere als „alle anderen“. Und er rechnet damit, dass die Strafe im Falle des Misserfolges weitaus gravierender für ihn ist als die „Belohnung“, wenn es gut läuft. Keiner hat diese weit verbreitete Einstellung besser auf den Punkt gebracht als Keynes: „Worldly wisdom teaches that it is better for reputation to fail conventionally than to succeed unconventionally.“ Übrigens kauft M. gerne jene Fonds, die in den vergangenen zwei bis drei Jahren eine tolle Performance hatten. Da auch viele andere das so machen und er später darauf hinweisen kann, wie toll der Fonds „damals“ war, kann er damit rechnen, dass ihm keiner einen Vorwurf macht.

E., der Erfolgssucher, schwimmt oft gegen den Strom. Kurzfristig zahlen sich seine Investments oft nicht aus, langfristig dafür umso mehr. Wer beispielsweise vor 10 Jahren auf Wohnimmobilien setzte, wurde dafür zunächst nicht belohnt. Erst viele Jahre später zeigte sich, dass die Entscheidung richtig war. Wer im vergangenen Jahr auf Wohnungen setzte, wurde dagegen kurzfristig belohnt, denn sie sind im Wert gestiegen. Langfristig mag das ganz anders aussehen. Aber den meisten Angestellten ist das Urteil ihres Chefs im nächsten Jahr wichtiger als das in zehn Jahren.

Es gibt Phasen, da ist es vernünftig, an der Seite zu stehen und gar nicht zu investieren. Der private Anleger kann so handeln. Der Institutionelle nicht. Er steht unter einem doppelten Druck: Dem Druck ständiger hoher Mittelzuflüsse und dem Handlungsdruck, „etwas“ zu tun – und zwar auch dann, wenn es die beste Strategie wäre, gar nichts zu tun. Und ganze Abteilungen können ja schließlich nicht drei Jahre lang unterbeschäftigt oder gar ganz untätig herumsitzen. Das geht schon angesichts des deutschen Arbeitsrechtes, das kurzfristigen Personalabbau praktisch unmöglich macht, nicht.

Im schlimmsten Fall wird E. sogar noch wirtschaftlich bestraft, wenn er nichts tut. Das ist dann der Fall, wenn seine Vergütung an ein bestimmtes Volumen gebunden ist, also beispielsweise „Ankaufsgebühren“. Es bedarf schon einer sehr altruistischen Gesinnung, bei einer solch verkehrten Anreizstruktur nichts zu tun oder gegen den Strom zu schwimmen. Daher mache ich dem einzelnen Angestellten bei einer Versicherung oder einem Versorgungswerk keinen Vorwurf. Denn die Struktur und die Anreizsysteme sind so, dass sie ein Verhalten begünstigen, über das man eigentlich nur mit dem Kopf schütteln könnte – wenn man nicht berücksichtigte, dass es aus Sicht des Angestellten leider rational ist, sich so zu verhalten.

Die gesetzlichen Regulierungen in der Finanzindustrie bestärken noch zusätzlich das Verhalten der Misserfolgsmeider: Richtlinien wie die AIFM sehen alles nur noch unter Risikovermeidungsaspekten. Geschrieben wurden sie von Beamten, die niemals in ihrem Leben wirtschaftlich erfolgreich investiert haben, und die am liebsten allen Investoren vorschreiben würden, beamtenmäßig zu denken und zu „handeln“.

Der erfolgreichste Immobilieninvestor, den ich persönlich kenne, hat es anders gemacht: Christoph Kahl von Jamestown hat in den 90er Jahren, als fast alle Anbieter geschlossener Fonds nach Ostdeutschland gingen, weil sich Produkte mit Steuervorteilen am besten verkaufen ließen, auch den Markt dort angeschaut. Er hat sich dann aber ganz bewusst entschieden, dort nicht mitzumachen. Im Nachhinein hat sich dies als kluge und sehr weitsichtige Entscheidung erwiesen. Er blieb im amerikanischen Markt. Als dort eine extreme Euphorie ausbrach, verkaufte er fast alle Immobilien – und erwirtschaftete auf diesem Weg insgesamt für seine Anleger fast 19 Prozent p.a. Dann legte er einige Jahre keinen Fonds auf, machte also „nichts“.

Das Anreizsystem, das er von Anfang an verfolgte (und mit ihm andere erfolgreiche Anbieter, wie die US-Treuhand) sah vor, dass er bzw. seine Gesellschaft vor allem dann sehr gut verdienten, wenn sie Ergebnisse für die Investoren erzielten, die besser waren als ursprünglich in Aussicht gestellt. Dieses Anreizsystem mit Promote-Regelungen führt zu einer Interessenkongruenz zwischen Anlegern und Anbietern. Es schafft beispielsweise Anreize, in Phasen der Höchstpreise zu verkaufen.

Würden sich institutionelle Investoren ähnlich verhalten, dann wären ihre Ergebnisse wohl auch besser. Denn es ist ja schon ziemlich traurig, wenn laut MSCI/SFIX-Index institutionelle Investoren in den vergangenen fünf Jahren mit Immobilien-Spezialfonds ein durchschnittliches Ergebnis vom zwei Prozent (!!) p.a. erzielten. Nach Abzug der Inflation, die in diesem Zeitraum bei 1,2% p.a. lag, sind das 0,8 Prozent. Ein trauriges Ergebnis für einen Zeitraum, in dem viele private Investoren mit Immobilien zweistellige Renditen erzielten. Bedenkt man, dass Aktienanleger im gleichen Zeitraum 9,7% p.a. verdienten und Anleiheinvestoren 6,3%, dann lohnt es sich schon einmal, darüber nachzudenken, was die Ursachen sind.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.