Absurder Regulierungswahn:
Gesetzgeber will tote Verbraucher vor sich selbst schützen: Kein Immobilienkredit mehr für 60+

Erschienen am 1. August 2016

Der Regulierungswahn wird immer absurder. Ein neues Gesetz, mit dem der deutsche Gesetzgeber eine EU-Richtlinie verschärfend umsetzt, führt dazu, dass Personen über 60 Jahre keine Immobilienkredite mehr bekommen – es sei denn, es handelt sich um professionell agierende Vermieter mit vielen Wohnungen.

Wie so oft ist die Ursache für diese wahnsinnige Regulierung eine EU-Richtlinie (2014/17/EU), die jedoch nach dem Prinzip: „Deutsch sein, heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu übertreiben“ auf Betreiben von Justizminister Maas umgesetzt wurde. Die neuen Paragrafen 505a – 505d BGB und der neue geschaffene § 18a KWG führen im Ergebnis dazu, dass Banken Darlehen nur noch dann vergeben, wenn zu erwarten ist, dass der Kreditnehmer das Darlehen bis zum Vertragsende persönlich bedienen wird.

Hans-Joachim Beck vom IVD schreibt dazu: „Ergibt sich aus den vereinbarten Vertragsbedingungen, dass das Darlehen z.B. eine Laufzeit von 30 Jahren hat, setzt dies voraus, dass der Darlehensnehmer voraussichtlich noch mindestens 30 Jahre leben wird. Wenn nach statistischen Daten zu befürchten ist, dass der Darlehensnehmer vorher verstirbt, ist nämlich nicht wahrscheinlich, dass er seinen vertraglichen Verpflichtungen – bis zur Tilgung des Darlehens – nachkommen wird. Daher vergeben die Banken in diesen Fällen kein Darlehen, auch wenn sie selbst vor einem wirtschaftlichen Schaden durch entsprechende Sicherheiten geschützt sind. In § 18a Abs. 4 KWG ist ausdrücklich geregelt, dass die Kreditwürdigkeitsprüfung nicht hauptsächlich darauf gestützt werden darf, dass der Wert des Grundstücks den Darlehensbetrag übersteigt.“

Verstößt die Bank dagegen und vergibt dennoch Kredite, so führt das zu erheblichen Risiken für die Bank, weil der Immobilienkäufer dann eine Senkung der Zinsen auf das Refinanzierungsniveau der Bank verlangen kann. Oder er kann einfach den Kreditvertrag kündigen, ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen (§ 505d, Abs. 1 BGB).

Die ganze Regelung wurde mit den vermeintlichen Exzessen begründet, die zur Finanzmarktkrise geführt haben. Doch wer wird denn durch die Neuregelung geschützt? Die Bank hat ja keinen Nachteil, wenn der Immobilienwert hoch genug ist. Und wenn der Kreditnehmer stirbt, muss er auch nicht mehr als Verbraucher geschützt werden. Logisches Ergebnis: Der Gesetzgeber will also tote Verbraucher vor sich selbst schützen.

Wer ist betroffen? Jeder über 60jährige, der einen Kredit für eine selbstgenutzte Immobilie beantragt. Doch auch Kleinvermieter sind betroffen, die beispielsweise eine oder zwei Eigentumswohnungen vermieten. Lediglich Immobilienprofis sind nicht betroffen, also Personen, bei denen die Vermietertätigkeit über die reine Vermögensverwaltung hinaus Erwerbszwecke verfolgt. Wann das der Fall ist, ist jedoch völlig unklar, so dass hier eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht.

Beck weist darauf hin, dass der Gesetzgeber die EU-Richtlinie verschärfend in deutsches Recht umgesetzt hat. Während man sich sonst überall peinlichst bemüht, irgendwelche Diskriminierungen zu vermeiden und dafür sogar ein Antidiskriminierungsgesetz beschlossen hat, so werden hiermit Menschen 60+ erheblich diskriminiert. Und das alles nur, um tote Verbraucher vor sich selbst zu schützen… Draghi betreibt eine wahnwitzige, hochriskante Nullzinspolitik, um die Kreditvergabe anzukurbeln, und auf der anderen Seite erschwert der Gesetzgeber die Kreditvergabe mit völlig überflüssigen Regulierungen.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.