In Berlin wird es ein Volksbegehren zur Enteignung privater Immobilienvermieter geben. Ziel ist die Enteignung aller privaten Immobilienbesitzer, die in der deutschen Hauptstadt mehr als 3000 Wohnungen besitzen.
In Berlin wären von der Enteignung etwa ein Dutzend Unternehmen mit rund 240.000 Wohnungen betroffen. Das größte dieser Unternehmen ist die börsennotierte Immobiliengesellschaft „Deutsche Wohnen“, die in Berlin etwa 112.000 Wohnungen besitzt. Zum Teil handelt es sich um ehemalige Bestände der städtischen Gesellschaft GSW, die im Jahr 2004 an private Investoren verkauft wurden.
Die Berliner Enteignungs-Initiative stützt sich auf den Artikel 15 des Grundgesetzes, nach dem „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel“ in „Gemeineigentum“ überführt, also verstaatlicht werden können. Dieser Artikel wurde bislang jedoch in der Praxis in Deutschland noch nie angewendet.
Entschädigung deutlich unter Verkehrswert
Die Summen, die für die Entschädigung der Immobilieneigentümer aufgewendet werden müssten, betragen laut Schätzungen des Berliner Senats bis zu 36 Milliarden Euro. Die Initiatoren der Initiative wollen jedoch sehr viel weniger zahlen. Sie haben ein Gutachten in Auftrag gegeben, das zu dem Ergebnis kommt, bei einer Enteignung müsse nicht der aktuelle Verkehrswert der Immobilien gezahlt werden, sondern ein weit darunter liegender Preis. Manche führenden Vertreter der Initiative meinten sogar, eine symbolische Summe von einem Euro sei genug. Andere wollen eine höhere Summe zahlen, die jedoch auch sehr weit unter dem Verkehrswert liegt und die nicht einmal die auf den Immobilienbeständen lastenden Bankschulden abdecken würde. Das Ergebnis wäre faktisch eine entschädigungslose Enteignung.
Doch auch bei einem Erfolg des Volksbegehrens würde es nicht automatisch zu einer solchen Enteignung kommen. In Berlin hatte es beispielsweise einen Volksentscheid gegeben, wonach der Flughafen Tegel auch nach der (immer wieder verschobenen) Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens weiter geöffnet bleiben solle, aber die Berliner Regierung hat das Ergebnis dieses Volksentscheides ignoriert und nicht in ein Gesetz umgesetzt.
Erfahrungen in der DDR
Die Partei „Die Linke“ unterstützt die Initiative und ist für eine Enteignung. Kein Wunder. Es handelt sich ja um die ehemals in der DDR herrschende Staatspartei SED, die sich später mehrfach umbenannt hat. Dabei sind die Erfahrungen mit staatlichen Wohnungen in der DDR außerordentlich schlecht. Obwohl der Wohnungsbau ein wesentlicher Schwerpunkt in der DDR war, zeigte sich hier am deutlichsten der Unterschied zwischen einem plan- und einem marktwirtschaftlichen System. Die Mieten in der DDR waren zwar sehr günstig, aber Bürger mussten viele Jahre warten, bis sie eine der begehrten Plattenbauwohnungen zugeteilt bekamen. Die Altbausubstanz in Mehrfamilienhäusern in Berlin, Leipzig, Dresden und anderen ostdeutschen Städten war so zerfallen, dass nach der deutschen Wiedervereinigung mit einem gigantischen Steuerprogramm viele Milliarden Euro in die Sanierung gesteckt werden mussten. Doch nicht nur alte Gebäude, sondern auch die DDR-Plattenbauten mussten im großen Stil saniert werden. Zusätzlich mussten Hunderttausende neue Wohnungen gebaut werden, um den Wohnungsmangel in Ostdeutschland zu beseitigen. Insgesamt wurden in den 90er-Jahren mithilfe steuerlicher Förderungen 838.638 Wohnungen in Ostdeutschland fertig gestellt. Die Kosten beliefen sich auf 84 Milliarden Euro.
Die für den Wohnungsbau in Berlin zuständige Senatorin Katrin Lompscher gehört der Partei „Die Linke“ an. Investoren werden von ihr wie Feinde behandelt. Nach ihrem Amtsantritt machte die Senatorin Andrej Holm, einen ehemaligen Mitarbeiter der Stasi, zu ihrem Staatssekretär. Er hatte die Wohnungspolitik von Venezuela als vorbildlich für Deutschland gelobt. Da er seine Mitarbeit bei der Stasi verschwiegen hatte, musste er zwar zurücktreten, berät die Regierung jedoch weiterhin.
Jungsozialisten fordern Enteignung ab 20 Wohnungen
Der Regierende Bürgermeister Müller (SPD), hat sich gegen eine Enteignung ausgesprochen, doch hat er eine solche Maßnahme „als letztes Mittel“ auch nicht ausgeschlossen. Ihm sind die Kosten für die Enteignung zu hoch. Seine Partei, die SPD, bevorzugt einen Mietenstopp in Berlin. Demnach sollen die Mieten für viele Jahre eingefroren werden. Müller will den Wohnungsgesellschaften, die laut den Initiatoren des Volksbegehrens enteignet werden sollen, ihre Wohnungsbestände „abkaufen“. Offenbar verfolgt die Regierung in Berlin eine Doppelstrategie: Die linksextremen Kräfte fordern eine Enteignung, die Sozialdemokraten wollen dagegen die Immobilieneigentümer so lang schikanieren und drangsalieren, bis sie „freiwillig“ unter dem Verkehrswert verkaufen. Doch auch in der SPD gibt es radikalere Forderungen. Die Jusos, die Jugendorganisation der SPD, in Berlin-Pankow forderten als erste, dass nicht nur Immobilieneigentümer ab 3000 Wohnungen enteignet werden sollen, sondern alle privaten Vermieter, die mehr als 20 Wohnungen besitzen. Der Bundesvorsitzende der SPD-Jugendorganisation, Kevin Kühnert, verteidigte in der Talkshow „Maischberger“ diese Forderung: „Mit welchem Recht hat jemand mehr als 20 Wohnungen?“, so fragte er. Die Diskussion um die Enteignung der Wohnungen ist symptomatisch für die Renaissance sozialistischer Gedanken in Deutschland. Bereits vor einigen Jahren wurde die „Mietpreisbremse“ beschlossen, die einen erheblichen Eingriff in die Vertragsfreiheit zwischen Mieter und Vermietern bedeutet. Nach diesem Gesetz darf der Vermieter bei Neuvermietungen nur noch eine Miete verlangen, die die „ortsübliche Vergleichsmiete“ um höchstens 10 Prozent übersteigt. Ausgenommen davon sind nur neu gebaute Wohnungen. Das Gesetz blieb jedoch weitgehend wirkungslos und wurde daher noch einmal drastisch verschärft.
Die Stimmung in Berlin ist explosiv: Bekannte Vorstände von Immobilienunternehmer können sich nur noch mit Personenschutz bewegen, da sie von der linksextremen autonomen Szene bedroht werden. Mehrfach wurden Autos – zum Beispiel der Gesellschaft „Deutsche Wohnen“, die enteignet werden soll – von linksextremen Gruppen in Brand gesetzt.
Gründe für die Wohnungsnot
Leider hat auch die Immobilienwirtschaft versagt: Sie hat es nicht vermocht, der Bevölkerung zu erklären, dass die eigentlich Schuldigen an den seit Jahren steigenden Mieten die Politiker sind. Denn die Mieten steigen deshalb, weil zu wenig preiswerte Wohnungen gebaut werden. Das liegt vor allem an zwei Gründen: Erstens sind die Genehmigungsverfahren viel zu lang. Nicht selten vergehen vom Kauf eines Grundstückes bis zur Fertigstellung einer Wohnung zehn Jahre. Die reine Bauzeit beträgt dabei zwei Jahre, die restlichen acht Jahre müssen sich Bauträger mit Behörden und Politik herumärgern. Zudem hat die Politik das Bauen in den letzten Jahren immer mehr verteuert, vor allem durch immer neue Öko-Vorschriften wie die „Energieeinsparverordnungen“. Gerade in Berlin kann man beobachten, wie linke Politiker das Bauen verhindern: Seit dem Amtantritt der Bausenatorin Lompscher von der „Linken“ hat sich die Zahl der Bebauungspläne, die in der Regel Grundlage für die Errichtung von neuen Wohnungen ist, halbiert! Und die Zahl der Baugenehmigungen in Berlin ist rückläufig. Da jedoch immer mehr Menschen nach Berlin ziehen, ist es logisch, dass Mieten und Preise steigen: Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem. Das Problem könnte nur durch massiven Neubau von preiswerten Wohnungen gelindert werden. Durch die geforderte Enteignung wird jedoch keine einzige neue Wohnung geschaffen.
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