Frank Schäffler, Clemens Schneider, Florian A. Hartjen, Björn Urbansky, Freihandel für eine gerechtere Welt. Mehr als TTIP, Fracking und Chlorhünchen – ein Plädoyer für eine gemeinsame Welt, Edition Prometheus, FinanzBuch Verlag, München 2017, 167 Seiten.
Der Freihandel hat mächtige Gegner und derzeit wenig Freunde. Donald Trump ist dagegen, in Deutschland sind Grüne, Linke, linke Sozialdemokraten, Greenpeace und die AfD gegen Freihandelsabkommen wie TTIP. Als Argumente werden massive Gesundheitsgefährdungen durch die Absenkung deutscher Lebensmittelstandards, die Unterminierung demokratischer Prinzipien durch die Einführung privater Schiedsgerichte und ganz generell die Beschneidung von Menschen- und Arbeitnehmerrechten ins Feld geführt (S. 150). Daher ist es verdienstvoll, dass Frank Schäffler und andere Autoren diesen Band herausgebracht haben, der sich sachlich mit dem Thema Freihandel und den zur Diskussion stehenden Freihandelsabkommen befasst.
Der Abbau von Zöllen und Handelsbeschränkungen, so Schäffler, hat mehr zur Bekämpfung der Armut auf dieser Welt beigetragen als sämtliche Entwicklungshilfe-Milliarden und alle Demonstrationen gegen die angeblich unmenschliche Globalisierung. In dem Band wird gezeigt, dass die Anhänger des Freihandels ursprünglich gerade im Interesse breiter Bevölkerungsschichten und besonders der Armen argumentierten – und gegen die nach Privilegien strebenden Vertreter einheimischer Industrie, die vom Protektionismus profitierten. Der wohl einflussreichste Freihandelsaktivist in der Geschichte war der Brite Richard Cobden (1804 – 1865), dessen Lebensweg in einem Beitrag nachgezeichnet wird. Cobden kam als viertes von elf Kindern eines armen Bauern zur Welt. Seine Mission war der Einsatz für den Freihandel, der Arbeiter und Arme vom Joch des Protektionismus befreite und erheblich zur Verbesserung der Lebensbedingungen für breite Schichten der Bevölkerung beitrug (S. 38).
Theorie des Freihandels
Fabian Kurz gibt einen Abriss über die Theorie des internationalen Handels. Freihandel ist vor allem deshalb nützlich, weil er die internationale Arbeitsteilung erleichtert. Denn die Grenzen der Arbeitsteilung liegen in der Größe des Marktes – je größer der Markt ist, desto mehr Menschen können miteinander kooperieren. Die immer präzisere Spezialisierung ist ein entscheidender Motor des Wachstums und Fortschritts. Schon Adam Smith zeigte, dass Freihandel den Markt vergrößert und damit mehr Arbeitsteilung ermöglicht (S. 65).
Schiedsgerichte sind wichtig
Der Freihandel hatte schon immer viele Gegner – hauptsächlich jene Zweige der Industrie, die vom Protektionismus profitierten. Nicht erst Donald Trump gefährdet den Freihandel, sondern schon Barack Obama verschärfte die „Buy American“-Klausel für das öffentliche Beschaffungswesen in den USA. Solange das Angebot eines amerikanischen Anbieters nicht 25 Prozent teurer als ein vergleichbares Wettbewerbsangebot ist, muss der amerikanische Anbieter den Zuschlag erhalten (S. 51).
TTIP- und Freihandelsgegner kritisierten vor allem die internationalen Schiedsgerichte. Deren Aufgabe ist es, Eigentümer vor dem willkürlichen Zugriff des Staates auf ihr Eigentum zu schützen. So klagte beispielsweise der schwedische Energiekonzern Vattenfall gegen das Land Hamburg. Es ging um ein Kohlekraftwerk, das der CDU-Senat 2005 bewilligt hatte, aber 2008 durch immer neue Auflagen einer grünen Umweltsenatorin verteuert wurde. Dagegen klagte Vattenfall auf Schadenersatz, schließlich kam es zu einer außergerichtlichen Einigung. Ohne diese Klagemöglichkeit wäre die Investition für Vattenfall unrentabel geworden. „Schiedsgerichte“, so Schäffler, „schaffen Rechtssicherheit für ausländische Investoren. Diese müssen sich nicht auf nationale Richter verlassen, die vom dortigen Staat bestellt und bezahlt werden.“ (S. 53) Gerade Schiedsgerichte sind ein großes Verdienst der Freihandelsbewegung. Sie begrenzen die Macht der Regierungen – was ganz im Sinne von Liberalen ist, aber natürlich nicht im Sinne von Etatisten.
Einer der interessantesten Beiträge des Bandes ist der von Julia Münzenmaier, die sich mit dem Investitionsrecht und internationaler Streitbeilegung befasst. Die Freihandelsabkommen schützen Investoren vor Risiken wie Enteignung, Diskriminierung ihrer Investition durch eine Begünstigung Dritter, fehlender Schutzgewährung bei Unruhen und Nichteinhaltung staatlicher Zusagen (S. 99). Direkte Enteignungen spielen heute nicht mehr eine so entscheidende Rolle wie früher, aber das Eigentum ist umso stärker gefährdet durch seine inhaltliche „Entleerung“. Das heißt: Der formale Rechtstitel des Privateigentums bleibt bestehen, wird jedoch durch zahlreiche Nutzungs- oder Verfügungsbeschränkungen ausgehöhlt (S. 102). Vor solchen faktischen Enteignungen – auch wenn diese nicht so genannt werden – sollen die in Freihandelsabkommen vorgesehenen Schiedsgerichte schützen. Die Angst vor einem damit einhergehendem Verlust des staatlichen Handlungsspielraums, so weist Münzenmaier nach, ist unbegründet. Umgekehrt besteht die Gefahr, dass Investoren im Vergleich zu früheren Investitionsabkommen nicht ausreichend geschützt werden (S. 106).
Für internationale ad-hoc-Schiedsgerichte spreche auch die Tatsache, dass Regierungen auf Entscheidungen von nationalen und staatlich bezahlten Richtern Einfluss nehmen könnten. „Diese Gefahr besteht nicht bei Richtern, die einer anderen Nationalität als derjenigen des im Verfahren beteiligten Staates angehören.“ (S. 107)
Bi- und Plurilaterale Handelsabkommen
Donald Trump ist bekanntlich ein großer Anhänger von bilateralen Handelsabkommen. Deren Zahl ist in den vergangenen Jahren ganz erheblich gestiegen, was – wie Jens Hertha in seinem Beitrag zeigt – erhebliche Risiken für den internationalen Handel mit sich bringt. Die Ausweitung regionaler Handelsabkommen sei sogar eine der Ursachen, weshalb in den letzten Jahren das weltweite Wachstum des Handels an Dynamik eingebüßt habe (S.79). Die Abkommen werden zunehmend komplexer, was einerseits mit steigenden Regulierungen auf nationaler und internationaler Ebene zusammenhängt, andererseits aber auch mit der zunehmenden Arbeitsteilung. Damit ein Zollbeamter weiß, welche Tarife für welches Produkt gelten, ist in allen Handelsabkommen festgelegt, was die tatsächliche Herkunft eines Produktes ist. Wie schwierig das ist, wird am Beispiel der Produkte von Apple deutlich, die in über 500 Fabriken in rund 30 Ländern gefertigt werden, bevor Endprodukte meist in China zusammengesetzt werden (S. 92).
Chlorhühnchen
Mit der Agitation und Propaganda der Freihandelsgegner setzen sich die beiden überaus lesenswerten letzten Beiträge des Bandes auseinander. Gesteuert wurden die Kampagnen vor allem von Grünen, Linken und einem NGO-Netzwerk gegen den Freihandel (S. 162 f.). Die Stiftungen der Grünen und der Linken haben mehrere Millionen Euro in europaweite Kampagnen gegen TTIP und CETA investiert. Parolen wie „TTIP tötet!“ und „TTIP ist eine Attacke auf unsere Demokratie“ fanden weite Verbreitung in den Medien (S. 163). Absurderweise werden viele NGOs, die sich gegen den Freihandel einsetzen, sogar von der EU-Kommission finanziert, die sich dafür ausspricht (S. 168).
So unterschiedlich die einzelnen Ablehnungspunkte sind, so einig sind sich Kritiker und Gegner in der Quintessenz, welche sich auf die Formel bringen lässt: „DIE Konzerne gegen UNS Bürger“. Dabei wird mit suggestiven Bildern gearbeitet, wie etwa dem vom „Chlorhünchen“. Ein nacktes, gerupftes, totes Huhn ist ohnehin kein Anblick, der positive Empfindungen auslöst. Gepaart mit der Chemikalie „Chlor“, die in Deutschland vor allem Erinnerungen an Schwimmbäder oder aggressive Reinigungsprodukte weckt, entsteht ein furchteinflößendes Bild. Die hysterischen Kampagnen gegen TTIP speisen sich aus einer frei flottierenden Kapitalismuskritik, die sich heute am Freihandelsabkommen festmacht, morgen am angeblichen Klimagau und übermorgen am Verbrennungsmotor: Der Feind, nämlich der Kapitalismus und die „großen Konzerne“ bleibt dabei stets der Gleiche.
Zu Recht beklagen die Autoren die Schwäche der Freihandelsbefürworter, deren Wortmeldungen kaum vernehmbar oder unbeholfen waren. Dem Leser sei empfohlen, sich nicht durch einige für Laien teilweise schwerer verständliche ökonomischen Beiträge – etwa zum Thema „Außenbeitrag“ – abschrecken zu lassen. So verdienstvoll diese Beiträge auch sind, so sind diese eher an ein Fachpublikum gerichtet, während der größte Teil der Beiträge auch für eine breite Leserschaft interessant und verständlich ist. Das Buch wird eingefleischte Freihandelsgegner naturgemäß nicht erreichen oder überzeugen, aber es ist überaus wichtig, um den Befürwortern des Freihandels Argumente und Denkanstöße an die Hand zu geben. Bei einer Neuauflage des Bandes sollte noch ein Beitrag hinzugefügt werden, der am Beispiel Chinas zeigt, wie es Kapitalismus und Öffnung zum Weltmarkt ermöglicht haben, dass hunderte Millionen Chinesen von der Armut in die Mittelschicht aufgestiegen sind. Wäre China heute nicht die zweitgrößte Exportnation der Welt, was wiederum eine Folge kapitalistischer Reformen und einer konsequenten Öffnung zur Weltwirtschaft war, würden immer noch Millionen Chinesen hungern, wie das zu Maos Zeiten war.