Gestern bei Anne Will trafen sich Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir und Finanzminister Wolfgang Schäuble. Özdemir ist nur noch von einer Idee besessen: Die deutsche Autoindustrie vor deren vermeintlicher Unfähigkeit zu retten.
Egal, auf welches Thema Anne Will gestern zu sprechen kommen wollte, Özdemir landet immer wieder bei der Autoindustrie. Deren Zukunft malte er in düstersten Farben: Stuttgart werde eine Geisterstadt werden wie die ehemalige amerikanische Autostadt Detroit – wenn die Grünen nicht helfen. Schon neulich hatte er in einem Interview erklärt: „Steuert die Industrie nicht um, wird Wolfsburg ein deutsches Detroit – das wäre trostlos. Das gilt auch für Ingolstadt oder Stuttgart.“ Anne Will gab sich verwundert, dass ein Grüner sich nun als Retter des Autos sehe. Aber seit Monaten hat Özdemir nur noch ein Thema: Das Schicksal der deutschen Autoindustrie. Dabei geht es ihm nicht in erster Linie um den Diesel-Abgasskandal, sondern um die Zukunftsfähigkeit der Autoindustrie, die angeblich nur unter Anleitung der Grünen gegeben sei.
Die zehn furchterregendsten Wörter
Eingefallen ist mir dabei ein Ausspruch von Ronald Reagan: „Die zehn furchterregendsten Wörter der englischen Sprache sind: ‚Hi, ich bin von der Regierung und komme, um Ihnen zu helfen!“ Cem Özdemir, von Beruf Erzieher mit der Zusatzqualifikation eines Sozialpädagogik-Studiums an einer Fachhochschule, ist ein solcher Helfer. Ganz offenbar leidet er unter dem „Helfersyndrom“, laut Wikipedia „ein Modell seelischer Probleme, die häufig in sozialen Berufen (wie Lehrer, Arzt, Altenpfleger, Pfarrer, Psychologe, Sozialarbeiter) anzutreffen sind“.
Wir brauchen keine grünen Unternehmenslenker
Ich meine: Die deutsche Autoindustrie braucht keine grünen „Helfer“. Jetzt rächt es sich, dass sie sich Jahre lang bei den Grünen angebiedert hat. Joschka Fischer nahm bereits im Juli 2009 eine Beratertätigkeit für BMW auf. Laut BMW erhielt der Ex-Chef der Grünen den Auftrag „nachhaltige Strategien“ zu entwickeln, die das Öko-Bewusstsein der Konzernmitarbeiter verbessern sollten. Daimler-Chef Zetsche verkleidete sich als Grüner, sprach auf Einladung von Özdemir auf dem letzten Grünen-Parteitag und biederte sich dort an. Özdemir, der Erzieher, weiß besser über die Strategie für die deutsche Automobilindustrie Bescheid als deren Vorstände, die er als verschlafen und unfähig charakterisiert. Daimler, so erklärte er neulich im Sommerinterview, habe sich an Tesla beteiligt: „Große Fehlentscheidung, da auszusteigen“, meint Deutschlands führender Autoexperte und Unternehmensberater Cem Özdemir. Die Grünen, so fügte er hinzu, seien „die Einzigen, die gegenwärtig wirklich dafür kämpfen, dass wir auch in Zukunft in Deutschland Autos bauen werden“. Wie die Autos gebaut werden, das soll eben künftig nicht mehr in den Unternehmen bzw. von den Verbrauchern entschieden werden, sondern, so seine Vorstellung, in einer „Zukunftskommission“, die direkt bei der Bundesregierung angesiedelt sein solle. Die Automobilindustrie hat dann nur noch, wie in einer Planwirtschaft, das umzusetzen, was dort beschlossen wird.
Merkels Traumpartner
Sogar Wolfgang Schäuble, ansonsten gestern auf Schmusekurs mit Özdemir, wurde es bei Anne Will irgendwann zu bunt: „Sie können den Menschen doch nicht vorschreiben, welche Autos sie kaufen sollen“, hielt er Özdemir vor. Doch, genau das ist ja die grüne Philosophie: Der (grün regierte) Staat weiß es besser als Unternehmen und Verbraucher. Özedmir, so Schäuble, zeichne ein Zerrbild der deutschen Autoindustrie: „Sie sollten nicht mit besserwisserischer Attitüde andere belehren.“ Schäuble könnte sich ebenso gut über seine Chefin Angela Merkel aufregen, und vielleicht tut er das innerlich sogar.
Denn ich fürchte, alles, was Özdemir gestern sagte, ist ganz im Sinne von Angela Merkel, die damit ihren Traum-Koalitionspartner gefunden hätte. Nach der „Energiewende“, die schon heute ein totales Fiasko ist, wird ihr nächstes großes Projekt die „Mobilitätswende“. Was utopisches Denken anlangt, so hat Merkel die Grünen längst übertroffen: Starrsinnig hält sie an ihrem Planziel fest, dass bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen fahren. Bestätigt fühlt sie sich durch den starken prozentualen Anstieg bei Anmeldungen für Elektrofahrzeuge im August: Es wurden 143 Prozent mehr Elektrofahrzeuge angemeldet. NUR: Diese Zahl sagt gar nichts. Denn es waren genau 2177 Elektro-PKW von 253.679 neu zugelassenen PKW, also weniger als 1%.
Kürzlich erschienen, überall besprochen und beachtet: www.zitelmann-autobiografie.de