Demonstrationsverbot: Das gestörte Verhältnis der taz zum Rechtsstaat

Erschienen am 27. August 2020

Die taz bringt ein „Pro und Contra“ zu der Frage, ob das Demonstrationsverbot in Berlin richtig sei oder nicht. Sowohl die Pro- als auch die Contra-Position beweisen wieder einmal das gestörte Verhältnis der taz zum Rechtsstaat.

Wenn in der taz kontrovers diskutiert wird, stehen sich zwei Positionen gegenüber, die beide von einer tiefen Verachtung für elementare Regeln des Rechtsstaates zeugen:

Die Pro-Verbot-Position:

Die Vertreterin der Pro-Position (also: für das Demonstrationsverbot) räumt zwar ein: „In einer Demokratie allerdings haben auch sie [Rechtextreme] das Recht, sich zu äußern. Geisel betritt deshalb dünnes Eis, wenn er Gesinnungen ins Spiel bringt.“ Das wird als „Dilemma“ bezeichnet, aber dann kommt ein entlarvender Satz: „Trotz dieses Dilemmas ist das Verbot ein richtiger Schritt. Ein Nazi-Aufmarsch wie 2018 in Chemnitz, wo es rassistische Jagden auf Menschen gab, könnte auch bei dieser Großmobilisierung ein Szenario sein. Das gilt es zu unterbinden.“ Abgesehen davon, dass seinerzeit sowohl der Verfassungsschutz wie auch der Sächsische Ministerpräsident dezidiert der Darstellung von Merkels Regierungssprecher, es habe „Hetzjagden“ gegeben, widersprochen hat, ist diese Begründung wirklich haarsträubend: Mit dieser Begründung könnte man fast jede Demonstration verbieten. Morgen könnte jemand fordern, eine Demonstration gegen den Kapitalismus zu verbieten, weil es bei entsprechenden Demonstrationen (etwa zum G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017) zu massiver Gewalt gegen Polizisten gekommen war. Entlarvend ist der Satz deshalb, weil man sieht, dass ein zu erwartender Verstoß gegen Corona-Regeln eben nur vorgeschoben ist, denn die Position, dass das Demoverbot ein „richtiger Schritt“ sei wird ja nicht mit der Sorge begründet, dass gegen Hygienevorschriften verstoßen wird, sondern mit möglichen Ausschreitungen.

Die Contra-Position

Der Vertreter der Contra-Position ist ehrlich und sagt, worum es wirklich geht: „Seien wir ehrlich: Hätte das Verbot eine linke Demo getroffen – wie am vergangenen Samstag in Hanau –, hätte es, zumindest in der taz, nur eine Meinung gegeben: falsch. Demokratiefeindlich. Politisch motiviert.“ Gegen das Verbot wird von ihm ins Feld geführt, schließlich könnten künftig auch linke Demonstrationen davon betroffen sein: „Eine gesellschaftliche Linke sollte sich nicht die Hände reiben, wenn der Staat repressiv agiert, nicht zuletzt, weil sie selbst potenzielles Ziel solcher Maßnahmen ist.“ Doch auch der Verbots-Kritiker hat ein gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat. Denn er meint, die Verhinderung von Demonstrationen sei keine staatliche Aufgabe, sondern das gleiche Ziel solle besser durch „Antifaschisten“ erreicht werden, die die Demonstranten an der Ausübung des Demonstrationsrechtes hindern sollten: „Die richtige Antwort einer antifaschistischen Zivilgesellschaft wäre es, solche Demos durch Blockaden zu verhindern. Scheitert das Verbot vor Gericht, muss sie mehr bieten als staatsgläubige Schadenfreude.“ Dem Rechtsstaat wird also etwas abgesprochen, was selbsternannten „Antifaschisten“ als Recht zugesprochen wird, nämlich Demonstrationen Andersdenkender zu verhindern.

Meine eigene Meinung:

Ich halte absolut nichts von Verschwörungsspinnern, und es ist in der Tat zu erwarten, dass sich viele davon bei der Demonstration eingefunden hätten. Aber ich halte sehr viel vom Demonstrationsrecht – und das sollte sowohl für linke Antikapitalisten wie auch für rechte Zuwanderungskritiker gelten – und auch für Verschwörungsspinner und für Menschen, die immer noch nicht begriffen haben, dass Corona keine Erfindung, sondern eine gefährliche Krankheit ist. Vor wenigen Wochen hatte meine eigene Partei, die FDP, diese Position sehr klar formuliert: Pauschales Verbot von Demonstrationen wäre fatales Signal

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