Der Wohlfahrtsstaat hat nicht geholfen:
Afroamerikanern geht es schlechter als vor 50 Jahren

Erschienen am 4. April 2018

Heute vor 50 Jahren wurde der große Bürgerrechtler Martin Luther King ermordet. Die wirtschaftliche Lage der Afroamerikaner ist schlechter als damals. Jason L. Riley analysierte die Ursachen dafür in einem bemerkenswerten Buch.*

Zu denken geben sollte: In der Regierungszeit von Ronald Reagan, dem strikten Marktwirtschaftler, stiegen die realen Haushaltseinkommen der Schwarzen sogar stärker als die der Weißen. Dagegen verbesserte sich an der Situation der Afro-Amerikaner unter der Regierung Obama nichts. Jason L. Riley, selbst Afro-Amerikaner und über 20 Jahre Journalist beim „Wall Street Journal“, zog in seinem Buch „Please stopp helping us“ ein bitteres Fazit nach dem Ende der ersten Amtszeit von Obama: Als Obama im Januar 2009 seine erste Amtszeit begann, betrug die Arbeitslosenrate bei Afro-Amerikanern 12,7 Prozent, bei Weißen 7,1 Prozent. Am Wahltag für seine zweite Amtsperiode im November 2012 war sie auf 14,3 Prozent bei Afro-Amerikanern gestiegen und bei Weißen nahezu gleich geblieben (7 Prozent), „which meant that the black-white unemployment gap had not only persisted, but widened, during Obama’s first term“.

Politische Macht alleine hilft nicht
Politische Macht setzt sich eben keineswegs automatisch in verbesserte Lebensbedingungen um. Zwischen 1970 und 2001 stieg die Zahl der in politische Ämter gewählten Afro-Amerikaner von 1500 auf 9000. „But they would have to acknowledge, that this political success had not redounded to the black underclass. Between 1940 and 1960 – that is, before the major civil rights victories, and at a time, when black political power was nearly nonexistent – the black poverty rate fell from 87 percent to 47 percent. Yet between 1972 and 2011 – that is, after major civil rights gains, as well as the implementation of Great Society programs – it barely declined, from 32 percent to 28 percent, and remained three times the white rate, which is about what it was in 1972.“

Dass mehr oder weniger politischer Einfluss nicht unbedingt etwas mit der wirtschaftlichen Situation zu tun hat, zeigt auch ein Vergleich zu Amerikanern asiatischer Abstammung. Diese sind in den USA die am besten ausgebildete und am meisten verdienende Bevölkerungsgruppe. 49 Prozent von ihnen haben einen Bachelor-Abschluss, dagegen nur 31 Prozent der Weißen und 18 Prozent der Schwarzen. Das mittlere Haushaltseinkommen liegt für Amerikaner asiatischer Abstammung bei 66.000 USD, was 12.000 USD mehr ist als von weißen Haushalten und doppelt so viel wie von schwarzen Haushalten. Zugleich haben Amerikaner asiatischer Abstammung indes kaum einen politischen Einfluss. „Between 1990 and 2000 the number of elected officials grew by 23 percent among blacks but only 4 percent among Asians.“ „Empirically, political activity and political success have been neither necessary nor sufficient for economic advancement. Nor has eager political participation or outstanding success in politics been translated into faster group achievement.“

Der Grund für den großen wirtschaftlichen Erfolg von Amerikanern mit asiatischem Hintergrund sei deren sehr ehrgeizige Kultur, in der Disziplin und Streben nach Bildungsabschlüssen und wirtschaftlichem Erfolg einen besonders hohen Stellenwert hätten.

Martin Luther King: „We can’t keep on blaming the white man“
Riley fordert von den Afro-Amerikanern, selbstkritischer zu sein und die Schuld für nach wie vor bestehende Ungleichheiten nicht pauschal stets nur bei rassistischen Vorurteilen von Weißen oder in der Geschichte der Sklaverei zu suchen. Zustimmend zitiert er Martin Luther King: „We know there are many things wrong in the white world, but there are many things wrong in the black world, too. We can’t keep on blaming the white man. There are things we must do for ourselves.“

Die Verherrlichung von Gewalt und Drogendealern durch populäre Rapper ist nur eines von vielen Beispielen für die von Riley kritisierte Kultur. Riley zeigt anhand von Beispielen aus seinem eigenen Leben, wie schwer er es oftmals hatte, sich in seiner Umwelt zu behaupten, weil ihm sein ehrgeiziges Streben in der Schule und die Bemühung, korrektes Englisch zu sprechen als „Acting White“ vorgeworfen wurde. Mit dem Begriff „Acting White“ würden unter Afro-Amerikanern Verhaltensweisen kritisiert, die sich an den traditionellen amerikanischen bzw. angelsächsischen Werten orientierten. Ein besonderes Problem sei, dass in den USA traditionelle Familienwerte zunehmend zerstört würden. 2011 lebten 33 Prozent der Kinder in den Vereinigten Staaten allein mit ihrer Mutter und ohne Vater. Unter Afro-Amerikanern lag die Quote jedoch bei 64 Prozent. Selbst wenn man bei wirtschaftlich gleich gestellten Personen beider Gruppen den Anteil allein erziehender Mütter vergleiche, ergebe sich, dass 41 Prozent der armen Hispanics mit beiden Elternteilen aufwachsen, 32 Prozent von armen weißen Familien, aber nur 12 Prozent von armen schwarzen Familien. Die Wahrscheinlichkeit, in der Schule und im Berufsleben zu scheitern sei für Kinder alleinerziehender Mütter deutlich höher als für solche, die mit beiden Elternteilen aufwachsen. Und gerade im Ghettomilieu träten oft Gangs an die Stelle der schwachen bzw. nicht vorhandenen Familien und gäben den jungen Afro-Amerikanern eine vermeintliche Orientierung, die ihnen jedoch massiv schade.

Wohlfahrtsstaat hat den Afroamerikanern nicht geholfen
Der Wohlfahrtsstaat in den USA hat die Situation der schwarzen Bevölkerung nicht verbessert, sondern ist ein Hauptgrund dafür, dass es hier so wenige Fortschritte, ja sogar Rückschritte gab. Riley belegt, dass Einführung von Mindestlöhnen in den USA in den 30er Jahren sogar ein bewusstes Instrument war, „to protect white union workers from competition from nonunion blacks“. Ein solches rassistisches Motiv unterstellt er den heutigen Befürwortern von Mindestlöhnen in den USA natürlich nicht, aber er kommt zu dem Ergebnis, dass in der Tat die Hauptleidtragenden der Mindestlohn-Politik auch heute die Afro-Amerikaner sind. Es greife zu kurz, rassistische Diskriminierung als Ursache für höhere Arbeitslosigkeit anzuführen. Denn: „Yet in 1930, when racial discrimination was infinitely more open and rampant, the black unemployment rate was lower than that of whites. And until around 1950 the unemployment rate for young black men was much lower than today, and similar to whites in the same age group.“

Ein Hauptgrund für die weiter bestehende Ungleichheit sei das verfehlte Bildungssystem in Amerika. Riley nennt zahlreiche Beispiele von privaten Schulen, gerade in Vierteln wie Harlem, die ungleich bessere Ergebnisse zeigten als öffentliche Schulen. Die Bildungschancen von Schwarzen im traditionellen amerikanischen Schulsystem seien sehr gering. Auch hier wirke sich der übergroße Einfluss der Lehrergewerkschaften aus, die die Interessen der Lehrer als Berufsgruppe vertreten – und eben nicht die der Schüler. 2009 wollte Michael Bloomberg in New York zwei öffentliche Schulen in Harlem schließen und diese durch private Schulen ersetzen, weil diese sehr viel bessere Ergebnisse zeigten. Eine der Schulen hatte Platz für 628 Studenten, aber nur noch 194 besuchten dies. Die andere hatte Platz für 1007 Studenten, aber nur noch 310 besuchten sie. Die Eltern der Kinder hatten auf diese Weise bereits ihre Meinung zu den Schulen geäußert. Für die private Schule in Harlem bewarben sich 6000 Schüler auf 500 Plätze. Die privaten Schulen seien deshalb so viel effizienter, weil sie die Möglichkeit hätten, außerhalb der engen Regeln der Lehrergewerkschaft zu operieren.

Quoten haben nicht geholfen
Seit mehreren Jahrzehnten gibt es in den USA – beispielsweise an Universitäten – Quoten für „Minderheiten“ (nicht für alle, aber z.B. für Afro-Amerikaner). Um diese Quoten zu erreichen, wurden z.B. die erforderlichen Punktzahlen bei Aufnahmetests für Universitäten für Afro-Amerikaner gesenkt. „The history of affirmative action in academia since the 1970s is a history of trying to justify holding blacks to lower standards in the name of helping them.“ Der Autor zeigt, dass die positiven Wirkungen, die man sich davon erhofft hat, keineswegs eingetreten sind, dafür jedoch zahlreiche negative Wirkungen: Der Autor zitiert einen Kritiker: „Admitting black students by lower standards has precisely the opposite effect: It reinforces the pernicious notion that blacks are not academically talented.“ Durch die „affirmative action“ sei das verraten worden, wofür die Bürgerrechtsbewegung von Martin Luther King ursprünglich angetreten sei, dass nämlich die Hautfarbe in Amerika keine Rolle spielen dürfe.

* Jason L. Riley, Please Stop Helping Us. How Liberals Make it Harder for Blacks to Succeed, Encounter Books, New York / London 2014.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.