„Des Kaisers neue Kleider“, Josef Ackermanns Interview und Karl Otto Pöhls Sicht der Euro-„Rettung“

Erschienen am 17. Mai 2010

In meinem Kommentar von letzter Woche, den ich unmittelbar nach Bekanntwerden der Beschlüsse zur „Stabilisierung“ des Euro geschrieben hatte, erklärte ich, dass der Euro damit weiter geschwächt werde. Das ist in der vergangenen Woche noch schneller und dramatischer geschehen als ich dachte.

Ich stehe übrigens mit meiner Sichtweise keineswegs alleine, sondern habe jetzt einen guten Kronzeugen, und zwar den Ex-Bundesbank-Chef Karl Otto Pöhl. Ich empfehle jedem Leser, das Interview in der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL (17. Mai) zu lesen. Pöhl erklärt hier, es bestehe die „Gefahr, dass der Euro eine Schwachwährung wird…, weil wir nun quasi eine Garantie abgeben für eine ganze Reihe von Schwachwährungen, die nie im Euro hätten aufgehen dürfen.“

Der SPIEGEL fragt Pöhl: „Kann es sein, dass die Politik den angeblichen Angriff der Spekulanten nur erfunden hat, um eine Legitimation für den Bruch des Lissabon-Vertrages und die EZB-Satzung zu haben?“ Pöhls Antwort: „Natürlich ist das möglich. Es ist sogar plausibel.“

Das Gerede von den „Spekulanten“ weist Pöhl entschieden zurück: „Nein, das sind ganz ehrenwerte Institutionen, also Banken, aber auch Versicherungen, Investment- und Pensionsfonds, die die Situation ausnutzen.“ Es sei „völlig rational, dass diese Institutionen die Bonds abstoßen – gerade weil sie unsicher werden. Und dann kaufen sie andere Investoren, zu einem niedrigeren Preis. Die erhalten dann eine höhere Rendite – haben aber auch ein höheres Risiko.“ Das sei „ganz normales Marktgeschehen“, so Pöhl.

Der von Angela Merkel penetrant wiederholten und an dieser Stelle immer wieder kritisierten Behauptung, für das Rettungspaket habe es keine Alternativen gegeben, entgegnet der ehemalige Bundesbankpräsident: „Ich glaube das nicht. Natürlich hätte es Alternativen gegeben.“ 

Ich schrieb in dem Kommentar in der letzten Woche auch:
„Offenbar beabsichtigt die Politik, die Zweifler an den Finanzmärkten zum Schweigen zu bringen, damit es keine Instanz mehr gibt, die wirksam Zweifel am Kurs der Politik artikulieren kann. Die Politik beansprucht das Deutungsmonopol – und dies möchte sie brachial durchsetzen.  Kennen Sie das Märchen von ‚Des Kaisers neuen Kleidern’? In dem Märchen spricht ein Kind aus, was jeder sehen kann: ‚Der Kaiser ist nackt’. Nun will man das Kind zum Schweigen bringen, auf das man nur noch das Gerede der Politiker vernehme.“
Die Rolle des Kindes, das die Wahrheit aussprach, spielte in der vergangenen Woche Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann, der in einer Talk-Show sagte: „Ob Griechenland über die Zeit wirklich in der Lage ist, diese Leistungskraft aufzubringen, das wage ich zu bezweifeln.“ Ein Sturm der Entrüstung gegen Ackermann war die Folge. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG titelt auf Seite 1 in großen Lettern: „Politiker zürnen Ackermann.“ Die Bundeskanzlerin ließ ihren Missmut über Ackermanns Äußerungen zum Ausdruck bringen und der Bundeswirtschaftsminister nannte dessen Aussage „überraschend, ungewöhnlich und ärgerlich“. Aus den Reihen der Oppositionsparteien kamen noch schärfere Attacken – sie nannten Ackermanns Äußerungen eine „Unverschämtheit“.
Dabei hat der Deutsche Bank-Chef nur das ausgesprochen, was die meisten vernünftigen Menschen denken. Er hatte es gewagt, Zweifel zu artikulieren, ob Griechenland seine Schulden werde zurückzahlen können. Muss der Chef einer privaten Bank zuvor mit dem Bundeskanzleramt abstimmen, was er in einer Talkshow sagen darf und was nicht?  

Die Nerven der Politiker sind offenbar überreizt. Jim Rogers, für mich einer der intelligentesten Analysten und Hedgefonds-Manager, erklärte jetzt zu dem Vorwurf, die „Spekulanten“ verdürben den Euro:

„Politiker haben die gigantischen Defizite aufgetürmt, nicht Spekulanten. Politiker haben über ihre Defizite gelogen, nicht Spekulanten. Politiker haben sich entschieden, jedes Land mit hohem Defizit herauszuhauen, nicht Spekulanten.“ 

Ich habe in den IMMOBILIEN NEWS immer wieder empfohlen, neben Immobilien auch 10% des Vermögens in Gold anzulegen. Wer diesem Rat gefolgt ist, dürfte sich freuen – denn vergangene Woche erreichte der Goldpreis pro Unze erstmals fast den Preis von 1000 Euro. Inzwischen ist ein wahrer Ansturm auf das Gold ausgebrochen. Der SPIEGEL berichtet am 17. Mai: „Nur unter großen Mühen können Pro-Aurum-Chef Robert Hartmann und seine 45 Mitarbeiter in der Münchener Zentrale den Andrang bewältigen, den Online-Shop musste Hartmann sogar zeitweise schließen. ‚Wir arbeiten alle am Anschlag’, sagt er.“ 

Auch meine Empfehlung, einen Teil seines Geldes im US-Dollar anzulegen, musste niemand bereuen – denn inzwischen ist der Wert des Euro von etwa 1,60 USD auf 1,23 USD gefallen.  

Ich hoffe nur, dass ich mit einer anderen politischen Prognose Unrecht behalte, die ich am 7. Februar in den IMMOBILIEN NEWS 6-2010 gab. Dort hieß es:
„Die objektiv dringend notwendigen Reformen werden nicht stattfinden. Stattdessen wird die Linksunion aus SPD, Grünen und Linkspartei erstarken und in Nordrhein-Westfalen eine Linksregierung im größten deutschen Bundesland bilden und damit die Regierungsübernahme im Bund für spätestens 2013 proben.“ Inzwischen haben die linken Parteien in NRW tatsächlich die Wahl gewonnen und führen tatsächlich auch bereits „Sondierungsgespräche“ über eine Zusammenarbeit. Ich hoffe nur, dass die Vernunft doch noch siegt. Gerne würde ich in einer der nächsten Ausgaben der IMMOBILIEN NEWS bekennen, dass ich mit dieser Prognose unrecht behalten habe.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.