In einem Geschichtsbuch des Jahres 2116 lesen wir in dem Kapitel „Die Ära Merkel“:
Angela Merkel (CDU) war von 2005 bis 2017 Bundeskanzlerin. Sie war über weite Teile ihrer Kanzlerschaft in Deutschland sehr beliebt. Ihre Amtsperiode war von ständig sinkenden Arbeitslosenzahlen begleitet. Dies war jedoch, wie Wirtschaftshistoriker in zahlreichen Studien nachgewiesen haben, nicht Ergebnis ihrer Wirtschaftspolitik, sondern jener ihres Vorgängers Gerhard Schröder (SPD). Dieser hatte mit seiner „Agenda 2010“ gegen den Widerstand seiner eigenen Partei marktwirtschaftliche Reformen eingeleitet, die die Basis für einen Wirtschaftsaufschwung und einen Rückgang der Arbeitslosenzahlen legten.
In der Regierungszeit von Merkel kam es jedoch dann durch einige ihrer Entscheidungen zu einer Phase, die Historiker heute als „Erosion des Rechtsstaates“ bezeichnen. Unter der Devise „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ betrieb sie eine Politik, die mit zahlreichen Rechtsbrüchen verbunden war. Vor allem verstieß sie gegen das sogenannte „Bail out“-Verbot des Maastrichter Vertrages. Dies trug maßgeblich dazu bei, dass sich die EU zu einer Transferunion entwickelte, die dann in den Jahren ab 2020 zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen Deutschlands führte und schließlich einer der Gründe für die zunehmenden Konflikte zwischen europäischen „Geber“- und „Nehmerländer“ war.
Nachdem Griechenland im Jahr 2017 aus der Eurozone ausscheiden musste, wurde deutlich, dass die von Angela Merkel verantwortete „Euro-Rettungspolitik“ gescheitert war. Allein die gescheiterte Griechenland-Rettung führte zu einer Belastung Deutschlands in Höhe von fast 100 Milliarden Euro.
Die wirtschaftlichen Probleme der Ära nach dem Ende der Kanzlerschaft von Angela Merkel waren jedoch auch das Ergebnis der von ihr eingeleiteten „Energiewende“. Nachdem es in Japan zu einem Erdbeben und einer Reaktorkatastrophe gekommen war, entschied Merkel spontan einen sehr schnellen Ausstieg aus der Kernenergie. Bis zum Jahr 2010 war die Physikerin eher als Befürworterin der Kernenergie bekannt. Ihre Entscheidung zur Abschaltung der Kernkraftwerke war daher nicht Ausdruck innerer Überzeugungen, sondern die Machtpolitikerin Merkel wollte damit der Partei „Die Grünen“ ein Wahlkampfthema wegnehmen.
Die Entscheidung zur Abschaltung der Kernkraftwerke war rechtswidrig, wie die obersten Gerichte in Deutschland feststellten, nachdem führende Energieunternehmen dagegen klagten. Die von Merkel eingeleitete Energiewende, die in dieser Form in keinem anderen Land der Welt betrieben wurde, fand zunächst die Zustimmung weiter Teile der deutschen Bevölkerung, führte aber in den folgenden Jahren zu dreistelligen Milliardenbelastungen und war einer der Gründe dafür, dass Deutschland in der Nach-Merkel-Ära zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit verlor. Diese Belastungen waren vorhersehbar, denn der damalige Umweltminister und spätere Kanzleramtsminister von Angela Merkel, Peter Altmeier, hatte bereits im Februar 2013 in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärt, dass sich die Kosten der Energiewende bis zum Ende der 30er Jahre auf rund eine Billion Euro summieren würden. Zwar wurde die Energiewende dann angesichts der massiven wirtschaftlichen Verwerfungen von Merkels Nachfolgern abgebrochen, doch der wirtschaftliche Schaden war bereits eingetreten.
Zu einer weiteren Erosion des Rechtsstaates kam es im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise der Jahre ab 2015. In den Jahren 2015/2016 wurden von der Regierung Merkel zahlreiche völkerrechtliche Verträge gebrochen, insbesondere das Dublin-Ankommen. Kern dieses Abkommens war, dass der Staat, in den ein Asylbewerber zuerst eingereist ist, das Asylverfahren durchführen muss. Historiker argumentieren heute, dass dieses Abkommen unfair gegenüber Ländern wie Italien und Griechenland war. Sie fügen jedoch hinzu, dass die einzige Chance zur Änderung des Abkommens darin gelegen hätte, es zunächst einmal konsequent anzuwenden.
Historiker diskutieren nun seit Jahrzehnten, was Angela Merkel dazu bewog, im Oktober 2015 in einem Fernsehinterview zu erklären, dass Deutschland nicht in der Lage sei, seine Grenzen zu sichern. „Es liegt nicht in meiner Macht, wie viele zu uns kommen“, lautete die Erklärung Angela Merkels. Diese für eine Regierungschefin „ganz ungewöhnliche Einlassung“, so argumentieren Historiker, sei einmalig in der Geschichte.
Mit ihrer Flüchtlingspolitik isolierte Merkel Deutschland zunehmend von allen anderen europäischen Staaten und machte damit die europäische Integrationspolitik, die von allen ihren Vorgängern betrieben worden war, zunichte. Zunächst wandten sich vor allem die ost- und mitteleuropäischen Staaten gegen die Politik der unkontrollierten Masseneinwanderung. 2016 stellten sich auch alle anderen europäischen Länder, so etwa Frankreich und Großbritannien, gegen die von Deutschland betriebene Flüchtlingspolitik. Angela Merkel hielt jedoch unbeirrt von der Kritik im In- und Ausland an ihrer Politik fest, was zu immer schärferen Auseinandersetzungen mit anderen europäischen Staaten führte. Historiker sprechen heute von einem verhängnisvollen „deutschen Sonderweg“ in der letzten Amtsperiode von Angela Merkel, der das Land in der Mitte Europas zunehmend isolierte.
In Deutschland selbst führte Merkels Politik zu bis dahin für nicht möglich gehaltenen Wahlerfolgen der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“. Die Wahlerfolge der AfD und die chaotischen Verhältnisse in vielen Bundesländern führten dazu, dass Merkel in ihrer eigenen Partei immer stärker isoliert wurde. Historiker streiten bis heute darüber, warum es nicht schon eher zu einer Rebellion in der von ihr geleiteten CDU gegen die Kanzlerin kam. Zur Erklärung weisen sie darauf hin, dass es Merkel schon in dem Jahrzehnt davor durch eine „geniale Machtstrategie“ gelungen war, alle innerparteilichen Kritiker auszuschalten.
Merkel wandte sich auch dann noch dagegen, die deutschen Außengrenzen besser zu sichern, als deutlich wurde, dass ihre Politik, die anderen europäischen Staaten von ihrem Kurs einer „grenzenlosen Willkommenskultur“ zu überzeugen und ebenfalls zur Aufnahme von Millionen Flüchtlingen zu bewegen, gescheitert war.
Zuletzt wurde Merkel innenpolitisch nur noch von der Partei „Die Grünen“ unterstützt, was letztlich dazu führte, dass sie im Deutschen Bundestag die Vertrauensfrage stellte und im Ergebnis eines negativen Votums zurücktreten musste.
Historiker ziehen heute übereinstimmend eine eindeutig negative Bilanz der „Ära Merkel“. Erfolgreich war sie zunächst deshalb, weil sie von den Reformen ihres Vorgängers Gerhard Schröder profitierte. Die wirtschaftlichen Verwerfungen der Nach-Merkel-Ära werden ihr jedoch ebenso zugerechnet wie die zunehmende Isolation Deutschlands in der Europäischen Union und die dramatische „Erosion des Rechtsstaates“, die heute als wesentliches Merkmal der letzten Regierungsperiode von Angela Merkel gesehen wird.
Historiker streiten heute jedoch darüber, ob Merkel als „opportunistische Machtpolitikern“ charakterisiert werden sollte, „die keine inneren Überzeugungen hatte, außer jener, um jeden Preis regieren zu wollen“, oder ob ihre Politik in der letzten Phase vielmehr Ausdruck eines „überbordenden, protestantisch geprägten Idealismus“ war, der maßgeblich durch den „grünen Zeitgeist“ zu Beginn des letzten Jahrhunderts geprägt war.
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