Die verrückte Börse: Mr. DAX als Kontraindikator und der Gender Index in Hannover

Erschienen am 23. April 2015

Am vergangenen Mittwoch hätte ich fast alle meine Aktien verkauft. Der Grund war ein großes Interview im HANDELSBLATT auf Seite 5 mit „Mr. DAX“. Sicher kennen Sie ihn auch – jeder kennt ihn. Denn Dirk Müller (von den Medien „Mr. DAX“ getauft), arbeitete jahrelang zufällig direkt unter der Kurstafel an der Frankfurter Börse. So leicht wird ein X-beliebiger Aktienhändler zum „Börsenexperten“ – und die Fernsehjournalisten interviewten ihn stets gerne.

Jetzt hat ihn das HANDELSBLATT interviewt. „Die Deutschen verpassen ihre Rally“, lautete die Überschrift. Dirk Müller beklagt, dass die Deutschen nicht genug Aktien kaufen: „Spätestens jetzt ist es an der Zeit, anders anzulegen. Langfristig führt kein Weg an Sachwerten wie Aktien vorbei… Zum Glück höre ich von Sparkassen und Banken immer öfter, dass Aktien von den Kunden wieder stärker nachgefragt werden.“ Der Journalist vom HANDELSBLATT warf daraufhin ein: „Reichlich spät…“ Mr. DAX dazu: „Es ist das alte Problem. Als Anleger ticken die Menschen komplett anders als im realen Leben. Im Supermarkt suchen sie immer nach billigen Angeboten, an der Börse kaufen sie hingegen zu völlig überteuerten Preisen.“ Der Journalist vom HANDELSBLATT fragte nach: „Wer jetzt nicht dabei ist, sollte also auch nicht mehr einsteigen?“. Mr. DAX: „Doch, auf jeden Fall. Aktien gehören in jedes Depot hinein.

Nun, so weit so gut. Ja, Mr. DAX hat Recht, es ist das alte Problem. Niemand kennt es besser als er selbst! Derselbe Mr. DAX veröffentlichte nämlich (davon konnte man im HANDELSBLATT diesmal nichts lesen) im Januar 2009 ein Buch mit dem Titel „Crashkurs“, das mehrere Wochen auf Platz 1 der SPIEGEL-Sachbuch-Bestsellerliste stand. Darin schrieb er: „Aktien und Aktienfonds gehören in diesen unsicheren Zeiten einfach nicht ins Depot.“ (S. 140) Beim Erscheinen des Buches stand der DAX bei 4.171 – er war ja massiv durch die Finanzkrise gefallen. An dem Tag, an dem das HANDELSBLATT das Interview veröffentlichte, stand der DAX bei 11.867.

Deshalb sage ich: Mr. DAX ist für mich ein treffsicherer Prophet – aber nur als Kontraindikator. Hätten Sie damals genau das Gegenteil dessen getan, was Mr. DAX empfohlen hat, dann hätten Sie Ihr Geld – vom Erscheinen des Buches bis zum Erscheinen des Interviews – fast verdreifacht. Übrigens hat es Mr. DAX wegen seiner besonderen Expertise jüngst sogar zum Fondsmanager gebracht.

Es gibt viele Arten, unsinnig zu investieren. Die neueste Variante: Investieren Sie in den „German Gender Index“. Kein Witz! Der neue Index der Börse Hannover umfasst 50 Unternehmen, die sich aktiv um die Besetzung von Frauen in der obersten Führungsebene engagieren. Wer viele Frauen im Vorstand hat, bekommt doppelte Pluspunkte, für viele Frauen im Aufsichtsrat gibt es einfache Pluspunkte. Zum Start des Index sind Unternehmen wie die Munich Re und die Lufthansa im Index enthalten. Vielleicht tröstet das die Lufthansa-Aktionäre, deren Aktie – trotz vorbildlicher Frauenförderung – auf Sicht von zwölf Monaten 34 Prozent einbüßte, mehr als jeder andere Titel im DAX. Naja, die Lufthansa-Frauen konnten die Piloten auch nicht vom Dauerstreiken abhalten.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.