Dietmar Hopp: So hat alles angefangen…

Erschienen am 2. März 2020

Wer ist eigentlich Dietmar Hopp, der Milliardär, gegen den derzeit viel gehetzt wird? Wie wurde er überhaupt so reich? Wie fing alles an? Hier ein Auszug aus meinem Buch „Setze dir größere Ziele“.

Ein Fehler großer Unternehmen besteht häufig darin, dass sie die Potenziale und Ideen von Mitarbeitern nicht erkennen, die sich dann lieber selbständig machen. Auch hier ist IBM ein gutes Beispiel. 1972 gründeten fünf ehemalige Mitarbeiter der deutschen Niederlassung von IBM ein eigenes Unternehmen, die Gesellschaft SAP. Einer davon war Dietmar Hopp. Die SAP AG ist heute eine der größten Softwarefirmen der Welt mit über 100.000 Mitarbeitern, einem Umsatz von 25 Milliarden Euro und einem Betriebsgewinn von 4,5 Milliarden Euro (2019).

IBM verschlief Entwicklungen

Begonnen hatte es damit, dass IBM einige seiner besten Mitarbeiter frustrierte, die Marktentwicklungen besser erkannten als der Konzern. Einer davon war Dr. Claus Wellenreuther, der 1966 nach dem Studium an der Universität Mannheim als Systemberater bei IBM angefangen hatte. Wellenreuther, der als gelernter Diplomkaufmann neben all den Physikern, Mathematikern und Ingenieuren bei SAP eher ein Außenseiter war, entwickelte sich zum Spezialisten für die Entwicklung von Computerprogrammen für die Finanzbuchhaltung. „Buchhaltung und Wellenreuther“, so fasst der SAP-Mitgründer Dietmar Hopp zusammen, „war bei IBM ein Begriff“.
IBM hatte sich zu dieser Zeit fast ausschließlich auf den Verkauf von Hardware fokussiert; die Bedeutung der Software erkannte man lange nicht. Mitte 1971 beschloss IBM, die Buchhaltungssoftware, das Steckenpferd von Wellenreuther, zentralisiert zu entwickeln. „Ich hatte mir vorgestellt“, so Wellenreuther, „dass ich bei der Projektführung berücksichtigt würde. Ich hatte mich ja die ganze Zeit fast ausschließlich um Finanzbuchhaltung gekümmert.“ Ihm wurde jedoch bedeutet, dass er für diese Aufgabe nicht in Frage käme, da so etwas nur Managern vorbehalten sei. Wellenreuther sah, dass er sich in einer Sackgasse befand und sich bei IBM nicht mehr weiterentwickeln konnte. Er nahm erst mal seinen aufgelaufenen Urlaub von zwei Monaten und nutzte die Zeit, um nachzudenken. Das Ergebnis seines Nachdenkens: Er kündigte und machte sich Anfang Oktober 1971 selbständig. An seinem Klingelschild stand nun „Systemanalyse Programmentwicklung“ zu lesen.
Auch ein anderer IBM-Mitarbeiter begann nachzudenken, Dietmar Hopp. Er galt bei IBM als Spezialist für die sogenannte Dialogprogrammierung. Bei diesem Verfahren wurden – so wie es heute längst mit jedem PC üblich ist – die Programmbefehle direkt nach der Eingabe ausgeführt, während sie früher erst zeitversetzt von Computern abgearbeitet worden waren.

Drei Mitarbeiter machen sich selbstständig

IBM hatte bis dahin die Entwicklung von Anwendungsprogrammen weitgehend ihren Kunden und Beratern überlassen und diese dabei jeweils individuell unterstützt. Jedes Mal wurde das Rad wieder neu erfunden, mit erheblichen Kosten für die Kunden. „Was wir bei IBM machen“, erkannte Hopp, „ist bei jedem Kunden immer dasselbe. Das können wir doch standardisieren.“ Hopp nahm sich vor, eine Standard-Software zu entwickeln, die in möglichst vielen Unternehmen angewendet werden könnte. Mit dieser Idee machten sich er, Wellenreuther, Hasso Plattner und zwei andere ehemalige IBM-Mitarbeiter selbständig.
Den Firmengründern war klar, dass sie sehr schnell sein mussten. Denn wenn sie Erfolg hätten, würden andere Firmen – vielleicht auch IBM – ihre Idee kopieren. Es genügte nicht, eine geniale Idee zur Entwicklung einer Standardsoftware zu haben und gut programmieren zu können, sondern entscheidend war darüber hinaus ein richtiger Vertriebsansatz.
Bald schon merkten die Gründer von SAP, dass es wenig Sinn hatte, die Idee bei den Computerfachleuten von Großunternehmen vorzustellen, die auf den ersten Blick ja die richtigen Ansprechpartner waren. Doch dieser Ansatz erwies sich schnell als falsch. Denn die Computerspezialisten in den Firmen befürchteten erstens, sich selbst und ihre Mitarbeiter überflüssig zu machen, und zweitens hatten sie Angst, dass Fehler und Unzulänglichkeiten, die bislang in ihrer Firma deshalb niemand bemerkt hatte, weil niemand außer ihnen etwas von Computern verstand, auf einmal bemerkt würden.
Statt also ihre neue Standardsoftware bei den EDV-Leitern in den Unternehmen anzubieten, setzte SAP ganz oben an, bei den Vorständen und Finanzvorständen der Unternehmen. Das war die erste gute vertriebliche Idee. Noch wichtiger war jedoch, dass man beim Vertrieb von Anfang an auf die Kooperation mit den großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie mit den Hardware-Herstellern setzte. Schließlich war es viel leichter, einem Unternehmen die Software zu verkaufen, wenn man sie nicht selbst anpreisen musste, sondern wenn diese von unabhängigen Beratern empfohlen wurde, die das Vertrauen der Vorstände und Finanzvorstände genossen.

„Innovationsfähigkeit ist für uns gleichbedeutend mit Wirtschaftlichkeit“

SAP konnte sich so vor allem auf die ständige Weiterentwicklung und Optimierung ihrer Software konzentrieren. „Innovationsfähigkeit“, so Hopp, „ist für uns gleichbedeutend mit Wirtschaftlichkeit.“ Dabei gehöre der ständige Selbstzweifel, „ob nicht andere besser sind und uns überholen könnten“, zur SAP-Kultur. „Diese Unsicherheit hat uns immer wieder angetrieben.“ Als warnendes Beispiel hatte er die Firma Nixdorf vor Augen, die sich ganz auf den Vertrieb fokussiert und dabei die Produktentwicklung sträflich vernachlässigt habe – und eben daran gescheitert sei.
SAP war konsequenter und schneller als der Wettbewerb, weil man sich ausschließlich auf die Entwicklung von Standardsoftware konzentrierte. „Die Konkurrenz schwankte noch jahrelang zwischen dem Vorfertigen von Standard- und dem Maßschneidern von Individual-Software oder verausgabte sich auf Spezialgebieten.“ SAP gelang es rasch, fast alle führenden deutschen Unternehmen als Kunden zu gewinnen, und hatte binnen weniger Jahre auf dem deutschen Markt praktisch ein Monopol. Heute ist SAP der größte europäische Softwarehersteller, und nur in den USA gibt es noch drei größere Unternehmen in diesem Segment. Begonnen hatte alles damit, dass IBM einerseits neue Entwicklungen nicht rechtzeitig verstanden hatte und andererseits fähigen Mitarbeitern, die besser in der Lage waren, diese zu erkennen als das Management, keine Chance und keinen Freiraum zur Weiterentwicklung im Unternehmen gegeben hatte.

Auszug aus: Setze dir größere Ziele

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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.