Dr. Dr. Rainer Zitelmann im Interview: „Ich finde es gemein, wenn man Menschen macht- und hilflos macht“

Erschienen am 12. September 2019

Herr Zitelmann, Sie haben mal wieder ein neues Buch geschrieben – „Die Kunst des erfolgreichen Lebens“! Warum immer erfolgreich, Diogenes in der Tonne war glücklich wider den Erfolg.

Zitelmann: Wer in der Tonne leben und dabei glücklich sein will: Ich habe ja nichts dagegen. Vielleicht ist das sogar eine grüne Alternative im Kampf gegen den Klimawandel. Für mich selbst wäre das allerdings nichts. Ich schreibe meine Bücher für Menschen, die noch erfolgreicher sein wollen, die anderen werden ein Buch mit einem solchen Titel sowieso nicht kaufen. Vielleicht schreibt jemand für die ein Buch über „Grünes Glück in der Tonne“.

Der Aphorismus ist komprimiertes Gedankengut. Nietzsche bediente sich ob seiner Krankheit immer wieder dieses Stilmittels. Warum kommen Sie heute auf den Aphorismus zurück?

Zitelmann: „Ein guter Aphorismus ist die Weisheit eines ganzen Buches in einem Satz“, hat Theodor Fontane gesagt. Ich bilde mir nicht ein, klüger zu sein als all die klugen und erfolgreichen Menschen, deren Zitate ich zusammengetragen habe. Dennoch sind Auswahl und die Kommentierung natürlich das, was dem Buch meine persönliche Note gibt.

Was haben Warren Buffett und beispielsweise Marc Aurel gemeinsam?

Zitelmann: Egal, wie man Marc Aurel beurteilen will – und da gäbe es viel Kritisches zu sagen – so ist doch wahr: Beide, Marc Aurel, der Philosophenkaiser und Warren Buffett, reflektierten viel mehr als die meisten anderen Staatsmänner und Investoren. Deshalb stammen von ihnen viele Aussprüche, über die es sich lohnt, nachzudenken. Von Marc Aurel zitiere ich zum Beispiel: „Das Leben eines Menschen ist, was seine Gedanken aus ihm machen.“ Das ist für mich ein wichtiger Gedanke, vielleicht auch eine Antithese zu Karl Marx, der sagte: „Das Sein bestimmt das Bewusstsein.“ Auch wenn etwas Wahres an dem Ausspruch von Marx ist, so ist die andere Seite der Medaille für uns alle viel wichtiger: Wir sind das, was wir den ganzen Tag denken. Buddah dürckte das so aus:  „Was wir heute sind, stammt aus unseren Gedanken von gestern, und unsere Gedanken von heute erschaffen unser Leben von morgen: Unser Leben entsteht aus unserem Geist.“

Warum sollte man die Autobiographie Schwarzeneggers unbedingt lesen?

Zitelmann: Mich haben nur wenige Biografien so beeindruckt wie „Total recall“ von Schwarzenegger. Er kam aus einfachen Verhältnissen und setzte sich als Teenager das Ziel, der berühmteste Bodybuilder der Welt zu werden. Damals lachten die Leute über ihn, aber er erreichte sein Ziel. Dann sagte er, dass er einer der bestbezahlten Schauspieler in Hollywood werden wollte. Die Leute lachten noch mehr: Wann hatte das ein Europäer geschafft? Und noch dazu einer mit so einem komischen Körper, einem unaussprechlichen Namen und einem starken Akzent? Schwarzenegger erreichte auch dieses Ziel; allein mit seinem Film „Twins“ verdiente er über 35 Millionen Dollar. Schon 1977 sagte er in einem Interview mit dem „Stern“, wenn er die anderen Ziele erreicht habe, werde er vielleicht in die Politik gehen. US-Präsident konnte er, weil nicht in den USA geboren, nicht werden. Aber er wurde zwei Mal zum Gouverneur von Kalifornien, damals die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt. Denken Sie nicht auch, dass es lohnt, sich mit der Einstellung, mit dem „Mindset“, wie man heute sagt, eines solchen Menschen zu befassen und zu fragen, was man von ihm lernen kann? Hier ein Artikel, den ich in Forbes dazu geschrieben habe: Zu Forbes.com

Viele Ihrer Bücher handeln vom finanziellen Erfolg, warum ist das eigentlich im Leben so wichtig. Finanzieller Erfolg ist schön, aber macht er auch glücklich?

Zitelmann: In dem neuen Buch handelt eines von 20 Kapiteln über das Thema „Reich werden“. 19 Kapitel handeln von anderen Dingen. Aber ja: Finanzielle Freiheit ist wichtig. Es gibt ja den Spruch: „Geld allein macht nicht glücklich.“ Das ist banal. Man kann ebenso gut auch sagen: „Sex allein macht nicht glücklich“. Aber schöner Sex trägt doch wesentlich zum Lebensglück bei – finde ich auf jeden Fall. Und auch finanzielle Freiheit kann dazu beitragen. Finanziell frei zu sein heißt doch: Ich arbeite nicht deshalb, weil ich arbeiten muss (um meine Rechnungen zu bezahlen), sondern ob ich arbeite, was ich arbeite, wie ich arbeite und wann ich arbeite, bestimme alleine ich. Glauben Sie nicht, dass das zum Lebensglück ganz entscheidend beiträgt? Für Menschen, die sagen, Geld sei unwichtig, habe ich auch eine kleine Empfehlung in meinem Buch: Machen Sie diese Woche eine Liste von allen Problemen, mit denen Sie in den vergangenen zwölf Monaten konfrontiert waren (egal ob finanzieller oder anderer Natur). Dann schreiben Sie auf, welche dieser Probleme Sie nicht gehabt hätten, wenn Sie zehn Millionen Euro Vermögen hätten. Sie werden sehen, wie viele Probleme dann schon verschwunden sind, angefangen von der Autoreparatur bis zur Mieterhöhung. Danach schreiben Sie auf, welche der verbleibenden Probleme (Gesundheit, Liebeskummer etc.) mit zehn Millionen Euro leichter zu ertragen gewesen wären. Und dann beantworten Sie noch mal die Frage, ob Geld unwichtig ist.

Ihr neues Buch ist mehr oder weniger ein Ratgeber, doch derselben gibt es viele. Was würden Sie sagen ist ein Alleinstellungsmerkmal, warum sollte ich mir gerade dieses Buch kaufen?

Zitelmann: Erstens: Wer Bücher über Erfolg kauft, sollte sich die Person anschauen, die das Buch geschrieben hat. Hat der Autor in verschiedenen Lebensbereichen wirklich Erfolge vorzuweisen? Das trifft auf mich zu, wie auch für Sie, Herr Groß. Wir beide haben zwei Doktortitel, darüber hinaus bin ich inzwischen weltweit ein erfolgreicher Autor und habe mit meinen Investitionen aus Nichts viele Millionen gemacht. Also der Autor ist schon wichtig: Sie würden sich ja auch nicht von einem spindeldürren Leptosomen erklären lassen, wie man  Muskeln aufbaut oder von einem Hartz IV-Empfänger, wie man reich wird. Zweitens: Ich selbst kenne viele Erfolgsbücher, aber keines, das eine so ungewöhnliche Mischung von Zitatgebern/Kronzeugen enthält. Es gibt in dem Buch die Philosophen und die großen Denker ebenso wie die erfolgreichen Sportler oder Unternehmer. Sie finden Goethe neben Schwarzenegger, was vielen Bildungsbürgern bestimmt aufstößt. Ich finde aber, sie beide haben uns etwas zu sagen.

Sie haben in Ihrem neuen Buch viele Zitate versammelt, gibt es da eines, das Sie über alle anderen stellen würden?

Zitelmann:  „Die größte Gefahr besteht für die meisten von uns nicht etwa darin, ein Ziel zu hoch anzusetzen und zu scheitern, sondern es zu niedrig anzusetzen und es zu erreichen.“ Das ist ein Zitat von Michelangelo. Warum es mir so wichtig ist? Ich frage mich manchmal: Was muss es für ein schmerzhaftes Gefühl sein, wenn man alt geworden ist und sich selbst die Frage stellt, ob man nicht wesentlich mehr in seinem Leben hätte erreichen können, wenn man es gewagt hätte, sich größere Ziele zu setzen. Meine Überzeugung: Die meisten Menschen haben keine größeren Erfolge, weil sie sich keine größeren Ziele setzen. Das ist übrigens auch die These meines weltweit erfolgreichsten Buches „Setze die größere Ziele“, das schon in viele Sprachen übersetzt wurde und im Oktober und November auch in Großbritannien, den USA und China erscheinen wird. In meinem Buch schreibe ich: Stellen Sie sich vor, Sie setzen sich ein ehrgeiziges Ziel und erreichen es auch. Das tut gut. Sie wissen dann, dass es funktioniert. Aber stellen Sie sich dann einmal die Frage, ob Sie nicht vielleicht auch ein sehr viel größeres Ziel hätten erreichen können. Hätte das nicht auch funktioniert? Im Zweifel setzen Sie sich lieber ein Ziel, das Ihnen zu groß erscheint, als sich mit dem zu begnügen, was einfach und sicher erreichbar ist.

Aber wer sich aus Angst davor, zu scheitern, keine größeren Ziele setzt, ist in Wahrheit heute schon gescheitert, weil wir nur selten größere Dinge erreichen werden, als wir uns vornehmen und zutrauen. „Niemand weiß, wie weit seine Kräfte gehen, bis er sie versucht hat“, so Johann Wolfgang von Goethe.

Sie schreiben u.a. „Der Sinn des Lebens ist nicht einfach zu existieren, zu überleben, sondern sich voranzubringen, aufzusteigen, zu leisten, zu erobern“. Das klingt nach Nietzsches Übermensch. Aber von dieser Kategorie gibt es nicht viele. Was empfehlen Sie Menschen, die von Natur aus schwach, arm und unmotiviert sind?

Zitelmann: Das Zitat, das Sie anführen, ist von Arnold Schwarzenegger. In Ihrer Frage werfen Sie verschiedene Dinge in einen Topf, die nicht zusammengehören. Wer unmotiviert ist, dem kann ich gar nichts empfehlen. Denn unmotivierte Menschen, also solche, die sich nicht für Erfolg interessieren, werden das Buch sowieso nicht kaufen. Ich richte mich ausschließlich an Menschen, die an Erfolg interessiert sind, die sich weiterentwickeln wollen, die wachsen wollen. Wenn Sie aber in Ihrer Frage von Menschen sprechen, die „von Natur aus schwach“ oder „von Natur aus arm“ sind, dann sage ich Ihnen: Jeder Schwache kann stärker werden und in unserem Land kann auch jeder Arme wohlhabender werden, wenn er die richtige Einstellung hat. Ich finde es gemein, wenn man Menschen macht- und hilflos macht, wie das die Linksgrünen tun, die Menschen gerne in einer Opferrolle bestärken. Ich mache das Gegenteil: Ich möchte Menschen ermutigen. Und was heißt „schwach“? War Stephen Hawking schwach? Körperlich gesehen ja, er saß im Rollstuhl, konnte irgendwann nicht mehr reden und auch nicht mehr die Finger bewegen. Aber sein Geist war so stark! Er wurde der bekannteste Wissenschaftler seiner Zeit, stürmte mit seinen Büchern die Bestsellerlisten, traf auf Päpste und Präsidenten, füllte Konzerthallen wie ein Rockstar. Er bereiste die Welt, genoss Schwerelosigkeit im Flugzeug und Fahrten im Heißluftballon, hatte Gastauftritte in Fernsehserien und war zwei Mal verheiratet. Was für ein wunderbares Leben eines „schwachen“ Menschen. Der Geist entscheidet, das ist die Botschaft meines Buches!

Sie bewegen sich auf Ihrer Lebensreise immer wieder an den „Rändern“, erobern fremdes Terrain, sind quasi ein Ausloter des Differenten, der Differenzen, sei es als ehemaliger Linker, sei es als konservativer Denker. Was macht den Reiz des Fremden aus, denn, so betonen Sie: Wer alle Antworten kennt, hat nicht alle Fragen gestellt!

Zitelmann: In meinem Buch gibt es dieses Zitat von Albert Einstein: „Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“ Nun, dass Einstein wirklich keine „besondere Begabung“ gehabt hätte, darf man bezweifeln. Auf jeden Fall ist wahr, dass nur jene Menschen Besonderes erreichen, die überaus neugierig sind. Inzwischen ist sogar durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt, dass Neugier für den Erfolg wichtiger ist als der IQ! Wer neugierig ist, stellt viele ungewöhnliche Fragen. Einstein meinte einmal: „Wichtig ist, dass man nicht aufhört zu fragen.“ Das zeichnet auch kleine Kinder aus, die viele, viele Fragen stellen – oft zu Dingen, über die wir Erwachsene uns längst keine Gedanken mehr machen. Ich empfehle daher in meinem Buch: Stellen Sie Dinge infrage, die andere als selbstverständlich oder gegeben hinnehmen! Verdoppeln Sie die Zahl der Fragen, die Sie stellen! Dumme Menschen glauben, alles zu wissen, halten ihren Mitmenschen ständig belehrende Vorträge und fragen wenig. Kluge Menschen sind neugierig und fragen viel. „Gut fragen heißt viel wissen“, lautet ein arabisches Sprichwort.

Was ist denn Ihr Erfolgsrezept und wie gelingt es Ihnen so agil zu sein, zu schreiben, zu denken, Firmen zu führen und Leistungssport zu betreiben. Andere benötigen dafür mindestens vier Leben: Also wie kann man mit der Ökonomie der Zeit so haushalten, das man kreativ bleibt oder wird?

Zitelmann: Erstens: Ich habe viel Zeit, weil ich finanziell frei bin. Zweitens: Ich delegiere 98 Prozent der Dinge, die mir keine Freude machen, an andere. Das habe ich schon mein ganzes Leben lang gemacht. Wenn mir etwas keine Freude macht oder ich denke, das ist eine Arbeit, die auch ein anderer machen kann, dann habe ich mich stets geweigert, das selbst zu tun. Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen: die englischen Übersetzungen meiner Bücher kritisch überprüfen, das macht mir keine große Freude, aber ich tue es selbst. Aber das ist eine von ganz wenigen Ausnahmen, ansonsten delegiere ich wirklich alles. Ich habe erst ein Mal im Leben einen Flug gebucht, obwohl ich Vielflieger bin und eine zeitlang sogar jede Woche drei- bis viermal geflogen bin. Ich mache weder meine Arzt- noch meine Friseurtermine selbst, ich gehe nicht einkaufen, ich gehe nicht zur Reinigung, ich koche nicht, ich vereinbare meine Termine nicht selbst, ich buche meine Hotels nicht selbst, ich verwalte meine Immobilien nicht selbst, ich mache meine Steuererklärung nicht selbst, ich organisiere meine Veranstaltungen nicht selbst und bei allen beruflichen oder privaten Aktivitäten frage ich mich zuerst, ob das nicht ein anderer machen könnte. So habe ich immer sehr viel Zeit – und zwar für kreative Dinge, die mir Freude machen: Ich schreibe fast jedes Jahr ein neues Buch, schreibe wöchentlich eine Kolumne in Forbes.com und habe in den vergangenen zwölf Monaten weltweit Vorträge zu meinen Büchern gehalten: In Peking und Shanghai, in Seoul und in London, in Washington und zahllosen deutschen Städten. Dass ich dafür Zeit habe, liegt daran, dass ich finanziell frei bin, also kein Geld mehr verdienen muss. Und dass ich alles delegiere, was keine Freude macht.  Auch zu diesem Thema habe ich ein schönes Zitat in meinem Buch, nämlich von John Davison Rockefeller: „Ich arbeite nach dem Prinzip, dass man niemals etwas selbst tun soll, was jemand anders für einen erledigen kann.“

Das Interview erschien zuerst in THE EUROPEAN. Die Fragen stellte Stefan Groß-Lobkowicz.

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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.